Faszinierendes Projekt

4.4.2011, 00:00 Uhr

Damit gar keine Missverständnisse aufkommen: Wer die Idee für eine „Akademie Nürnberger Prozesse“ für ein museales, rückwärtsgewandtes Projekt zur Aufarbeitung deutscher Schuld in der Stadt der NS-Rassegesetze und Reichsparteitage hält, irrt gewaltig. Hier bietet sich vielmehr gerade die Chance, ein Vorhaben zu verwirklichen, das zeitgemäßer und zukunftsträchtiger kaum sein könnte.

Gerade in diesen Tagen und Wochen sprießt schließlich wieder mal die zarte Hoffnung, dass die Unvernunft und Hybris des Menschen heilbar ist, dass er angesichts selbst verschuldeten Unheils zur Umkehr, zumindest aber zu guten Vorsätzen bereit ist. Und in den Ländern Nordafrikas erleben wir gleichzeitig, wie der Freiheitsdrang der Völker plötzlich stärker ist als die Macht skrupelloser Despoten. Auf ihrem Weg zu hoffentlich demokratischen Gesellschaften können Ägypten, Tunesien, Libyen und einige andere arabische Staaten viel Nützliches lernen aus dem, was vor 65 Jahren in Nürnberg geschah.

Ständige Herausforderung

Man darf ja gerne von einer friedfertigen Welt träumen. Auf allen Erdteilen werden die Menschen vermutlich dennoch immer wieder vor der Herausforderung stehen, nach Tyrannei, Krieg und fürchterlichem Unrecht erst mal einen zivilisierten Neuanfang organisieren zu müssen. Wie sie Schuld bestrafen, ohne zu Rächern zu werden. Und wie sie den Opfern von Unrechts-Regimen die Hoffnung auf ein Leben in Würde zurückgeben.

Darum ging es nach Ende des Zweiten Weltkriegs in Nürnberg. Dass die Stadt zum Schauplatz des Versuchs wurde, die Schuldigen der Verbrechen gegen Frieden und Menschlichkeit strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen, lag mehr an den wundersamerweise von den Bomben der Alliierten unversehrt gebliebenen Justizgebäuden als an der fatalen Rolle der Stadt in den zwölf Jahren zuvor. In gewisser Weise war das ein gerechter Zufall. Der Name Nürnbergs war so nicht nur mit dem schweren Erbe einer verbrecherischen Zeit belastet, sondern konnte weltweit auch mit der Hoffnung auf die Überwindung der Barbarei verbunden werden – und mit einer Vorstellung, welche Rolle die Strafjustiz dabei spielen kann.

Respekt verdient

Von „Erinnerung und Auftrag“ als den beiden Teilen des Nürnberger Erbes sprach der Oberlandesgerichts-Präsident Stefan Franke im Saal 600 zu Recht. Viel Respekt hat sich die Stadt in den vergangenen Jahren damit verdient, wie sie die Verpflichtung zur Erinnerung angenommen hat. Mit der Einrichtung einer „Akademie Nürnberger Prinzipien“ könnten die Vereinten Nationen die Verdienste der Stadt des Friedens und der Menschenrechte honorieren. So hat Nürnberg den Auftrag seines Erbes angenommen.

Der Kampf gegen Unterdrückung, Rassismus, Gewalt und Krieg ist ein mühsames Geschäft. Man sollte aber nicht unterschätzen, welche zentrale Rolle die wohlvernetzten Menschenrechts-Aktivisten, die bei den unscheinbaren Tagungen in Nürnberg längst Stammgäste sind, an den politischen Brennpunkten dieser Welt spielen. Wo immer die Herrschaft eines Diktators gebrochen werden kann, schlägt oft ihre Stunde. Viel zu tun gäbe es da für eine Nürnberger Akademie, deren Wirken man sich gar nicht so akademisch, sondern durchaus praktisch und konkret vorstellen darf.

Der legendäre Chefankläger des Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozesses, Robert Jackson, rechtfertigte seine Arbeit mit dem Hinweis, die Zivilisation dürfe Verbrechen solch schrecklichen Ausmaßes nicht unbeachtet lassen, „sie würde sonst eine Wiederholung solchen Unheils nicht überleben“. Eine von diesem Geist getragene Einrichtung täte unserer Welt gut.

 

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