1835 schrieb Nürnberg Medizingeschichte (Teil 3)

4.10.2010, 17:02 Uhr
1835 schrieb Nürnberg Medizingeschichte (Teil 3)

© Carstens-Stiftung/dpa

Reuter: „Und was hat der Homöopathie in neuerer Zeit so viele Aerzte zugeführt? Der Probirstein der Medizin, die Noth der Cholera. Während die Allöopathie unendlich viel Hypothesen aufstellte und noch mehr Mittel dagegen empfahl und nur das Heilen vergaß, hat sich die Homöopathie herrlich bewährt.“

Wahrhold: „Sie ist eigentlich gar keine Heilart, denn welcher vernünftige Mensch kann glauben, daß der millionste oder gar der decillionste Theil eines Arzeneystoffes noch etwas bewirken könne?“

Reuter: „Keine Sylbe höre ich davon, daß jede homöopathische Arznei ein specificum gegen eine bestimmte Krankheitsform sey. Kann der Blinde fordern, daß man seinem Urtheile über die Farben glaube? Und in der That, Herr Doctor, Schriften von Homöopathen scheinen in ein nicht viel näheres Verhältniß zu Ihnen gekommen zu seyn, als die Farben zum Blinden...“

Wahrhold: „Also noch einmal: Die Homöopathen geben eigentlich gar keine Arzeneyen. Sie überlassen die Heilung ihrer Kranken lediglich der Natur. Daß eine so unsinnige, den ersten Grundsätzen der Physik, und selbst dem gesunden Menschenverstand zuwiderlaufende Lehre bey Layen und Aerzten Beyfall fand, ist leicht zu begreifen. Sie ist auf die Unwissenschaft und Aberglauben berechnet, und was vermag bey den meisten Menschen mehr, als das Wunderbare, Unbegreifliche, Unsinnige?“

Reuter: „Daß die Grundsätze der Physik auf lebende Körper nicht passen, ist schon von den Allöopathen ganz klar ausgemittelt und braucht von mir nur angeführt zu werden. Es ist daher kein Vorwurf für die Homöopathie, daß sie den Gesetzen der Schwere, der Optik entgegen ist. Es giebt noch viele Kräfte in der Natur, die wir bisher nicht ahneten. Wollen wir eine neuentdeckte Kraft deßwegen wegleugnen, weil sie in unsern Erkenntnißkreis nicht paßt?“

Wahrhold: „Der Glaube thut Wunder, sagt man, und solche Wunder thut auch der Glaube an die Homöopathie. Ihre Tröpfchen, Pülverchen und Kügelchen nützen nichts, weil sie nichts nützen können. Helfen sie etwas, so geschieht es, weil die Kranken an ihre Wirksamkeit glauben. Diesen Glauben dem Publikum beyzubringen, ist die große Kunst der Homöopathen.“

Reuter: „Der nähere Grund, warum Sie unbeweglich bei dem Vorurtheile beharren, ist kein anderer, als weil Sie die Homöopathie nicht praktisch und nach den Vorschriften der Homöopathen selbst geprüft haben. Wie oft sollen die Homöopathen ihren Gegnern noch zurufen: Machts nach, aber machts genau nach! So werdet ihr dieselben Resultate gewinnen.“

Wahrhold: „Wie viele Charlatans auch zu allen Zeiten aufgetreten sind, keiner, weder ein religiöser noch ein medicinischer, hat eine so große Rolle gespielt wie Hahnemann, kein Paracelsus, kein Cagliostro, kein Meßmer, kein Gaßner, kein Hohenlohe. Das waren nur Charlatans gewöhnlicher Art, er ist ein Charlatan in der höhern Potenz.“

Erfahren Sie im vierten Teil mehr über den ersten Doppelblindtest der Medizingeschichte überhaupt, der in Nürnberg durchgeführt wurde und welche Auswirkungen dieser auf die Homöopathie hatte. 

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