Zentralasien: Aufs Dach der Welt reiten

7.12.2019, 08:00 Uhr
Zentralasien: Aufs Dach der Welt reiten

© Petra Jacob

Links und rechts der Fahrbahn nur baumlose Hochgebirgswüste. Am Horizont ringsum liegen Bergketten in allen Farbschattierungen, dahinter schneebedeckte Bergmassive. Seit Stunden sind wir allein auf der Straße – nicht eine Menschenseele war sonst unterwegs. Nur da hinten in der Ferne stehen ein, zwei Jurten, jene wie Iglus geformte Nomadenzelte. Kaum auszumachen verschwinden sie vor der grandiosen Bergwelt. Und dieser Himmel – wie ein saphirblauer Baldachin hat er sich über allem ausgebreitet.

Beginn der Reise war in Osch, Kirgistans zweitgrößter Stadt und das eine Ende des Pamir Highway. Auf 1300 Kilometern führt die Fernstraße, die zu den spektakulärsten Hochstraßen der Welt gezählt wird, bis nach Duschanbe, der Hauptstadt von Tadschikistan. Bereits kurz hinter Osch, das auf 870 Höhenmetern liegt, steigt der Highway bis zur tadschikischen Grenze stets bergan. Die Berge ringsum werden noch höher und karger, die Straße immer schlechter und kurviger. Der Grenzübergang nach Tadschikistan liegt unterhalb des Kyzyl-Art-Passes auf immerhin 4282 Metern. Von dort führt die Fernstraße durch das Pamirgebirge, eines der großen Hochgebirge der Erde – es gehört mit Tibet und dem Himalaya zu den Dächern der Welt. Zumal die Verbindungsstraße zwischen den beiden Ex-Sowjetrepubliken noch vier mehr als 4000 Meter hohe Pässe überquert, der höchste, der Ak-Baital-Pass, liegt auf fast 4700 Metern.

Eine Schotterpiste mit Schlaglöchern

Meist ist die Straße eine Schotterpiste mit vielen Schlaglöchern, denn ihre Instandhaltung ist seit jeher eine Herausforderung – wegen des harschen Klimas, der eiskalten Winter und vielen Erdrutschen gibt es immer etwas zu reparieren.

Begonnen wurde mit der Errichtung der Straße im Jahr 1929 nach Gründung der Tadschikischen Sozialistischen Sowjetrepublik. Ziel war es, das äußerst abgelegene Gebiet an das sowjetische Straßennetz anzuschließen. Damals entstanden entlang des Weges Versorgungsstationen. Eine davon ist Murgab, knapp 3600 Meter über dem Meeresspiegel. 7000 Menschen leben hier, die Flachbauten liegen über die Hochebene verstreut. Die umliegenden Berge wirken wie Hügel, obgleich sie über 5000 Meter hoch sind.

Murgab eignet sich perfekt für einen Zwischenstopp, denn danach kommt wieder lange nichts – der Pamir ist auch eines der einsamsten Gebirge der Welt. Die Befahrung ist etwas für Abenteurer. In den letzten Jahren wurde die Strecke vor allem unter Mountainbikern und Motorradfahrern immer beliebter. Öffentliche Verkehrsmittel gibt es nicht. In den Hotels von Osch oder Duschanbe kann man Touristen Mitfahrgelegenheiten oder Fahrzeuge mit Chauffeur organisieren. Die Fahrer sprechen aber neben ihrer Muttersprache oft nur ein paar Brocken Englisch, umso besser Russisch, das unter den vielen Völkern in Zentralasien immer noch als Umgangssprache genutzt wird.

Die Fahrer wissen, wo man übernachten kann, denn das Pamirgebirge ist touristisch kaum erschlossen. In den wenigen Ortschaften gibt es einfache Unterkünfte bei Familien, Luxus darf man nicht erwarten. Strom aus kleinen Sonnenkollektoren ist nur sporadisch und nur für ein paar Stunden vorhanden, Toiletten sind Plumpsklos ohne fließendes Wasser. Man wird in der Regel gleich von den Gastgebern bekocht, denn Lebensmittel sind vor allem im Ostpamir nur schwer zu finden. Und wenn, dann sind sie überteuert, weil importiert.

Mit dem Yak zum Schneeleopard

Im Straßendorf Alichur vermietet zum Beispiel der Russischlehrer Gästezimmer. Zum Frühstück trägt er Grießbrei mit selbstgemachter Marmelade auf. Die weißen Kastenbauten des Ortes liegen an einem kobaltblauen Fluss. Dort schrubben Frauen in bunten Kleidern und Kopftüchern Teppiche. Am Flussufer knabbern Yaks am spärlichen Gras, einige baden im Wasser – Szenen wie in Tibet. Diese Farben, diese unendlich weite Hochebene. In der Ferne ringsum die Bergketten.

Dort geht es nun hinein und hinauf in eines der Täler zu einer Yak-Safari. An einem einsamen Gebirgsstrom stehen zwei Jurten, daneben grasen Yaks. Zwei Familien aus Alichur nutzen hier die Flächen als Sommerweide für ihre Tiere. "Dawai, Dawai", bittet der Mann mit dem wettergegerbten Gesicht ins Zelt. Aus Yakmilch hergestellter Joghurt, Sahne und riesige Butterkugeln stehen zur Stärkung bereit.

Die Grunzochsen sind ziemlich stur

Die auch Grunzochsen genannten Yaks sind für ihr gefügsames Wesen bekannt, "doch ziemlich stur", sagt Bauer Edres und zerrt sie inklusive Touristenfracht den Berg hinauf. Im Marschgepäck hat er ein Fernglas, denn in den schwer zugänglichen Hochgebirgsregionen gibt es Schneeleoparden und noch einzelne Bestände der legendären Marco-Polo-Schafe. Inzwischen sind die kuriosen Schafe vom Aussterben bedroht und stehen unter Schutz. "Für 20.000 Dollar erhält man trotzdem eine Jagdgenehmigung", weiß er. So wie Bauer Edres einige seiner Yaks für Touren vermietet, ist die Jagd auf die Schafe eine Art der Devisenbeschaffung für das bitterarme Land. Die Jagdhütte von Keng Schiber ist das Basislager für die reichen Jäger aus dem Ausland. In der Jagdnebensaison dient sie als Touristenherberge, zu erreichen ist sie nur querfeldein durch ein breites Tal und über zwei Flüsse im einsamen Nirgendwo.

Etwas Besonderes entlang der Strecke sind die vielen Seen. In Tadschikistan – annähernd doppelt so groß wie Bayern – gibt es rund 1200. Der größte ist der Kara-Kul, er ist von bis zu 7000 Meter hohen Bergen umgeben. Ein anderer – der Yashi-Kul ein paar Kilometer vom Pamir Highway entfernt – erstreckt sich smaragdgrün auf einer Länge von 19 Kilometern, auch er umgeben von in allen Rottönen schimmernden Bergen.

Das Atmen fällt schwer

Im türkisblauen Wasser des nahen Bulun-Kul spiegelt sich ein vielfarbiger Bergkamm. An seinem Ufer liegt ein Dorf mit dem gleichen Namen, dort gibt es wieder Familienunterkünfte. Abends sitzen die Gäste bei einem flackernden Lichtlein, die Akkus für die Lampen sind schon leer. Seit Tagen haben sie dort keinen Handyempfang und dadurch kein Internet. Dafür umso mehr Zeit zum Ausruhen. Das ist nötig, denn das Atmen fällt schwer in der dünnen Höhenluft des Pamirgebirges. Nur langsam gewöhnt sich der Körper an den Sauerstoffmangel. Zeit, nach innen zu lauschen. Denn durch diese stille und unberührte Mondlandschaft zu reisen, ist auch eine sehr mystische Erfahrung.

Mehr Informationen:

www.botschaft-tadschikistan.de
Visum für Tadschikistan und Sondergenehmigung für die Befahrung des Pamir Highways bei der Botschaft beantragen.
Anreise:
Flug ab München mit zwei Umstiegen bis Duschanbe in knapp 14 Stunden.
Günstig wohnen:
Privat bei Familien oder
Pamir Hotel in Murgab
www.pamirhotel.com
Komfortabler wohnen:

https://asia-grand-hotel-dushanbe.hotel-mix.de/
Beste Reisezeit:
Ende Mai bis Ende September, am besten Juli bis Oktober.

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