Die Geschichte der Nürnberger Zeitung

29.3.2018, 14:30 Uhr
Anzug und Arbeitskittel: Redakteure der Nürnberger Zeitung kontrollieren den Seitenumbruch bei den Metteuren. Allein dieser ausgestorbene Beruf - ein Metteur war ein Schriftsetzer - zeugt vom historischen Gehalt des Bildes, das 1929 in den alten Verlags- und Redaktionsräumen an der Fleischbrücke entstand.

© Repro: "125-jähriges Bestehen der Nürnberger Zeitung und Korrespondent von und für Deutschland" Anzug und Arbeitskittel: Redakteure der Nürnberger Zeitung kontrollieren den Seitenumbruch bei den Metteuren. Allein dieser ausgestorbene Beruf - ein Metteur war ein Schriftsetzer - zeugt vom historischen Gehalt des Bildes, das 1929 in den alten Verlags- und Redaktionsräumen an der Fleischbrücke entstand.

Kapitel 1: Der Zusammenschluss

Die Nummer 1 ist in Gold gerahmt: Die Mutter der Nürnberger Zeitung heißt - für unsere Ohren etwas sperrig - "Fränkischer Kreiscorrespondenten von und für Deutschland" und wurde im Jahr 1804 gegründet. Aufbewahrt wird die Erstausgabe des Correspondenten in der Schweiz, weil sie in Basel gefunden worden ist. Doch in welchem Haus und in welcher Straße in Nürnberg die Stränge zusammenliefen, darüber gibt es kaum Hinweise.

"Der Fränkische Kreiscorrespondent von und für Deutschland" war kleiner als die heutige NZ, umfasste nur vier Seiten und Bilder gab es gar keine.

"Der Fränkische Kreiscorrespondent von und für Deutschland" war kleiner als die heutige NZ, umfasste nur vier Seiten und Bilder gab es gar keine. © Universitätsbibliothek Basel

Bekannt ist: Das Büro des Correspondenten wird erstmals im Nürnberger Adressbuch von 1819 genannt. Es ist das Haus von Ludwig Friedrich August Zehler, das sich in der Adlerstraße 6 befunden hat. Der erste Umzug: Ab 1829 ist die Zeitung am Hauptmarkt 4 untergebracht, der Königlich-Bayerische Stadtkommissär von Fürth, Johann Friedrich Zehler, residierte hier. 1850 wird Zehlers Stadtkommissärswitwe als Ansprechpartnerin genannt.

Inhaltich ist mehr bekannt: Dank seiner zentralen Lage eignet sich Nürnberg perfekt als Umschlagplatz für Nachrichten. Und die Zeiten sind turbulent. Da beschließen Josef von Schaden und der Kartograf Major Hammer, eine politisch-literarische Zeitung ins Leben zu rufen. Der Umfang am Anfang: vier Seiten, gedruckt wird in der Zunnerschen Buchdruckerei, den Vertrieb organisiert das Nürnberger Oberpostamt. 

Der Anspruch ist groß: "Vorsicht in der Auswahl auffallender Nachrichten, hohe Achtung für Verfassungen und strenge Überparteilichkeit werden für die Redaktion heilige Gesetze sein", heißt es in den Grundsätzen. Die Auflage steigt schnell von 400 auf 3000 im Jahr 1815, mehr als ein Drittel der Exemplare passiert die Grenzen Bayerns. 

Doch nach dem Höhenflug folgt die erste wirtschaftliche Krise: Papier, Druck und Vertrieb kosten schon damals ordentlich Geld. Deshalb geht  der Kreiscorrespondent 1890 im wesentlich jüngeren, im Anzeigengeschäft erfolgreicheren „Generalanzeiger für Nürnberg Fürth und Umgegend“ auf. Die neue Adresse lautet: Umschlittplatz 1.   

Kapitel 2: Die "gelesenste Zeitung Nürnbergs"

Frühe Ansichten: Die gesamte Belegschaft hat sich zum Fotoshooting versammelt (l.). Der General Anzeiger, Vorläufer der NZ, hat seinen Sitz zwischen 1891 und 1894 am  Umschlittplatz 1. Das Gebäude steht heute noch. Verleger Erich Spandel ist umtriebig: Auf der Landesausstellung 1906 präsentiert er seine Druckmaschinen in einer Halle der MAN.

Frühe Ansichten: Die gesamte Belegschaft hat sich zum Fotoshooting versammelt (l.). Der General Anzeiger, Vorläufer der NZ, hat seinen Sitz zwischen 1891 und 1894 am Umschlittplatz 1. Das Gebäude steht heute noch. Verleger Erich Spandel ist umtriebig: Auf der Landesausstellung 1906 präsentiert er seine Druckmaschinen in einer Halle der MAN. © Stadtarchiv Nürnberg/Germanisches Nationalmuseum Nürnberg/Montage: Sabine Schmid

Endlich wird der Titel auch griffiger, er lautet schlicht General Anzeiger. Der Zusammenschluss trägt offenbar Früchte. Denn das Blatt bezeichnet sich selbst als "gelesenste Zeitung Nürnbergs". Es folgt der nächste Umzug 1894, diesmal in die Karlstraße 23. Die Auflage liegt bei 25.000, Tendenz stark steigend.

1895 übernimmt der Kaufmann Erich Spandel. Er rückt die Zeitung durch Aufsehen erregende Maßnahmen in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Zum Beispiel lässt er die Druckmaschinen in den Hallen der Bayerischen Landesausstellungen im Luitpoldhain und im Stadtpark 1896 und 1906 aufbauen und die Zeitung dort drucken. Innerhalb von zehn Jahren verdoppelt Spandel die Auflage auf 50.000 Exemplare.

Nach seinem frühen Tod verwalten die Witwe Margarete Spandel (bis 1917) und Bruder Hermann (bis gegen 1925) Zeitungsverlag sowie Druckerei. Dann ist es endlich soweit: 1913 wird das Blatt einmal mehr unbenannt.

Aus dem General Anzeiger wird die Nürnberger Zeitung.

Und die kehrt an einen bekannten Standort zurück: Sitz wird wieder der Hauptmarkt Nr. 4. In der NZ-Jubiläumsausgabe 2004 erinnert sich Erich Mulzer, einst Vorsitzender der Altstadtfreunde, an die am NZ-Haus angebrachte Stange, von der um zwölf Uhr ein Ball herunterfällt - ein tägliches Ereignis, das dem Männleinlaufen damals die Show stiehlt. 

In dieser Zeit können die Nürnberger was Nachrichten anbelangt aus den Vollen schöpfen: Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges gibt es neun verschiedene Ausgaben - und die mit Abstand auflagenstärkste ist die NZ. Zwar erschweren Papierrationierung, die desolaten Verkehrsverhältnisse, Materialmangel jeder Art und später die Geldentwertung Herstellung und Vertrieb. Aber das Anzeigengeschäft läuft.

Was den Inhalt anbelangt: Bis in die Spätzeit der Weimarer Republik pflegt die NZ einen nationalen und, mit Ausnahme des Antikommunismus, parteipolitisch neutralen Kurs. Eine nationalistische Färbung gibt es nicht. Das wird grundsätzlich auch nicht anders, als 1926 der 21-jährige Otto Spandel den väterlichen Betrieb übernimmt und die Verantwortung für das Politik-Ressort auf Dr. Hans Beck (ab 1927) und auf Sigmund Neumann überträgt. Der damals amtierende Rabbiner Dr. Freudenthal attestiert 1929 der NZ sogar, dass sie dem Judenhass "niemals ihre Spalten geöffnet hat".

Kapitel 3: Die dunkle Zeit

Ein Aufmarsch auf der Fleischbrücke und das NZ-Gebäude mit Hakenkreuzbeflaggung. Die Zeitung wird hier bleiben bis zur vorläufigen Einstellung im Jahr 1943.

Ein Aufmarsch auf der Fleischbrücke und das NZ-Gebäude mit Hakenkreuzbeflaggung. Die Zeitung wird hier bleiben bis zur vorläufigen Einstellung im Jahr 1943. © Stadtarchiv Nürnberg

Doch dann kommt Hitler an die Macht. Bereits im März spricht der neue Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, Joseph Goebbels, auf einer Pressekonferenz vom "gründlichen Aufräumen" in der Zeitungspolitik und vom "sehr baldigen Ausmerzen" vieler bisheriger Journalisten und Meinungsmacher. Die NZ entscheidet sich für Anpassung, der 1915 eingeführte Hinweis im Zeitungskopf "Politisch und wirtschaftlich unabhängig" entfällt im Frühjahr 1934.

Antreibende Kraft ist der Jurist Dr. Hans Beck. Unter seiner Führung verstärken sich im Frühjahr 1933 die antiparlamentarischen, antidemokratischen und völkischen Töne unübersehbar. Der Jude Sigmund Neumann muss die Zeitung verlassen und emigriert 1938 in die USA. NS-Großveranstaltungen und Streicher-Ansprachen werden immer häufiger abgedruckt, in ihrer Judenhetze und mit einschlägigen Überschriften bedient sich die NZ nicht selten des berüchtigten "Stürmer"-Jargons.

Aber schließlich hilft alles teils boshafte Mitmachen, teils ängstliche Lavieren nichts: Am 31. März 1943 muss die trotzdem noch immer als "bürgerlich" geltende Nürnberger Zeitung ihr Erscheinen einstellen und wird lediglich als "Kopfblatt" der Parteizeitung bis zum 1. September 1944 weitergedruckt. Das Redaktionsgebäude und der Sitz des Spandel-Verlags werden im Zuge der "Entschandelung" durch die Nationalsozialisten in den 1930er-Jahren auf altdeutsch zurückgebaut.

 Am 2. Januar 1945 werden die Spandel'sche Druckerei und das Redaktionsgebäude am Hauptmarkt komplett zerstört.

Kapitel 4: Der Neuanfang

Über Nacht wurde aus dem dezenten Blau ein auffälliges Grün.

Über Nacht wurde aus dem dezenten Blau ein auffälliges Grün. © Repro: Daniela Harbeck-Barthel/Montage: Sabine Schmid

An einem heißen Sommertag vier Jahre nach Kriegsende meldet sich die NZ endlich wieder zu Wort: Am 30. Juli 1949 darf sie nach sechs Jahren und vier Monaten wieder erscheinen. Probennummern werden an alle Haushalte verteilt und Verleger Otto Spandel wirbt in einem bewegenden Appell um Leser.

Die NZ lässt sich in der Regensburger Straße nieder, zuerst in Hausnummer 44, ab 1952 in Nummer 10/46 und schließlich zieht die Zeitung 1965 in das völlig neue Redaktionsgebäude ein.

Aber was noch viel spannender ist: Die NZ wird grün. Am 20. April 1968, einem heißen Tag, weil der Club sich zwei entscheidende Punkte im Endkampf um die deutsche Fußball-Meisterschaft holt, die Studentenbewegung wütet und im Prager Frühling die Leiche eines hohen Sicherheits-Funktionärs gefunden wird, an diesem Tag also ändert die NZ ihren Kopf und damit ihr gewohntes Erscheinungsbild.

Noch bis spät in die Nacht hinein arbeiten NZ-Werbeleiter Peter Limpert und Chef vom Dienst Martin Döbert an der ersten Ausgabe. An Stelle des gewohnten breiten Schriftzuges "Nürnberger Zeitung" tritt ein grünes Quadrat mit einem großen, weißen "NZ" darin. Und auch sonst hat sich das Gesicht des Blattes völlig verändert: andere Schriften, anderer Seitenaufbau, andere Inhalte wie zum Beispiel eine ganze Fernsehseite.

Nötig geworden ist der Relaunch durch eine heftige Krise. Das Blatt verliert Monat für Monat mehr Abonnenten, die Auflage - 16.000 Exemplare - befindet sich im freien Fall. In dieser Situation hat sich der Verlag zum radikalen Schnitt entschlossen. Der Erfolg gibt ihm Recht. Die erwarteten Leserproteste bleiben aus – es gibt lediglich vier Abbestellungen, dafür wird der Auflagenverluste gestoppt und die Auflage durch eine Ausdehnung aufs Land später verdoppelt. 

Kapitel 5: Das ganz besondere Kooperationsmodell

September 1987: Der damalige NZ-Chefredakteur Gustav Roeder (links) begrüßt Franz Josef Strauß. März 2018: Die beiden aktuellen Chefredakteure Stephan Sohr (links vorne) und André Fischer (dahinter) begrüßen den zum damaligen Zeitpunkt So-gut-wie-Ministerpräsidenten. Markus Söder lässt sich von beiden das System des Integrierten Newsdesks erklären.

September 1987: Der damalige NZ-Chefredakteur Gustav Roeder (links) begrüßt Franz Josef Strauß. März 2018: Die beiden aktuellen Chefredakteure Stephan Sohr (links vorne) und André Fischer (dahinter) begrüßen den zum damaligen Zeitpunkt So-gut-wie-Ministerpräsidenten. Markus Söder lässt sich von beiden das System des Integrierten Newsdesks erklären. © Bernd Hafenrichter/Stefan Hippel/Montage: Sabine Schmid

Anfang der 80er Jahre wird die Herstellung der NZ Zug um Zug ins Druckhaus des Verlags Nürnberger Presse verlegt. Die Redaktion zieht 1981 in die Marienstraße um. Grund ist das ganz besondere Kooperationsmodell, dass NZ und NN vereinbart haben. Das kleine Blatt findet bei der großen Schwester Unterschlupf, seither teilt man sich den Vertriebsapparat und auch die Werbeträger. 

Der Übergang vom Blei- über den Lichtsatz bis zum digitalen Ganzseitenumbruch, die drastischen Veränderungen des Leseverhaltens durch Internet und Smartphone - all diese Entwicklungen hätte die NZ aus eigener Kraft nicht stemmen können. Die aktuellste Innovation, der integrierte Newsdesk, vernetzt und bündelt sogar die journalistische Arbeit von NZ, NN sowie dem gemeinsamen Onlineportal nordbayern.de, um so den Medienanforderungen und Nutzeransprüchen in einer digitalen, schnelllebigen Welt gerecht zu werden.

Doch trotz oder gerade wegen der Optimierung der Arbeitsabläufe sowohl auf analogem wie digitalem Gebiet ist es Aufgabe der Nürnberger Zeitung geblieben, ein Kontrastprogramm zu bieten. Wer sie als bürgerlich-liberal, die Nürnberger Nachrichten dagegen als linksliberal einstuft, wird weder dem einen noch dem anderen Blatt ganz gerecht, liegt aber auch nicht völlig schief.

Die journalistische Meinungsvielfalt ist in Nürnberg jedenfalls gewahrt; das kann nicht jede Großstadt von sich behaupten. 

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