Zahlenstreit auf dem Rücken der Lehrer und Schüler

15.2.2011, 00:00 Uhr

Rechnen ist keine Kunst, sondern folgt einfacher Logik. Außer in der Politik. Dort streiten seit Wochen die Fachleute, ob Bayerns Schulen nun mehr Lehrer bekommen oder nicht. Dabei liegen die Zahlen auf dem Tisch. Doch sie lassen sich höchst unterschiedlich interpretieren.

„Was ich nicht tue“, sagt Kultusminister Ludwig Spaenle, „ist, dass ich Dinge verschleiere.“ Fakt sei, dass sein Haus die Lehrerstellen beständig aufstocke. Für 2011 stehen demnach zusätzlich 2330 Stellen an, für 2012 noch 156. „Wir halten Wort und können das auch beweisen“, sagt der Minister. Schließlich steht im Koalitionsvertrag mit der FDP, dass Bayern jedes Jahr 1000 Stellen zusätzlich schaffen müsse. Über deren Qualität lässt sich streiten, ein Umstand, den das komplizierte Werk des Kultusministeriums weiterbefördert. Auf 97 Seiten listen die Beamten auf, wo sie Positionen streichen, wo neue hinzukommen und wo sie Stellen verschieben. Mal ist von Stellen die Rede, mal von Stellenäquivalenten, mal von Kapazitäten. Selbst Fachleute blicken kaum noch durch.

Das musste auch der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband erleiden. Der hatte errechnet, dass Bayern 2011 und 2012 mehr als 4700 Stellen streichen werde, und Alarm geschlagen. Er weise „auf die zweite Seite der Medaille hin“, sagt Klaus Wenzel, Chef des BLLV. „Wir haben richtiggestellt und die Gegenrechnung aufgemacht.“

Das macht Wenzel inzwischen so nicht mehr. Tatsächlich aber verwirrt der staatliche Stellenplan mehr, als dass er klärt. So sind im Haushalt mehrere tausend Stellen mit dem Vermerk kw für „künftig wegfallend“ versehen; allein bis 2012 trifft dies auf 2155 Stellen zu. Doch weil ein Datum fehlt, müssen sie nicht zwangsläufig auch gestrichen werden. An anderer Stelle spricht der Plan lediglich davon, dass der „Einzug von Mitteln im Umfang von 320 Kapazitäten“ anstehe, was nach landläufiger Lesart zwar dem Wegfall von 320 Stellen entspricht, nicht aber nach der ministeriellen.

Hochschulen profitieren

Das Personaltableau des Ministeriums ist ein Verschiebebahnhof, innerhalb des Hauses wie nach außen. So muss das Ministerium Mitte 2012 rund 1100 Stellen an die Hochschulen abgeben, weil die unter dem Ansturm des doppelten Abiturjahrgangs leiden, während an den Gymnasien die 13. Klasse wegfällt und an allen Schulen die Zahl der Schüler deutlich abnimmt. Gleichzeitig arbeiten die Lehrer künftig wieder nur 40 Stunden statt bisher 42 Stunden, ein Prozess, der in Etappen stattfindet. Spaenle muss schon 2012 deshalb 1320 zusätzliche Stellen schaffen.

Ein Plus an Ausbildung aber bringen sie nicht. Auf der anderen Seite zieht er in seiner Bilanz die tausend Stellen für die Unis nicht ab, weil sie erst im Sommer 2012 fällig werden. Unter dem Strich schafft der Kultusminister so locker die angekündigten 2000 Stellen für dieses und nächstes Jahr; alles in allem kommt er sogar auf 2486 Stellen.

„Taschenspielertricks“ werfen ihm prompt die Grünen vor. Spaenle solle sich um „den pädagogischen Output seines Stellenplans kümmern“. Was den Minister auf den Plan ruft — und seine Statistiker an die Rechner. Nie zuvor, haben sie ermittelt, habe es so viele Lehrer gegeben; nie zuvor sei das Zahlenverhältnis zwischen Schülern und Lehrern so günstig gewesen.

Das bestreiten auch die Eltern nicht. Trotzdem ist Thomas Lillig enttäuscht. „Wir hätten uns einen starken Anstieg der Lehrerzahlen für die Ganztagsbetreuung erhofft“, sagt der Vorsitzende der Landes-Eltern-Vereinigung der Gymnasien. Ginge es nach ihm, müsste Bayern endlich die Klassen verkleinern. „Das geschieht“, klagt Lillig, „aber nur in ganz kleinen Trippelschritten.“