Geschmäcker: Warum sich an Rosenkohl die Geister scheiden

20.11.2019, 05:47 Uhr
Wer mag's? Die Antwort hängt davon ab, wen man fragt. Die einen mögen Rosenkohl und Brokkoli, bei anderen kommt das Wintergemüse auf keinen Fall auf den Teller.

© Stefan Hippel Wer mag's? Die Antwort hängt davon ab, wen man fragt. Die einen mögen Rosenkohl und Brokkoli, bei anderen kommt das Wintergemüse auf keinen Fall auf den Teller.

Andrea Büttner findet Rosenkohl köstlich. Dunkelbraune Brotkruste kommt ihr dagegen unfassbar bitter vor. "Dabei bin ich da ziemlich robust, ich kriege ja wirklich alles auf den Tisch." Büttner ist Lebensmittelchemikerin. Sie riecht und schmeckt beruflich.

Deshalb möchte sie auch erst einmal klarstellen, was Geschmack eigentlich bedeutet. "Wenn wir sagen, dass uns etwas schmeckt, dann kommen mehrere Sinneswahrnehmungen zusammen." Die Zunge entscheidet, ob etwas sauer, süß, salzig, bitter oder umami, also würzig, ist. Dazu kommt die Textur eines Lebensmittels. Weicher Brei, körniger Reis, knackige Karotten und knusprige Hähnchenhaut sorgen für ein unterschiedliches Gefühl im Mund. Das Kauen – das Zerkleinern, der Speichel und die Bewegung – setzt außerdem Aromen frei, die durch den Rachenraum in die Nase steigen. "Inneres Riechen" nennen das die Experten. "Erst dadurch empfinden wir etwas als fruchtig, nussig oder rauchig", erklärt Büttner.

Andrea Büttner ist Professorin für Aroma- und Geruchsforschung an der Uni Erlangen-Nürnberg. Seit November leitet sie außerdem das Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV in Freising.

Andrea Büttner ist Professorin für Aroma- und Geruchsforschung an der Uni Erlangen-Nürnberg. Seit November leitet sie außerdem das Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV in Freising. © Edgar Pfrogner

Büttner ist Professorin für Aroma- und Geruchsforschung an der Universität Erlangen-Nürnberg."Geschmack hängt nicht nur vom Essen ab, sondern auch vom Esser“, sagt Büttner. Wer schnell isst und große Bissen schluckt, hat wenig vom Aroma. Wer dagegen kleine Stücke intensiv kaut, hat ein intensiveres Geschmackserlebnis. "Deshalb finden wir auch Delikatessen so toll", sagt die Expertin. Feine Pralinen, dünn geschnittener Schinken, lange gereifter Käse – in kleinen Portionen, auf denen die Leute sorgfältig herumkauen, weil wenig davon da ist und die Portionen teuer sind.

"Kinder haben ein gesundes Misstrauen"

Geschmack müssen viele erst lernen. Zum Beispiel Kinder. "Sie haben von Natur aus eine Neophobie – Angst vor Neuem", erklärt Büttner. Im Laufe der Evolution war das wichtig, damit sie nicht irgendwelche unbekannten giftigen Sachen in sich reinfuttern. "Deshalb haben Kinder auch ein gesundes Misstrauen gegenüber bitteren Lebensmitteln wie Kaffee, schwarzem Tee und Bittergemüse wie Brokkoli und Rosenkohl.“ Es könnten ja Giftpflanzen sein.

Völlig verkehrt ist es dann, wenn Erwachsene versuchen, den Nachwuchs mit Druck zum Essen zu bewegen. "Dann verbinden die Kinder die negative soziale Erfahrung mit dem Geschmack des Rosenkohls und mögen ihn erst recht nicht.“

Kinder lernen mit der Zeit  

Stattdessen hilft es, verschiedene Lebensmittel immer wieder anzubieten – ohne Lob und Tadel. Und vielfältiges Essen und Genuss selbst vorzuleben. "So lernen die Kinder mit der Zeit, was man alles essen kann und dass das durchaus schmecken kann", sagt Büttner, die selbst drei Kinder hat.

Die Empfindlichkeit gegenüber bitteren Lebensmitteln etwa nimmt im Laufe des Lebens automatisch ab. Andererseits hängt es auch von den Genen ab, dass manche Menschen bestimmte Bitterstoffe besonders stark, normal, oder gar nicht wahrnehmen.

Beim Koriander gibt es oft nur zwei Lager: die einen mögen ihn, die anderen nicht.

Beim Koriander gibt es oft nur zwei Lager: die einen mögen ihn, die anderen nicht. © Andrea Warnecke

Auch Erwachsene, die etwas nicht gerne essen, könnten sich das abtrainieren – wenn sie denn wollen. "Der Klassiker ist Fisch, den mögen viele nicht, weil sie schon einmal einen verdorbenen gegessen oder gerochen haben." Der Körper kombiniert das Fischaroma mit einer möglichen Gefahr und lehnt es ab, um sich zu schützen. "Wer will, kann immer wieder kleine Portionen essen, bis sich der Körper merkt, dass nichts passiert." Büttner testet das zurzeit mit Koriander. "Den fand ich anfangs unessbar, aber mittlerweile ist es nicht mehr ganz so schrecklich, wenn ein paar Blätter auf einem Gericht liegen.“

 

Genauso wie die negative Verknüpfung eines Geschmacks, funktioniert auch die positive. Wie bei Kaffee, Wein und Bier: Der Kopf merkt sich den anregenden Effekt des Koffeins oder Alkohols und speichert ihn mit dem Aroma ab. "Wenn wir Kindern auf Geburtstagspartys nicht nur Chips und Gummibärchen anbieten, sondern auch Obst- und Gemüse-Schnitze, verbinden sie das mit einem guten Erlebnis."
 

 

 

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