Ermordeter Georgier in Berlin: Maas droht Moskau mit Sanktionen

18.6.2020, 16:52 Uhr
Februar 2020: Polizisten führen einen Tatverdächtigen im Mord an einem Georgier in Berlin über einen Hubschrauberlandeplatz. In den Monaten vor dem Verbrechen soll der mutmaßliche Schütze enge Kontakte zum russischen Inlandsgeheimdienst FSB gehabt haben.

© Sebastian Gollnow, dpa Februar 2020: Polizisten führen einen Tatverdächtigen im Mord an einem Georgier in Berlin über einen Hubschrauberlandeplatz. In den Monaten vor dem Verbrechen soll der mutmaßliche Schütze enge Kontakte zum russischen Inlandsgeheimdienst FSB gehabt haben.

Nach der Anklage wegen eines mutmaßlichen Auftragsmords der russischen Regierung in Berlin droht die Bundesregierung Moskau mit neuen Sanktionen. "Das ist sicherlich ein außerordentlich schwerwiegender Vorgang", sagte Außenminister Heiko Maas (SPD). "Die Bundesregierung behält sich weitere Maßnahmen in diesem Fall ausdrücklich vor." Ein Regierungssprecher teilte mit, dass die Anklage schwerwiegende Anschuldigungen im Hinblick auf die Beteiligung staatlicher russischer Stellen enthalte. "Die Bundesregierung nimmt diese sehr ernst", hieß es.

Die Bundesanwaltschaft geht nach monatelangen Ermittlungen davon aus, dass der Mord an einem Georgier im Kleinen Tiergarten in Berlin von der russischen Regierung in Auftrag gegeben wurde. "Hintergrund des Tötungsauftrags war die Gegnerschaft des späteren Opfers zum russischen Zentralstaat, zu den Regierungen seiner Autonomen Teilrepubliken Tschetschenien und Inguschetien sowie zu der pro-russischen Regierung Georgiens", hieß es zur Begründung der Klage, die vor dem Staatsschutzsenat des Kammergerichts in Berlin erhoben wurde.

Mit falschen Papieren eingereist

Am 23. August 2019 war das Opfer, ein 40 Jahre alter Tschetschene georgischer Staatsangehörigkeit, mit drei Schüssen niedergestreckt worden. Der tatverdächtige Russe war noch am Tag des Attentats gefasst worden. Zeugen hatten beobachtet, wie er eine Perücke sowie ein Fahrrad und eine Waffe in der Spree versenkte. Der Mann sitzt seitdem in Untersuchungshaft.

Der mutmaßliche Täter habe den Auftrag zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt vor dem 18. Juli 2019 erhalten, erklärte die Bundesanwaltschaft. Danach sei er von Moskau nach Paris und dann weiter nach Warschau geflogen. Von dort machte er sich am 20. August auf den Weg nach Berlin. Zur Einreise nutzte er laut der Anklagebehörde falsche Papiere, die erst kurz zuvor ausgestellt worden waren. Bei der Tat näherte sich der Russe dem Opfer mit einem Fahrrad. Der erste Schuss, der den Georgier seitlich am Oberkörper traf, brachte das Opfer zu Fall. Der mutmaßliche Täter soll ihm dann noch zweimal in den Kopf geschossen haben.

Wieso der mutmaßliche Täter den Auftrag für den Mord angenommen hat, ist der Anklagebehörde nicht ganz klar. "Entweder erhoffte er sich eine finanzielle Entlohnung oder er teilte das Motiv seiner Auftraggeber, einen politischen Gegner zu töten und hierdurch Vergeltung für die Beteiligung an früheren Konflikten mit Russland zu üben."

Gerichtliche Aufklärung "unabdingbar"

Der mutmaßliche Auftragsmord hatte erhebliche diplomatische Verwerfungen zwischen Deutschland und Russland ausgelöst. Wegen angeblich fehlender Bereitschaft Russlands, bei der Aufklärung der Tat zu helfen, hatte die Bundesregierung zwei russische Diplomaten ausgewiesen. Moskau hatte mit der Ausweisung zweier deutscher Diplomaten reagiert. Den Ermordeten hält die russische Regierung für einen Verbrecher. Präsident Wladimir Putin hatte ihn im Dezember auf einer Pressekonferenz in Anwesenheit von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) als "Banditen" und "Mörder" bezeichnet.

Der russische Botschafter in Berlin, Sergej Netschajew, wurde jetzt wegen des Falls in das Auswärtige Amt einbestellt. Dieser Schritt sei erfolgt, "um der russischen Seite unsere Haltung noch einmal unmissverständlich darzulegen", sagte Maas. Es sei unabdingbar, dass der Fall nun gerichtlich aufgeklärt werde. Die Anklage könnte die deutsch-russischen Beziehungen weiter belasten.

Im Juni hatte das Justizministerium in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Linken erklärt, dass es immer noch keine Kooperation der russischen Seite in dem Fall gebe. Zwei Rechtshilfeersuchen der Berliner Staatsanwaltschaft vom Dezember 2019 seien von der Russischen Föderation bislang inhaltlich nicht beantwortet worden, hieß es. Laut Medienberichten soll der mutmaßliche Attentäter enge Kontakte zum russischen Inlandsgeheimdienst FSB gehabt haben.

5 Kommentare