Frauen suchen zu selten Hilfe

2.5.2011, 19:47 Uhr
Frauen suchen zu selten Hilfe

NZ: Von welchen Krankheitsbildern ist die Rede?

Dr. Alfred Motzer: Von vielen Krankheitsbildern, die wir zusammenfassen unter dem Begriff Beckenbodenschwäche. Das sind Krankheiten, die Frauen im Laufe ihres Lebens bekommen. Häufig hängen sie mit Schwangerschaften zusammen. Auch Frauen, die nie schwanger waren, können unter einer Beckenbodenschwäche leiden. Zum Beispiel, weil sie eine Bindegewebsschwäche haben.

NZ: Wie viele Frauen sind betroffen?

Motzer: Es ist ein Tabuthema, darum lässt sich das schwer einschätzen. Denn es geht ja auch um das unangenehme Thema Inkontinenz. Vielen Frauen ist es peinlich, das zur Sprache zu bringen. Manchmal wird auch im niedergelassenen Bereich nicht gleich die passende Antwort gefunden. Deshalb arbeiten im Klinikum Gynäkologen, Urologen, Proktologen, auch Gerontologen und Neurologen im Beckenbodenzentrum zusammen.

NZ: Zu Ihnen kommen die gravierenden Fälle. Aber ab wann sollte eine Frau zum Arzt gehen?

Motzer: Immer, wenn sie ein Problem verspürt, wenn sich die Patientin also in ihrer Lebensqualität eingeschränkt fühlt, empfehlen wir dringend, einen Arzt aufzusuchen.

NZ: Ist die Krankheit heilbar?

Motzer: In vielen Fällen ja. In den meisten Fällen kann man zumindest eine Besserung herbeiführen, ohne gleich operieren zu müssen. Etwa durch eine Hormoncreme.

NZ: Wie wirkt sich die Krankheit auf den Alltag aus?

Motzer: Patientinnen müssen vor allem häufig auf die Toilette, manche nachts vier- bis fünfmal. Im Laufe eines Gesprächs erfährt man auch von Problemen in der Sexualität, weil sich die Patientin durch eine starke Senkung des Beckenbodens sehr beeinträchtigt fühlt. Bei einer ausgedehnten Inkontinenz wiederum kann es sein, dass sich die betroffene Frau isoliert, sich nicht traut, in die Öffentlichkeit zu gehen. Oder nur dann, wenn sie ganz genau weiß, wo die nächste Toilette ist. Das kann schon zum Spießrutenlauf werden.

NZ: Was können Frauen präventiv tun?

Motzer: Hilfreich sind Geburtsvorbereitungskurse bzw. nach der Geburt die angebotene Beckenbodengymnastik. Von Vorteil ist auch eine nicht übertriebene, aber gesunde sportliche Lebensweise und regelmäßige Besuche beim Frauenarzt. Weniger gut sind, das dürfte klar sein, ausgeprägtes Übergewicht und Rauchen. Am verkehrtesten ist es, das Problem einfach hinzunehmen und sich einzureden, dass einem eh keiner helfen kann.

Ein Termin für die Beckenboden-Sprechstunde im Klinikum ist vereinbar unter Tel. 398-7574. Im Anschluss an den Vortrag wird die Ausstellung „Wege ins Licht“ mit Fotografien und Aquarellen von Alfred Motzer eröffnet.

 

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