Der Futtermeister ist bekannt wie ein bunter Hund

9.1.2010, 00:00 Uhr
Der Futtermeister ist bekannt wie ein bunter Hund

© Niklas

Der 63-Jährige sitzt in seinem acht Quadratmeter großen Büro mit Blick auf den Betriebshof des Tiergartens. Hinter ihm reihen sich 110 umfunktionierte Babybrei-Gläser mit unterschiedlichsten Inhalten auf dünnen Regalbrettern. Das Moos im Innern eines Glases ist als Rentiermoos gekennzeichnet. Daneben stehen Weizendiätflocken, getrocknete Garnelen, Heucobs und in Öl eingelegte Krebse. «Das ist das Futter, das unsere Tiere jeden Tag brauchen», sagt er im oberpfälzischen Dialekt. Etwa 800 Tonnen Grünfutter, 95 Tonnen Fisch, 35 Tonnen Fleisch oder 30 Tonnen Getreide verspeisten die Zootiere im vergangenen Jahr.

Ursprünglich war Alois Ehrnsperger Landwirt sowie Verkäufer bei der Baywa. Seit 33 Jahren sorgt er als Futtermeister für das Wohlergehen von Pinguin und Co. im Tiergarten. Wann er was bestellen muss, sagen ihm zum einen die Pfleger, aber auch die Erfahrung. «Das lehrt einen das Leben», pflegt er dann zu sagen. Einmal seien die Pinguine alle gelb gewesen, weil die Fischbäuche beim Verfüttern aufgeplatzt sind und der Fischtran die Pinguinbäuche heruntergelaufen ist. Auch wenn keine Gefahr für die Gesundheit der Tiere bestand: «Tranige Pinguine schaut keiner gern an», ergänzt der Futtermeister.

Ehrnsperger zieht gerne einen Vergleich heran, wenn es um seine Arbeit geht: «Den Aff’ im Gehege kennt a jeda, aber der Aff’ kennt ned an jeden, der an eam vorbei laft.» Will heißen: Nach 33 Jahren Dienstzeit ist der Futtermeister Anlaufstation für viele Angestellte des Tiergartens geworden. Er betreut mit seinen zehn Mitarbeitern nicht nur den Futterhof und koordiniert kommissarisch derzeit die Handwerkertruppe, sondern ist manchmal auch Mädchen für alles.

Eine junge Tierpflegerin steht in der Tür und fragt nach einem flexiblen Meterband. Der Futtermeister zieht seine Schreibtischschublade auf und kramt unter einigen Lagen Papier ein Meterband hervor. «Das dürfte passen», sagt er zufrieden und gibt ihr noch einen Tipp mit auf den Weg: «Nimm lieber ein Seil, wickle es um die Säule rum und messe es dann ab. Ein Seil findest hier gleich links.» Kurze Zeit später klingelt das Telefon. Die Verwaltung stellt einen Anrufer aus dem Leipziger Zoo durch, der eigentlich einen der beiden Zootierärzte sprechen wollte. Gelassen und freundlich verspricht er die Nummer an die Tierärzte weiterzugeben.

Ehrnsperger schätzt den direkten und persönlichen Kontakt im Tiergarten. Die Anonymität der Großstadt schreckt ihn ab. Doch gerade der enge Kontakt birgt auch seine Gefahren: «Wir arbeiten nahe an der Hackordnung der Hühner», zieht er einen weiteren tierischen Vergleich. Mit einer anderen Arbeit würde er jedoch nicht tauschen wollen. «Die Arbeit ist vielfältig, und ich habe schon viel schönes erlebt. Außerdem bin ich stark im Nehmen», sagt er.

Bevor Ehrnsperger 1977 als Futtermeister im Tiergarten anfing, war er als Landwirt tätig und versorgte den Zoo mit Futter. Die Landwirtschaft musste er deswegen jedoch nicht aufgeben. Denn zum Tiergarten gehört bekanntlich der landwirtschaftliche Betrieb Mittelbüg bei Schwaig. Das Gut ist Futterlieferant und Entsorgungsstation für den Mist, den die Zootiere produzieren. «Das ist das Ergebnis meiner Arbeit – ein Haufen Mist», scherzt Ehrnsperger, als er auf seinem Rundgang vor den meterhoch getürmten Misthaufen steht.

Auch wenn es im Winter scheinbar ruhiger zugeht, ist die kalte Jahreszeit nicht unbedingt stressfreier für den 63-Jährigen. «Die Natur ist nicht nur nett», sagt Ehrnsperger und meint damit den Schneebruch und die Glätte, die ihm die tägliche Arbeit erschweren. Andererseits kann er dem Winter auch etwas Gutes abgewinnen: «Es entspannt ungemein, wenn man aus dem Fenster auf die verschneite Landschaft schaut.»

Nicht weit von seinem Büro entfernt steht Ehrnspergers ganzer Stolz: Mitte Dezember wurde die neu errichtete Hackschnitzelanlage in Betrieb genommen, die mit Abfallholz aus der heimischen Forstwirtschaft betrieben wird. Mit ihr werden der Betriebshof, die Werkstatt, die Gärtnerei, eines der Delfinarien sowie die Futterlagerräume mit Wärme versorgt.

Jedes Jahr spart der Tiergarten mit dem kleinen Heizkraftwerk 120 000 Liter Heizöl ein. Ehrnsperger hatte die Idee für dieses Projekt und arbeitete an der Umsetzung mit. In zwei Jahren will er in Rente gehen. «In der Zeit danach», sagt er, «werde ich viel, viel lesen und durch Deutschland reisen und mir Gerichtsverhandlungen anschauen.» – Warum? – «Irgendwie reizt mich das.»

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