Wo Kampfkunst Gewaltopfern hilft

2.12.2014, 18:52 Uhr
Wo Kampfkunst Gewaltopfern hilft

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NZ: Herr Kann, Sie haben im Alter von acht Jahren bereits mit der Kampfkunst angefangen. Was war der Auslöser dafür?

Michael Kann: Als ich mich vor rund 40 Jahren entschied, eine Kampf-sportart zu erlernen, tat ich dies in erster Linie, weil ich mich verteidigen lernen wollte. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits verschiedene, weniger positiver Erlebnisse hinter mir. Neben mehreren Körperverletzungen war es bei mir auch bereits im Kleinkindalter zu sexuellen Übergriffen gekommen. Ich wollte einfach nicht länger ein Opfer sein.

NZ: Konnten Sie diese schwierigen Erlebnisse durch die Kampfkunst besser verarbeiten?

Kann: Der Grund, warum mit den Jahren Kampfkünste und Kampfsportarten mein persönlicher Lebensweg geworden sind, ist ganz einfach: In mir reifte der Entschluss heran, selbst zu unterrichten. Ich wollte Individuen das Handwerkszeug an die Hand geben, damit sie nicht in ähnliche Situationen wie ich geraten würden. Persönlich hat mir das Training geholfen, weil es wie ein Katalysator wirkte. Aber erst mit 28 Jahren konnte ich auch lernen, wirklich „los zu lassen“. Heute kann ich mit dem Erlebten umgehen – auch wenn es immer auf der „Festplatte“ verbleibt.

NZ: Welche Stationen hat Ihre Kampfkunstkarriere genommen?

Kann: Los ging es bei mir 1974 mit Ringen, Judo und Ju-Jutsu. Mit elf Jahren wechselte ich zum Shotokan Karatedo in Forchheim und stieg in traditionelles Taekwondo ein. Ab 1982 begann ich mit Boxen und Kickboxing, 1984 kam noch ein Studium der philippinischen Kampfkünste hinzu. 1987 entschied ich mich dazu eine eigene Abteilung, das „Warriors
Martial Arts Team“, in der DJK Kersbach in Forchheim zu eröffnen. 1995 zog ich mich vom aktiven Kickbox-Wettkampfsport zurück und widme mich seither der Förderung meiner Schüler.

NZ: Wie sieht das aus?

Kann: Zunächst gründete ich 1999 die Interessensgemeinschaft „Progressiv Self Defence System“: Diese ist primär im Bereich der Trainerausbildung tätig und heute eine Trainerakademie. Fünf Jahre später trennte sich dann das „Warriors Martial Arts Team“ von der DJK Kersbach und wurde ein eigenständiger eingetragener Verein, dem ich heute immer noch vorstehe. Seit heuer bin ich der Bundestrainer der „IAKSA/ICO Germany“ – dem Deutschen Kickboxing-Dachverband – und betreue die Nationalmannschaftskämpfer im Bereich Kickboxing, K1 und Mixed Martial Arts.

NZ: Hat Kampfkunst also auch beruflich für Sie immer eine Rolle gespielt?

Kann: Ja sicher, ich bin lizenzierter Trainer für Boxen, Kickboxing,
Thaiboxing, Karate, Ju-Jutsu, Escrima, Mixed Martial Arts, PSDS, Prävention und Fitness. Außerdem war ich von 1991 bis 2003 nebenberuflich als Sicherheitsberater und Selbstverteidigungsausbilder für Industrie- und Sicherheitsunternehmen tätig.

NZ: Welche Stile begeistern Sie und warum?

Kann: In erster Linie habe ich mich davon gelöst, Stile begeisternd zu finden. Ich habe gelernt, dass es nicht auf den Stil ankommt, sondern auf den Interpret – das war für mich eine sehr wichtige Erkenntnis. Ich selbst habe auch keinen Favoriten – ich lebe Martial Arts, ganz gleich was ich unterrichte.

NZ: Wann wurde die Idee des Nikolaus-Budo-Lehrgangs geboren?

Kann: Das war 1999. Ich überlegte mir, wie ich diejenigen, die sich eben nicht wehren können oder bereits zum Opfer wurden, besser erreichen könnte. Ein freier Lehrgang, der kostenfrei zugänglich ist und ehrenamtlich organisiert wird, erschien mir die beste Lösung. Im Jahr 2002 kam über Monika Vieth, die zuständige Außenstellenleiterin des Forchheimer Büros, der Kontakt zum Weißen Ring zustande. Die Deutsche Gewaltopferhilfe und ihre Arbeit passte zu dem, was ich wollte, wie „die Faust aufs Auge“ (lacht).

NZ: Was hat sich in den 15 Jahren verändert? Und was sind Konstanten, auf die Sie sich verlassen können?

Kann: Letztlich hat der Lehrgang viele Fans die immer wieder gerne kommen. Jedes Jahr gibt es auch Neues zu erleben, da wir immer versuchen, zwei bis drei neue Kampfsportarten, Kampfkünste oder Selbstverteidigungssysteme vorzustellen. Die Konstante in meinem Leben, aber auch in Bezug auf den NBL, sind zum einen meine Frau und meine Familie, die mich immer schon unterstützen und zum anderen die Warriors. Ohne sie wäre das alles gar nicht möglich.

NZ: Hat der Nikolaus-Budo-Lehrgang auch in Ihrem Leben etwas verändert?

Kann: Mahatma Gandhi sagte: „Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt.“ Das habe auch ich mir auf die Fahne geschrieben. Das Leben ist eine ständige Veränderung.

Der Lehrgang selbst ist für mich zu einem Familientreffen geworden: Ich freue mich jedes Jahr auf die Menschen, die uns bei dem Unterfangen helfen – und ohne die das alles nicht möglich wäre.

Der Lehrgang findet am 6. und 7. Dezember jeweils ab 9 Uhr in der
Dreifachturnhalle des Ehrenbürg-Gymnasiums in der Ruhalmstraße in Forchheim statt. Die Teilnahme ist kostenlos, um Spenden wird gebeten.
Mehr Informationen finden Sie unter: www.nikolaus-budo-lehrgang.de

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