Zieht Fürth beim 365-Euro-Ticket nach?

21.7.2020, 06:00 Uhr
Zieht Fürth beim 365-Euro-Ticket nach?

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Für nur einen Euro am Tag mit Bus und Bahn fahren: Der Ruf nach einem 365-Euro-Ticket ist schon viele Jahre alt. Der Vorreiter, die Stadt Wien, hat es bereits im Mai 2012 eingeführt.

In Deutschland schien das lange Zeit undenkbar. Doch vor allem die aufkommenden Proteste der Klimaschutzbewegung sorgten für einen Perspektivwechsel. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat das Thema längst auf der Agenda, und vor einem Monat setzte Nürnberg, als erste deutsche Großstadt, mit dem Beschluss ein Zeichen, spätestens zum 1. Januar 2023 ein solches Ticket nicht nur für Azubis und Schüler, sondern für alle einführen zu wollen. Zuvor hatte die Linkspartei 21 000 Unterschriften für einen Bürgerentscheid gesammelt.

Fürths Oberbürgermeister Thomas Jung (SPD) sprach gegenüber den FN von einem "Paukenschlag" und hievte das Thema prompt auf die Tagesordnung der Stadtratssitzung am 22. Juli. Im Gremium zeichnet sich eine breite Mehrheit für das 365-Euro-Ticket ab. Erklärtes Ziel ist, dass es in der Städteachse Fürth, Nürnberg, Erlangen, Schwabach sowie in den vier angrenzenden Landkreisen gilt. OB Jung spricht schon jetzt von einer "Modellregion".

Jungs SPD will die Zustimmung jedoch an eine Bedingung knüpfen: Das Land Bayern und der Bund müssten zwei Drittel der Kosten übernehmen. Denn klar ist: Das Ticket wird die Haushalte der Städte und Gemeinden schwer belasten. Allein für Nürnberg rechnet die VAG mit jährlichen Mindereinnahmen in Höhe von 20 Millionen Euro.

Hinzu kämen hohe Kosten, um den ÖPNV weiter auszubauen. "Der Ministerpräsident will das 365-Euro-Ticket", sagt Fürths Oberbürgermeister, "ich bin daher optimistisch, dass er uns entsprechend unterstützen wird." Als ausgemacht gilt zudem, dass die Fahrpreise im Verkehrsverbund Großraum Nürnberg (VGN), wie schon im Januar 2020, auch beim nächsten Jahreswechsel eingefroren bleiben.

Auch in Sachen Sozialticket wird Fürth nachziehen. In der Nachbarstadt werden Inhaber des Nürnberg-Passes, der ihnen eine gewisse Bedürftigkeit attestiert, ab 2021 rund um die Uhr für nur 15 Euro im Monat fahren können. Dafür hatte sich ebenfalls die Linkspartei eingesetzt.

Welches Sozialticket?

Auch in der Kleeblattstadt gibt es längst ein Sozialticket. Fürth-Pass-Besitzer kaufen das schon länger angebotene Jahresticket mit Ausschlusszeit für 26 Euro im Monat, bekommen aber drei Monatsraten erstattet, wodurch der Preis schlussendlich bei monatlich 19,50 Euro liegt. 

Die Fürther Linke will nun das Nürnberger Modell übernehmen, die SPD möchte die Fahrkarte künftig sogar um zwei Euro günstiger anbieten als die Nachbarstadt, also für 13 Euro. Möglich wäre das, wenn man Fürth-Pass-Besitzern beim Kauf des 26-Euro-Tickets künftig die Hälfte der Monatsbeiträge zurückerstattet.

Allerdings hätte der Vorschlag der Sozialdemokraten zwei Haken: Zum einen dürften die Käufer das Ticket wegen der besagten Ausschlusszeit nicht vor 9 Uhr nutzen. Zum anderen würde es nicht wie in Nürnberg in der Preisstufe A (Nürnberg, Fürth, Stein) gelten, sondern nur in Stufe B (Fürth, Zirndorf, Oberasbach). Dank dieser Einschränkungen würde die Kleeblattstadt jährlich einen "sechsstelligen Betrag" sparen, so der Oberbürgermeister. "Wir glauben, dass man so gut wie alles – vom Einkaufen bis zum Arztbesuch – in Fürth erledigen kann", sagt Thomas Jung.

Als Sieger sieht sich das Fürther Sozialforum. "Noch vor wenigen Jahren wurden wir für die Forderung nach einem 365-Euro-Ticket belächelt", heißt es in einer Pressemitteilung. "Jetzt zeigt sich: Es ist möglich, wenn der politische Wille dazu vorhanden ist."

Für das Sozialforum, das am Mittwoch, 14.30 Uhr, vor der Stadtratssitzung in der Stadthalle demonstrieren will, ist es aber nur der erste Schritt. Der nächste müsste demnach sein: "Die Einführung des Null-Tarifs im Öffentlichen Nahverkehr".

Der Artikel wurde am 21.7. um 10.55 Uhr bearbeitet.

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