Wirbel um Bio-Werbung: Bäuerin war Kunden zu perfekt

12.3.2018, 05:08 Uhr
Wirbel um Bio-Werbung: Bäuerin war Kunden zu perfekt

© Foto: Viscom Fotografie

Sie ist jung, blond – und den Kunden zu attraktiv. Die Passanten und Autofahrer können der Frau, die ihnen da vom Plakat zulächelt und vorgibt eine Bäuerin zu sein, einfach nicht glauben. Zu weiß strahlen ihre Zähne und zu perfekt ist ihre schlanke Figur. Bei den Schrozberger Milchbauern hagelt es nach dieser Werbekampagne Beschwerden: "So sieht doch keine Bäuerin aus." Zuvor zierten Landwirte mit wettergegerbten Gesichtern und fleckigen Latzhosen die Werbeflächen.

"Gute Bio-Werbung muss glaubwürdig sein", sagt Bernd Eberle von der gleichnamigen Werbeagentur. Er und sein Team haben die Plakatkampagne für die Genossenschaft der Milchbauern aus Schrozberg entwickelt. Bis 2013 haben den Kunden von den Joghurtbechern noch gequält glücklich aussehende Menschen zugelächelt.

"Ein schlechter Abklatsch von Landliebe", nennt Eberle die Motive. Nur bei Vorträgen wie auf der Nürnberger Messe Biofach zeigt er die Negativbeispiele. Längst hat die Agentur die Werbegesichter aus dem Katalog gegen echte Bauern ausgetauscht. Solche, wie die attraktive Landwirtin eine ist. Unter den Männern in Karohemd und Filzhut auf dem Kopf oder den Frauen in Jeans und Strickpullover bleibt sie aber die einzige, die wie eine Kandidatin von "Germany‘s Next Topmodel" aussieht.

Ein "bisschen Bio-Klischee"

Die anderen Bauern haben alles, was ein Model nicht hat: Der Mann in Karohemd und Filzhut auf dem Kopf lächelt schief, auf seinen Wangen haben sich tiefe Falten eingegraben. Scheinbar zufällig steht er neben einer braun-weiß gefleckten Kuh und löffelt Fruchtjoghurt aus dem Glas. Wie alle anderen "Models" trägt er seine tägliche Arbeitskleidung. Für ein "bisschen Bio-Klischee", wie Eberle sagt, sorgen auf den Fotos ein Holzbalken oder eine Holzscheune. Seit dem Relaunch der Marke 2012 ist der Umsatz der Schrozberger jedes Jahr um 20 Prozent gewachsen.

Die Slogans heißen "Aus Leidenschaft stur" oder "Unsere Hörner bleiben dran". Die Schrozberger Milchbauern sind eine Genossenschaft, die nach den strengen Richtlinien des Demeter-Biosiegels produziert. Von anderen Milchbauern unterscheidet sie vor allem, dass die Kühe Hörner haben. Viele Bio-Landwirte halten enthornte Rinder, um die Verletzungsgefahr für sich oder für die Tiere untereinander zu verringern. Die Schrozberger Milchbauern hingegen glauben, dass ihre Kühe bessere Milch geben, wenn sie ihre Hörner behalten.

Naturbelassenheit und artgerechte Tierhaltung

Tatsächlich erfüllen sie damit die Wünsche vieler Kunden. Naturbelassenheit und eine artgerechte Tierhaltung zählen zu den wichtigsten Kaufmotiven für Bio-Lebensmittel, wie Beate Gebhardt von der Universität Hohenheim herausgefunden hat. Wobei das nur für Kunden gilt, die sowieso regelmäßig im Bioladen einkaufen. Denn wer seine Lebensmittel im Discounter kauft, findet nur selten den Weg in den Bioladen. Als zu altmodisch und als zu langweilig werden die Bio-Produkte empfunden. Auch würden sie viele Werbemaßnahmen gar nicht erreichen, sagt Gebhardt. Denn Bio-Werbung findet vor allem dort statt, wo Menschen sind, die sowieso Bio kaufen – in den Kundenmagazinen des Biofachhandels.

Die Fürther Bio-Supermarkt-Kette Ebl legt eines den Tageszeitungen bei. "Wir können unsere Angebote und Produkte präsentieren, als auch aktuelle Themen mit einem redaktionellen Teil ansprechen", sagt Ebl-Sprecherin Christine Fröhlen.

Werbung im Internet hingegen ist für die Bio-Branche ein schmaler Grat. Stammkunden – Gutverdiener ab 50 Jahren – empfinden Werbeangebote in den sozialen Netzwerken oft als unglaubwürdig. Nur bei denjenigen, die sowieso kaum Bio kaufen, steigt die Akzeptanz für Anzeigen auf Facebook oder Instagram.

Die Schrozberger Milchbauern haben vor allem auf die Plakatkampagne mit echten Bauern in ihrer Heimat Baden-Württemberg gesetzt. Alle zwei bis drei Jahre gibt es ein neues Fotoshooting mit den Landwirten und ihren Tieren oder ihren Familien. Nur die hübsche Bäuerin musste bereits nach einem Jahr die Werbefläche verlassen. "Es geht nicht um Ehrlichkeit", sagt Werbefachmann Bernd Eberle. "Sondern darum, glaubwürdig zu sein." Das Foto einer jungen, attraktiven Landwirtin passt da für die Kunden nicht ins Bild.

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