Kreuzfahrtschiffe: Vom Umweltsünder zum Saubermann

12.4.2018, 05:00 Uhr
Kreuzfahrtschiffe: Vom Umweltsünder zum Saubermann

© Nabu/ Michael Hapke/dpa

Wir lassen das Auto stehen und fahren kurze Strecken mit dem Rad, um etwa im Bioladen noch Gemüse aus der Region zu kaufen. Und selbst im Discounter gibt’s jetzt immer öfter Bio! Das beruhigt unser Gewissen ungemein. Auf dem Rückweg schauen wir noch beim Reisebüro vorbei und buchen eine Kreuzfahrt zu fremden Kulturen, auf die wir uns schon so lange freuen. Das sollte unser Gewissen ungemein beunruhigen.

Wer etwa am Kai oder vor Anker auf dem Sonnendeck eines konventionellen Dampfers steht, um den sich der Wind leicht dreht, riecht nur den Hauch dessen, was da unentwegt aus den riesigen Schloten herausfaucht. Der Atem wird schwer, es legt sich ein fader Geschmack auf die Zunge. Der schwarze Qualm, der aufs Deck hinunterdrückt, beißt in den Augen, man sucht nach Windschatten oder geht unter Deck.

Rund um die Uhr - also auch im Hafen - laufen auf den Schiffen die riesigen Motoren, etwa um Strom zu erzeugen, die Klimaanlage zu betreiben oder Meerwasser zu Trinkwasser zu entsalzen. Liegezeiten machen immerhin die Hälfte einer Kreuzfahrt aus. In manch malerischem Fjord wabert dann ein gräulicher Schleier aus Schiffsdiesel-Dämpfen, dass man meint, eine Inversionswetterlage drückt die Wolken nach unten. Und während wir über Diesel-Fahrverbote in unseren Zentren reden, liegen dicke Dampfer am Kai der Hafenstädte und blasen Schwaden bis in die Wohngebiete, die jeden an Land geltenden Grenzwert überschreiten. Geht es dann auf große Fahrt, drehen die Motoren so richtig auf.

Auf Hoher See verfeuern sie billigeres Schweröl, das als zähe Pampe als Abfall am Boden der Raffinerien zurückbleibt und bis zu 3,5 Prozent Schwefel enthalten darf. Das ist 3500 mal mehr, als in Diesel und Benzin für Fahrzeuge zulässig ist. Schweröl gilt als hoch toxisch und Krebs erregend, zudem entstehen bei seiner Verbrennung neben Stickoxiden Unmengen an Feinstaub, die sich nicht nur an der Küste, sondern sogar noch in Berlin messen lassen. Trotzdem wächst das Geschäft mit Passagier-Schifffahrten unentwegt.

Doppelt so viele Passagiere in zehn Jahren

Das Fachblatt "Cruise Industry News" geht in einer aktuellen Meldung davon aus, dass 2027 weltweit 472 Kreuzfahrtschiffe unterwegs sind. 106 neue Schiffe sind bereits für die kommenden zehn Jahre bestellt. Abzüglich der Schiffe, die außer Dienst gestellt werden, sind das 86 Schiffe mehr als heute, ein Zuwachs um 22 Prozent. Die Schiffe werden aber immer größer, also wächst die Kapazität um fast 50 Prozent. Gehen heute weltweit 26,7 Millionen Menschen an Bord, sind es dann knapp 40 Millionen, der Umsatz wächst von 40 auf 59 Milliarden US-Dollar.

Als das ZDF-Traumschiff in den 1980er Jahren in See st

ach, umwehte eine Kreuzfahrt noch das Odeur von Sehnsucht und Luxus. Heute ist manche Kreuzfahrt - bedingt durch Masse und Effizienz - günstiger als eine klassische Pauschalreise im Hotel am Meer. Mehr als dreimal so viele Menschen reisen auf Dampfern um die Welt als noch vor zehn Jahren, im letzten Jahr gingen gut zwei Millionen Deutsche an Bord. Ob Homosexuellen-, Schlager- oder Singlekreuzfahrt, jeder findet seine Nische. Einige Reedereien bieten für Familien Kinderfestpreise an - oft reisen Kinder und Jugendliche bis 17 Jahre sogar gratis mit.

Trotz des Booms macht weltweit der Anteil der Urlaubsseereisen nur ein halbes Prozent der zivilen Schiffahrt aus. Unser günstiger LED-Fernseher oder das Handy, Rohöl für die Raffinerien, Stahl fürs Auto, das Sofa von Ikea oder die Sneakers aus der asiatischen Fabrik fahren ebenfalls zur See. Meist mit einem Frachter, der noch viel größere Motoren hat und die Umwelt noch viel mehr belastet. Doch während wir Containerschiffe eher hinnehmen, reagieren wir bei den Kreuzfahrtschiffen sensibler. Sie sind uns einfach näher, wir kennen sie aus Film und Fernsehen und waren vielleicht sogar selbst schon an Bord. Schlagzeilen wie "Traumschiffe sind Dreckschleudern" erschüttern uns, denn sie lassen Träume platzen.

Nun wäscht man sich den Frack weiß

Mit einem verhalten schlechten Gewissen steigen wir trotzdem ein. Die Kreuzfahrtbranche weiß um ihr schlechtes Image und wäscht sich allmählich den Frack weiß. Die ersten Reedereien setzen nun umweltfreundliche Technik ein, während die Frachtreedereien wohl deutlich verspätet nachziehen. Die wehren sich vehementer gegen Umweltauflagen, denn Grenzwerte lassen sich nur international durchsetzen. Zu verschieden sind noch die Interessen der einzelnen Länder - darunter die Maltas, Liberias oder der Bahamas, unter deren Billigflagge viele Schiffe fahren.

Erst ab 2020 gelten neue Schadstoffgrenzen auf See, solange werden neue Schiffe nach alten Regeln gebaut. An der fehlenden Technik liegt es jedenfalls nicht, denn Katalysatoren und Abgasfilter sowie schwefelfreier Treibstoff sind auf einigen Schiffen schon im Einsatz.

Vor allem die hochpreisigeren Anbieter, deren Klientel eher mal kritisch nachfragt, vermeiden zunehmend Schweröl, senken den Wasserverbrauch, reinigen die Abwässer, trennen Müll. In bordeigenen Kläranlagen lassen sie das Wasser aufbereiten und ins Meer ab. Die übriggebliebenen Feststoffe werden in den Häfen entsorgt. Umweltbeauftragte im Offiziersrang kümmern sich zudem um die Mülltrennung und die ordnungsgemäße Entsorgung der Abfälle an Land - theoretisch. Dass der Müll dann nicht doch auf einer wilden Deponie oder im Meer entsorgt wird, können auch sie nicht garantieren.

Das Schiff der Zukunft fährt mit Sonne, Segeln, Wind

Hapag-Lloyd Cruises fährt auf seinen Expeditionsreisen zu 70 Prozent mit Marinediesel, Hurtigruten tankt ihn nur noch, und in der Antarktis darf kein anderer Kraftstoff in die Motoren. Die neueren Schiffe von Tui Cruises und Aida erhalten vom Nabu eine halbwegs positive Beurteilung, weil sie die Abgase immerhin weitgehend entgiften. Doch die häufig verbauten Scrubber (Gaswäscher) filtern nur die Schwefeloxide heraus. Um Stickoxide und Feinstaub loszuwerden, müssen noch Katalysatoren eingebaut werden. Beides bekommt man aber nur in neuen Schiffen unter - zum Nachrüsten sind die Maschinenräume der meisten Dampfer schlicht zu klein.

Kreuzfahrtschiffe: Vom Umweltsünder zum Saubermann

© Hurtigruten/dpa

Die nahe Zukunft gehört wohl Schiffen wie der MS Midnatsol von Hurtigruten, die schon jetzt im Hybridbetrieb fährt - entweder mit Diesel- oder Elektromotoren. In der nagelneuen Roald Amundsen wurde das System technisch verfeinert. Im Herbst sticht die Aida Nova erstmals in See - sie fährt nur noch mit dem Flüssiggas LNG, das bestenfalls emissionsfrei verbrennt. Doch der Transport des hochexplosiven Treibstoffs ist heikel, es dauerte gut zwölf Jahre, bis die Zulassung erteilt war. Sieben dieser neuartigen Schiffe stehen bei der Meyer-Werft-Gruppe in den Auftragsbüchern, auch Costa stellt 2019 und 2021 je eines dieser Schiffe in Dienst. In Frankreich werden gerade sieben Frachter mit Gasmotoren gebaut. Stena Line nimmt noch diesen Sommer mit der Stena Jutlandica eine Elektrofähre zwischen dem schwedischen Göteborg und dem dänischen Frederikshavn in Betrieb. In den Häfen von Rostock und Trelleborg beziehen viele Schiffe ihren Strom über Kabel von Land.

Die großen Werften planen schon jetzt das Null-Emissionen-Schiff, das irgendwann kommt. Es wird Solarzellen auf dem Dach haben, mit Segeln den Wind einfangen und vermutlich Elektromotoren haben, die eine Brennstoffzelle speist. Der Schlot spuckt dann nur noch graue Wasserdampfwölkchen aus.

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