Trentin: Wo die Äpfel reifen

14.9.2019, 08:00 Uhr
Trentin: Wo die Äpfel reifen

© Gudrun Bayer

Es ist eine besondere Zeit, die jetzt gerade anbricht im Nonstal. Eine Zeit, in der Silvia Gentilini wenig hat von ihren Nachbarn und Freunden. Ja eigentlich: In der sie gar nichts hat von ihnen. "Keiner geht abends weg und auch am Wochenende sind alle beschäftigt", sagt sie. Denn das Leben in dem Gebirgstal südöstlich von Bozen, das zum größten Teil in der italienischen Provinz Trentin liegt, dreht sich in den nächsten Wochen nur um eines: um die Apfelernte.

"Mein Mann und ich sind weit und breit wirklich die Einzigen, die gar nichts mit Äpfeln zu tun haben", sagt die Tourismusexpertin und lacht. Also wird es für Familie Gentilini eher ruhiger, während alle anderen im Tal gehörig ranklotzen müssen – unterstützt von vielen Saisonarbeitern als Erntehelfer. "Ohne sie wäre das alles gar nicht zu schaffen", erklärt Silvia Gentilini.

Extra klein gezüchtet

Der Anbau der Früchte prägt aber nicht nur den Lebensrhythmus der Menschen, sondern auch das Aussehen der Landschaft. Die Apfelplantagen mit den Bäumchen, die für eine leichtere Pflege und Ernte extra klein gezüchtet wurden, überziehen die Hänge bis hinunter an die Ufer des langgestreckten Santa-Giustina-Stausees. Auf mancher Nebenstraße wirkt es, als fahre man durch einen endlosen Apfelwald. Warum sich dieser spezielle Landwirtschaftszweig ausgerechnet hier so entwickelt hat, liegt am gemäßigten Klima im Tal.

Trentin: Wo die Äpfel reifen

© Trentino Marketing

Viele Familien leben ganz vom Obstanbau, haben auch Beeren im Angebot; andere betreiben ihn nur nebenbei. Mehr als 4000 Bauern aus dem Nonstal und dem benachbarten Val di Sole haben sich in der Genossenschaft Melinda zusammengeschlossen. Die Produktion von Melinda liegt bei 400 000 Tonnen Äpfeln im Jahr, das sind 20 Prozent der gesamten Produktion Italiens. Die Bauern ziehen ihre Früchte entsprechend der Standards der Genossenschaft und liefern sie nach der Ernte dort ab. Die Genossenschaft kümmert sich um Vermarktung, Vertrieb – und Lagerung.

Denn frisch vom Baum wird hier nur in Ausnahmefällen ein Apfel verkauft. Die meisten landen erst mal in den Vorratskammern der Genossenschaft. Im Besucherzentrum in Predaia bei Cles – dem Hauptort des Nonstals, der etwa 7000 Einwohner hat – wird stolz die modernste dieser Kammern präsentiert: Ein Stollensystem 300 Meter unter der Erdoberfläche, das ursprünglich durch die Gewinnung von Gestein für den Hausbau entstand. Hier werden die Äpfel mit verhältnismäßig wenig Energieeinsatz auf ein Grad heruntergekühlt. Das stoppt den Reifeprozess und konserviert die Früchte viele Monate. Die Stollen sind insgesamt 15 Kilometer lang und bieten Platz für 40 000 Tonnen Äpfel.

Eine verblüffende Sinnestäuschung

Um sich all das besser vorstellen zu können, werden die Besucher auf eine Virtual-Reality-Reise in den Stollen geschickt. Während sie in einem kleinen, fensterlosen Raum aus Wellblech und Beton einfach nur herumstehen, bewegen sich ihre Körper unwillkürlich, als seien sie wirklich mit einer U-Bahn in der Tiefe unterwegs.

Wenn die Bahn an der Endstation vermeintlich bremst, gehen alle mit dem Oberkörper nach vorne, um diese Bremsbewegung abzufangen. Und lachen, als sie das bemerken. Eine verblüffende Sinnestäuschung. Wie erleichternd, dass Apfelchips, Saft und Marmelade im Fabrikverkauf nebenan echt sind.

Mehr Informationen:
Tourismusagentur Val di Non
www.visitvaldinon.it/de
Trentino Marketing
www.visittrentino.info/de
 die beide die Reise unterstützt haben.
Anreise:
Mit dem Auto ab Nürnberg über Reschenpass oder Brenner bis Bozen. Von dort über Mendelpass oder weiter bis kurz vor Trient und das Nonstal hoch. 520 Kilometer in etwa sechs Stunden. Mit dem Zug Umstieg in München bis Trento in sechs Stunden, dann eine Stunde mit der Nonstalbahn nach Cles.
Günstig wohnen:
Hotel Casez
www.hotelcasez.it
Luxuriös wohnen:
Villa Orsogrigio
www.orsogrigio.it/de/
Beste Reisezeit:
Ganzjährig. Apfelblüte im Frühling, Ernte im Herbst. Skifahren im Winter.

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