"Ein Realist, der angepackt hat"

29.4.2011, 19:30 Uhr

© Karlheinz Daut

Urschlechter, OB von 1957 bis 1987, war am 19. April im Alter von 92 Jahren gestorben und am vergangenen Mittwoch im engsten Familienkreis auf dem Johannisfriedhof beigesetzt worden. An dem Gedenkgottesdienst nahm unter anderem Urschlechters Nachfolger als Rathauschef, Peter Schönlein (SPD), teil. Auch andere Weggefährten des Alt-OBs wie der frühere Bundesminister Oscar Schneider (CSU) sowie die SPD-Stadträte Arno Hamburger und Jürgen Fischer gaben sich die Ehre, zudem waren Bürgermeister Klemens Gsell (CSU) und der SPD-Bundestagsabgeordnete Günter Gloser gekommen.

In der ersten Reihe saß die Witwe des Verstorbenen, Lieselotte Urschlechter-Mulzer, flankiert von Oberbürgermeister Ulrich Maly und Regionalbischof Stefan Ark Nitsche. Maly und Nitsche würdigten bei dem Gedenkgottesdienst vor allem die bedeutende Rolle, die Urschlechter beim Wiederaufbau des vom Krieg zerstörten Nürnberg zukam. „Wohl erst heute, mehr als ein halbes Jahrhundert später, können wir insgesamt ermessen, wie viele gute und richtige Entscheidungen in dieser Zeit gefallen sind“, sagte Maly. „In der Trümmerwüste der Sebalder Altstadt waren alte Wegebeziehungen, wichtige Fluchtlinien, Regelungen für die Dachneigungen und vieles andere so festgesetzt worden, dass das heute erlebbare Ergebnis uns, aber auch Touristen, manchmal glauben lässt, das alles wäre nie zerstört gewesen.“ Was heute selbstverständlich scheine, „war für die Nachkriegsverantwortlichen eine Riesenaufbauleistung“.

„Er war nicht der große Visionär, der in die Zukunft blickt, sondern ein Realist, der angepackt hat“, sagte Nitsche in seiner Predigt; Urschlechter habe im Wissen darum gehandelt, dass es „nicht nur um Steine und Dächer geht, sondern darum, dass die Stadt ein Zuhause ist“. Eine Kommune müsse auch eine innere Mitte, ein Wertgefüge haben, erklärte Nitsche – das sei dem langjährigen Stadtregenten bewusst gewesen.

Maly erinnerte zudem an die zahlreichen überregionalen Funktionen, die Urschlechter in seiner Amtszeit innehatte: Etwa im Deutschen und Bayerischen Städtetag oder im ZDF-Fernsehrat. „Der Stadt ein Gesicht geben und für die Stadt Gesicht zeigen, das hat er getan.“ Beide Redner kamen auch auf das Jahr 1987 zu sprechen, als Urschlechter nicht mehr zur OB-Wahl antreten durfte, da er die Altersgrenze von 65 Jahren überschritten hatte: „Seine Amtszeit endete, weil es die Bayerische Gemeindeordnung so vorschreibt – das Vertrauen der Nürnberger Bevölkerung genoss er auch damals noch“, sagte Maly.

Nitsche betonte, dass Urschlechter „gerne weitergemacht“ hätte – aber er habe sich dann auch begabt gezeigt „in der Kunst, loszulassen“. Der 1987 vom Stadtrat einstimmig zum Ehrenbürger ernannte Alt-OB lebte nach dem Ende seiner politischen Laufbahn zurückgezogen in Langwasser – jenem Stadtteil, der zu Beginn der Urschlechter-Ära „nicht mehr als eine Blaupause“ (Maly) gewesen war und dessen Aufbau sich der Dauer-OB auf die Agenda schrieb.

Urschlechter, sagte Maly, habe in seinen 30 Jahren als OB sicher nicht alles richtig gemacht. „Die große Linie ist es, die wir beurteilen können – diese große Linie war richtig.“

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