Wirbel nach Bakterienfund: Wurstfirma klagt gegen Bayern

31.5.2016, 20:23 Uhr
Eine Kamera steht in Geretsried vor dem Firmengelände der Fleischfirma Sieber. Sieber geht nach dem Fund von Bakterien in Wurstwaren gerichtlich gegen das behördlich angeordnete Produktionsverbot vor.

© dpa Eine Kamera steht in Geretsried vor dem Firmengelände der Fleischfirma Sieber. Sieber geht nach dem Fund von Bakterien in Wurstwaren gerichtlich gegen das behördlich angeordnete Produktionsverbot vor.

Die Fleischwarenfirma Sieber geht nach dem Fund gesundheitsgefährdender Bakterien in Wurstwaren gerichtlich gegen das behördlich angeordnete Produktionsverbot vor. Es sei Klage gegen den Freistaat Bayern eingereicht worden, sagte der Inhaber Dietmar Schach am Dienstag am Firmenstandort im oberbayerischen Geretsried. Zuvor waren in Proben gesundheitsgefährdende Listerien gefunden worden.

Der Rückruf sämtlicher Waren und die Werksschließung seien politisch motiviert. Es werde der Versuch unternommen, "an einem Betrieb ein Exempel zu statuieren", um von behördlichen Versäumnissen abzulenken, kritisierte der 51-Jährige. Er bezifferte den täglichen Schaden für sein Unternehmen auf 100.000 Euro. Insgesamt mehrere Hundert Tonnen Ware müssten vernichtet werden. Die Staatsanwaltschaft München II leitete unterdessen Vorermittlungen gegen die Firma ein. "Wir prüfen den Sachverhalt", sagte Oberstaatsanwalt Ken Heidenreich.

Unternehmen beliefert Lidl, Norma, Rewe und Penny

Das Landratsamt in Bad Tölz hatte am Freitag angeordnet, dass sämtliche Sieber-Produkte in Deutschland und dem benachbarten Ausland aus den Ladentheken sowie in Flughäfen und Großkantinen zurückgerufen und vernichtet werden müssen. Das Unternehmen beliefert nach seinen Angaben die Ketten Lidl, Norma, Rewe und Penny, nicht jedoch Aldi. Außerdem verhängte die Behörde ein Betriebs- und Vertriebsverbot für die Großmetzgerei mit 120 Beschäftigten.

Eine Ansteckung mit Listerien kann bei Kleinkindern und Menschen mit einem geschwächten Immunsystem zu starkem Durchfall und Fieber führen. Bei Gesunden verläuft die Listeriose genannte Krankheit meist harmlos.

Firmeninhaber Schach äußerte den Verdacht, dass sein Unternehmen durch die staatlich angeordneten Sanktionen dafür missbraucht werde, politisch vorzeigbare Erfolge im Kampf gegen Lebensmittelskandale zu erzielen. Er nannte auf Nachfrage die Versäumnisse bei Bayern-Ei.

Das bayerische Verbraucherschutzministerium wies die Vorwürfe zurück: «Die zuständigen Behörden handeln konsequent zum Schutz der Verbraucher», erklärte ein Sprecher. «Auch für Betriebe einschneidende Maßnahmen werden zum Schutz der Verbraucher ergriffen, wenn sie rechtlich zulässig und erforderlich sind.» Die Behörden hätten die erforderlichen Maßnahmen ergriffen, betonte der Sprecher und ergänzte: "Der Rückruf wird amtlich überwacht. Außerdem wurden weitere Proben genommen, die noch ausgewertet werden. Die weitere Aufklärung der Lieferwege läuft."

Seit Montag wurden nach Schachs Worten auf einer Unternehmens-Hotline an die 1000 Anrufe mit Fragen vor allem zu Gesundheitsgefahren und der Erstattung bereits gekaufter Produkte beantwortet. "Wir setzen alles daran, die Dinge im Interesse aller Kunden umzusetzen", sagte der Firmenchef. Er entschuldigte sich bei seinen Handelspartnern und den Verbrauchern für Unannehmlichkeiten der Rückrufaktion und mögliche Ängste, "die sie nach dem Verzehr unserer Waren hatten".

"Es gibt bis jetzt keine gesicherten Erkenntnisse, wann und wo Keime in unser Unternehmen hineingetragen wurden."

Er verwies darauf, dass rund 45 im Unternehmen genommene Proben frei von gesundheitsgefährdenden Listerien seien. "Es gibt bis jetzt keine gesicherten Erkenntnisse, wann und wo Keime in unser Unternehmen hineingetragen wurden", sagte Schach. Allerdings wurden vor Ostern in einem Schweinefleisch-Produkt von Sieber im Nürnberger Land Listerien nachgewiesen. Der Grenzwert wurde dabei um das Zehnfache überschritten.

Bei daraufhin veranlassten verstärkten Proben in Kaufhausregalen waren fünf Produkte mit Listerien belastet. Nach Schachs Worten wurden dabei die behördlich vorgeschriebenen Grenzwerte eingehalten. "Dass auf dieser Tatsachenbasis das gesamte Produktsortiment zurückgerufen werden muss, ist einmalig", kritisierte der Firmenchef. Zur Zukunft seines Unternehmens sagte er: "Ich weiß es nicht." Er arbeite an einem Konzept zur Rettung der Firma.

Nach Angaben des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) in Erlangen wurden seit 2012 in Deutschland Listeriosen mit einem bestimmten Muster beobachtet. Diesem Ausbruch könnten möglicherweise bis zu 80 Erkrankungsfälle mit dem Schwerpunkt Baden-Württemberg und 22 Fälle in Bayern zugeordnet werden. Acht der erkrankten Personen starben, bei vier von ihnen wird die Listeriose als hauptsächliche Todesursache angesehen. Ob die Todesfälle auf Sieber-Produkte zurückgehen, ist unklar.

Das Robert-Koch-Institut (RKI) vermutet, dass das Sieber-Produkt "Original Bayerisches Wammerl" in Zusammenhang mit dem Listeriose-Ausbruch in Süddeutschland von 2012 an bis heute steht. So kam es erst zur Verzehrwarnung durch das bayerische Verbraucherschutzministerium und schließlich zum Rückruf der Ware.

Die vier Toten aus Bayern waren alle deutlich über 50 Jahre alt. Der jüngste war mit 59 Jahren ein Mann aus Schwaben, die älteste eine 88-Jährige aus Schwaben. Sie ist nach den LGL-Angaben auch die einzige, die tatsächlich an den Folgen Listeriose-Erkrankung starb. Die weiteren Opfer sind eine 83 Jahre alte Frau aus Niederbayern und ein 69 Jahre alter Mann aus Oberbayern. Sie und der 59-Jährige starben aufgrund anderer Ursachen. Im Fall der 83-Jährigen sei die Todesursache "nicht ermittelbar", so das LGL.

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