Die Gemüsebauern und ihr Regenmacher

22.9.2010, 17:17 Uhr
Die Gemüsebauern und ihr Regenmacher

© Archiv

Doch damit nicht genug der verheißungsvollen Zeichen: Als Jahrzehnte später, nämlich 2003, das „Beregnungsprojekt Knoblauchsland“ mit einem feierlichen Spatenstich ins Leben gerufen wurde, platzte nur ein paar Hundert Meter neben dem Bauort ein – Wasserrohr. Manchmal kommt alles Gute auch von unten. Umweltminister Werner Schnappauf und Innenminister Günther Beckstein mussten seinerzeit durch den Schlamm stapfen, um zum Festplatz zu gelangen – ein Wassermarsch vor dem „Wasser, marsch“-Appell.

Im Laufe einer 50-jährigen Geschichte häufen sie sich, diese feucht-fröhlichen Geschichtchen, und der Wasserverband Knoblauchsland hat einige zu erzählen. Alles begann mit einer – so formulierte es der frisch gekürte und allererste Vorsteher Heinrich Ermann – „entscheidenden Stunde für das Knoblauchsland“, als der Verband 1960 gegründet und damit die Ära „organisierte Wasserversorgung“ eingeläutet wurde. Mit der Umstellung auf den Gemüseanbau 1952 forderten die Bauern mehr Wasser. Weil schließlich die Bohrung privater Brunnen verboten wurde, war eine Organisation vonnöten, um das Bewässerungsproblem im Gemüseanbaugebiet zu lösen. Und mit dem hatten die Landwirte schwer zu kämpfen: Sandige Böden, unterdurchschnittliche Niederschläge und immer wiederkehrende Trockenzeiten wirkten sich negativ aufs Gemüse aus.

Die Gemüsebauern und ihr Regenmacher

Das erste Kapitel in der Geschichte der professionellen Bewässerung des Knoblauchslandes wurde am 17. Mai 1960 im Gasthaus Bammes in Buch geschrieben. Die NZ schrieb über die Geburtsstunde des Wasserverbandes:

„Wie der Leiter der Gründungsversammlung, Baudirektor Karl Schaller vom Nürnberger Tiefbauamt, und Baurat Joseph Lehner vom Wasserwirtschaftsamt Nürnberg erklärten, hat der Wasserverband nur eine große Aufgabe: die Bewässerung des Knoblauchslandes.

Diese Aufgabe füllt den Verband seither voll und ganz aus. Und füllt auch die Zeitungen. Sämtliche Brunneneinweihungen von Almoshof bis Wetzendorf wurden gebührend gewürdigt. Nach der feierlichen Einweihung der drei Beregnungsanlagen für Großreuth, Kleinreuth und Wetzendorf-Süd am 17. Mai 1962 stand am nächsten Tag in der NZ:

„Oberbürgermeister Dr. Urschlechter, dessen Gattin betont folkloristisch mit Trachtenhut erschienen war, warf persönlich den Schalthebel herum, der die zwei Pumpen im Spritzenhaus vor dem Speicherbecken für 1700 Kubikmeter in Bewegung setzt.“

Ein Jahr später folgte die Einweihung der Anlagen für Almoshof, Buch und Lohe. Die NZ hielt auch dieses Ereignis fest:

„Gedämpftes Rauschen in der Tiefe – die erschienene Bevölkerung lauschte gespannt – kündigte an, dass das begehrte Nass in die Leitungen schoß, um Augenblicke später in kleinen Fontänen auf die Felder zu sprühen, auf Kohlköpfe, Salatpflanzen und Spargel, den die Nürnberger so lieben. (...) Staunend sahen die Gäste, wie es nach dem Druck aufs Knöpfchen regnete. ,Wir haben Glück gehabt, es funktioniert sogar’, bemerkte Heinrich Ermann.“

Die Gemüsebauern und ihr Regenmacher

© Harald Sippel

Von „wagemutigen Landwirten“ war zu lesen, von Bauern, die „sehr fortschrittlich“ denken und handeln. Anfangs betrug die zu bewässernde Fläche 360 Hektar, mit dem zweiten Bauabschnitt 1974 kamen weitere 200 Hektar hinzu. Das Wasser aus 58 Brunnen floss über ein 75 Kilometer langes unterirdisches Netz in 24 Klein- und 25 Speicherbeckenanlagen. Die Grundstücke waren mit 930 Hydranten und Wasserzählern ausgestattet, insgesamt regnete es durchschnittlich 300000 Kubikmeter Wasser im Jahr. Wobei die Wetterverhältnisse auch damals schon stark variierten, wie folgender Ausschnitt aus einem NZ-Artikel von 1977 zeigt:

„Aus einer Aufstellung des Wasserverbrauches seit 1967 geht eine von Jahr zu Jahr sehr schwankende Abnahme hervor. Sie reicht von 310000 Kubikmetern von 1968 bis 590000 für 1974 bis zum, so Ermann, ,Katastrophenjahr‘ 1976, als durch eine langanhaltende Dürre der Verbrauch auf die Rekordmarke von 1490000 Kubikmeter kletterte.“

Mittlerweile sind es 2,1 Millionen Kubikmeter. Für 830 Hektar. Und mittlerweile wurde das System rundumerneuert. Auch das ist wieder so ein Kapitel aus der Geschichte des Wasserverbands. Ein ganz gewichtiges sogar. Und das liest sich in etwa so:

Ob 1976, 1992 oder 1997 – immer wieder brachten längere Hitzeperioden die Landwirte ins Schwitzen. Das Wasser wurde knapp und musste zeitweise rund um die Uhr kontingentiert werden. Doch nicht nur extreme Dürren, auch die intensive Bewirtschaftung hinterließ Spuren: Der Grundwasserspiegel sank, dafür stieg die Nitratbelastung aufgrund der Düngemittel. Wenn der Gemüseanbau vor den Toren der Stadt nicht eingehen sollte, blieb nur eine Lösung: Das Regnitztal musste angezapft werden. Und zwar im großen Stil.

So dass gar von einem „Jahrhundertprojekt“ die Rede war und von „Rekordbohrungen“. Doch zuvor stießen Experten bei Probebohrungen 1997 in der Nähe von Stadeln auf Thermalwasser – was auf Grund des hohen Salzgehalts Pflanzen weit weniger wohltut als Menschen. Doch die Fürther Flusstäler hatten noch mehr zu bieten: zum Beispiel im Wiesengrund (Kapellenruh). Am 15. Mai 1999 setzte die Politprominenz den ersten Spatenstich, 15,5 Millionen Euro flossen in das Projekt „Beileitung von Beregnungswasser aus dem Regnitztal für das Knoblauchsland“. 50 Prozent der Baukosten übernahm der Staat, 50 Prozent die Mitglieder des Wasserverbands.

Erst in diesem Jahr wurden vier weitere Brunnen und eine neue intelligente Steuerungsanlage für die insgesamt zwölf Brunnen installiert. Das Wasser wird in die sechs Speicherbecken mit einem Gesamtvolumen von 36000 Kubikmetern in Ronhof, Höfles, Buch, Kraftshof, Schnepfenreuth und Almoshof gepumpt. Rund 1500 Hydranten hängen an dem 150 Kilometer langen Druckrohrleitungsnetz, aus dem 190 Mitgliedsbetriebe Wasser für ihre Äcker entnehmen können. Bis zu 600 Liter Wasser pro Sekunde können gefördert werden.

Für besonderes Aufsehen sorgte die 1025 Meter lange Horizontalbohrung zwischen dem Schießanger und der Dieselstraße in Fürth im Mai 2000. Bis dato gab es in Deutschland keine vergleichbare Bohrung für eine Leitung dieser Größe, die derart präzise ausgeführt werden musste. Für die Genauigkeit wurde sogar ein Verfahren zur Bohrkopf-Steuerung eingesetzt, das Weltpremiere feierte.

Vor allem Landwirte aus Fürth waren anfangs wenig begeistert vom Wasserüberleitungsprojekt. Sie fürchteten um das ökologische Gleichgewicht, konkret um die Vegetation im Wiesengrund. Ohne Grund, wie man jetzt weiß. Ein pflanzensoziologisches Gutachten ergab: Qualität und Quantität der Gräser haben nicht gelitten – im Gegenteil. Stefan Dunger, einer der Betriebswarte des Wasserverbands, erklärt, dass auch kein Fluss- oder Grundwasser entnommen werde, sondern sogenanntes Uferfiltrat. Also Nutz- oder Trinkwasser, das in unmittelbarer Nähe von Oberflächengewässern wie Flüssen gewonnen wird.

Der Gemüseanbau ist auf Gedeih und Verderb auf die künstliche Bewässerung angewiesen. Bislang hat das System seine Bewährungsproben bestanden: Die Hitzewochen im WM-Sommer 2006 etwa waren zwar eine Herausforderung. Aber das Gemüse saß nicht auf dem Trockenen. Der Wasserverband Knoblauchsland kann sein Jubiläum am Sonntag also ordentlich – natürlich – begießen.

Mehr Informationen über den Wasserverband im Internet unter wv-knoblauchsland.de.