Hitlers grenzenloser Größenwahn

5.4.2011, 20:52 Uhr
Hitlers grenzenloser Größenwahn

© Edgar Pfrogner

300 Meter hoch sollte die Kuppel der „Großen Halle des Volkes“ mitten in Berlin werden. Das entspricht in etwa der Höhe des Ostberliner Fernsehturms (368 Meter). Dessen Kugel hätte in der Kuppel Platz gefunden. Für 180000 Menschen war Hitlers Protzbau ausgelegt. Durch deren Ausdünstungen hätten sich in der Kuppel sogar Wolken bilden können.

Die „Große Halle des Volkes“ hätte im neuen Zentrum Berlins entstehen sollen, eingebettet in eine elf Kilometer lange Nord-Süd-Achse, die von weiteren zahlreichen gigantischen Gebäuden gesäumt werden sollte. Darunter wäre ein Bogen nach Vorbild des Arc de Triomphe in Paris gewesen – allerdings 49-mal so groß. 1935 begannen die Planungen für Berlin, das Material lag teilweise bereit – wurde jedoch später für Bunker verbaut.

Ganze Stadtviertel hätten für die Realisierung dem Erdboden gleichgemacht werden müssen, 200000 Menschen, vor allem Juden, wären zwangsumgesiedelt worden. Nur wenige Gebäude wurden tatsächlich realisiert.

In Architekt Albert Speer hatte Hitler Anfang der 1930er Jahre einen Verbündeten gefunden. In Speers Biografie von 1969 findet sich erstmals der Begriff Germania, der heute in Verbindung mit den Plänen genannt wird, von den Nazis aber nie verwendet wurde. Speer empfahl sich in der NS–Zeit an den Diktator mit einem anderen Bauprojekt – dem Nürnberger Reichsparteitagsgelände, dessen steinernes Erbe teilweise noch heute zu sehen ist.

Das markanteste dieser Bauwerke ist die Kongresshalle, in der heute das Dokumentationszentrum untergebracht ist. Der Bau der Halle wurde 1935 begonnen, 1939 brachte der Krieg die Arbeiten zum Erliegen. Sie blieb unvollendet. Gerade dieser Umstand bildet einen scharfen Kontrast zu den beiden Modellen, die das Herzstück der Sonderausstellung bilden. Ein zehnmal zwei Meter großes Modell illustriert plastisch Hitlers Vision von Berlin. Ein weiteres Modell zeigt das „Deutsche Stadion“, das in Nürnberg errichtet werden sollte, für das jedoch nur die Baugrube ausgehoben wurde. Beide Modelle waren 2005 für den Film „Speer und Er“ nachgebildet worden. Weil sie dort nach dem Dreh nur verstaubten, fragte Kurator Dietmar Arnold vom Verein Berliner Unterwelten bei Constantin Film an, ob er die Modelle bekommen könnte. Das Berliner Modell wurde 2008 in der Hauptstadt gezeigt, jetzt ist es als Leihgabe in Nürnberg. Wie weit Hitlers Pläne gediehen waren, machen Tafeln, Fotos und Filme anschaulich. So sollte das Reichsparteitagsgelände – wäre es 1943 tatsächlich vollendet worden – die siebenfache Fläche der Altstadt einnehmen. Vorher-Nachher-Fotos rücken die sogenannte Entschandelung in den Blick: In der Stadt wurden beispielsweise Schaufenster und Jugendstil-Fassaden entfernt, weil sie als jüdisch galten. In Häuserfronten wurde nachträglich Fachwerk eingezogen, 1938 wurde eine der beiden Synagogen abgebrochen. Häufig waren an der ideologisch gesteuerten Stadtgestaltung Architekten beteiligt, die auch nach der NS-Zeit noch Karriere machten. Das Leid der KZ-Gefangenen, die in Steinbrüchen für die Führer-Vision schufteten, wird ebenfalls beleuchtet. Hitlers Größenwahn war grenzenlos. Zunächst wollte er die fünf „Führerstädte“ München, Nürnberg, Linz, Berlin und Hamburg mit neoklassizistischen Monumentalbauten umgestalten.

„Später sollten alle deutschen Städte so aussehen“, sagt Kurator Alexander Schmidt vom Dokuzentrum. Belege, dass je jemand Hitlers Pläne anzweifelte, gebe es nicht. „Sie berauschten sich an ihren Modellen und hatten den Sinn für die Realität verloren.“ Nur Albert Speers Vater soll einmal, als er vor dem Berliner Modell stand, zu seinem Sohn gesagt haben: „Ihr seid komplett verrückt geworden.“

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