Ausgegraben: Katzwang versank im Kanalwasser

7.4.2009, 00:00 Uhr
Ausgegraben: Katzwang versank im Kanalwasser

© U.Friedl

Verzweifelte Flucht auf die Dächer

Menschen versuchten verzweifelt, ihre Autos in letzter Sekunde an Gartenzäune zu binden und flohen auf Balkone und Dächer, während die Keller in Sekunden vollliefen. Ein Katzwanger erzählte den Nürnberger Nachrichten: «Wir haben im Keller noch Zimmer. Da ist das Wasser durchgeschossen und hat die Betten und andere Sachen einfach zum Fenster herausgespült.»
Im Nachhinein wurde Kritik am Krisenmanagement der Stadt laut.
Auch wenn Bürgermeister Willy Prölß und Innenminister Gerold Tandler noch am gleichen Abend am Unglücksort eintrafen, zeigte sich, dass die Stadt auf den Dammbruch nicht gut vorbereitet war. Erst um 18 Uhr wurde Katastrophenalarm ausgelöst, der eine größere Anzahl an Hilfskräften, darunter die Bundeswehr und amerikanische Soldaten, in Bewegung setzte.

Während ein Teil von Katzwang in den Fluten versank, spielten sich dramatische Szenen ab. Eine der Geretteten sagte in den NN: «Es gab kein Entrinnen. Die Feuerwehr hat uns mit Seilen rausgeholt. Dabei wären wir fast weggespült worden. Wir waren noch keine Minute auf dem Feuerwehrauto, da stürzte das Gebäude zusammen und war weg.»
Die zwölfjährige Sabine konnte nicht mehr gerettet werden. Ein Hubschrauber versuchte, sie von dem Balkon, auf den sie geflüchtet war, zu bergen. Doch kurz bevor ein Bundeswehrtechniker ihre Hand ergreifen konnte, brach der Balkon des unterspülten Hauses in sich zusammen. Das Mädchen und ihr verhinderter Retter stürzten in die Fluten, nur er konnte herausgezogen werden, schwer verletzt aber lebendig.

Verwüstete Straßenzüge

Es dauerte mehr als drei Stunden, bis die 800 000 Kubikmeter Wasser, die das Teilstück bei Katzwang gehalten hatte, endlich abgelaufen waren. Erst danach wurde das ganze Ausmaß des Unglücks deutlich: Verwüstete Straßenzüge; Häuser, denen eine Hälfte fehlte, weil die Flut sie einfach weggerissen worden war; ein zehn Meter tiefer Krater im Asphalt, aus dem ein Auto ragte. Alt-Katzwang sehe aus «wie von einer Riesenfaust zerschmettert», schrieben die NN.
Die Bilanz der Katastrophe: Eine Tote, acht Verletzte, 15 zerstörte Häuser und 20 Millionen Mark Sachschaden. Schnell wurden Vorwürfe gegen die RMD-AG, Bauherrin des Kanals, laut. Drei Jahre zuvor hatte es in der Nähe von Lüneburg einen ähnlichen Dammbruch in einem Elbe-Seitenkanal gegeben. Damals hatte ein Sprecher des Unternehmens versichert, ähnliches sei in Franken unmöglich.

Geborstene Wand

RMD-AG, Sozialamt und später die Versicherungen entschädigten die meisten Betroffenen. Zwei Jahre später stellte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen im Fall des Dammbruchs ein: Niemand sei persönlich an dem Unglück schuld. Sie berief sich dabei auf das Gutachten einer Sachverständigenkommission. Nicht weniger als 14 verschiedene Faktoren für den Bruch wurden identifiziert.
Der entscheidende war wohl die Unterspülung der Wand: Um eine Trinkwasserleitung, die nach Fürth führte, hatte sich Grundwasser gesammelt und den weichen Sandsteinboden so weit geschwächt, bis es zum Einsturz kam.
Als Konsequenz aus dem Unglück wurde die Leitung um mehrere hundert Meter nach Norden verlegt. Der Kanal wurde verstärkt, besonders an der Unglückstelle, und verschärfte Kontrollen eingeführt. In Katzwang erinnert heute eine Gedenktafel an das Unglück vom 26. März 1979. Auf ihr steht: «Des Menschen Werk ist vergänglich.»

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