Stichschutz-Westen für Rettungsdienst

6.8.2011, 08:22 Uhr
Stichschutz-Westen  für Rettungsdienst

© Klaus-Dieter Schreiter

Vor allem in den vergangenen zwei Jahren haben die Angriffe deutlich zugenommen, bestätigt BRK-Kreisgeschäftsführerin Brigitte Lischka. Bei nächtlichen Einsätzen im Umgriff der Großdiskotheken gehören verbale Angriffe schon beinahe zum Standard. Aber auch Schläge, Bisse oder Attacken mit abgebrochenen Flaschen müssen die Sanitäter hinnehmen. Vor einigen Wochen schlug sogar der Angehörige eines Patienten eine Scheibe am Rettungswagen ein.

Auffallend häufig sind Gewaltdrohungen und körperliche Angriffe in den „Ausgeh-Nächten“ zwischen Donnerstagabend und Sonntagfrüh. Das korrespondiert mit der Polizeistatistik: Knapp 80 Prozent aller Körperverletzungen im öffentlichen Raum fallen in diese drei Nächte zwischen 20 und 6 Uhr früh; jeder zweite Übergriff ereignet sich in diesem Zeitraum zwischen 1 und 6 Uhr. 40 Prozent der Tatverdächtigen stehen unter Alkohol.

Aber auch bei Einsätzen in Wohnungen oder Einfamilien-Häusern stoßen die Retter zunehmend auf brutale Reaktionen. In aller Regel fahren die Sanis dort ohne Polizei zum Einsatzort. Dass sie ein Opfer häuslicher Gewalt versorgen sollen – und dass der Täter noch immer hoch aggressiv ist – stellt sich erst vor Ort heraus.

Der Eigenschutz der Rettungsdienst-Mitarbeiter geht in all diesen Fällen vor, betont Lischka. Nach intensiven internen Diskussionen hat das Rote Kreuz in Nürnberg daher zehn Stichschutz-Westen angeschafft. Sie gehören zur Ausstattung der Rettungsfahrzeuge, würden aber nur bei Bedarf angelegt, so die BRK-Chefin. Etwa wenn das Meldebild den Verdacht nahelegt, dass die medizinische „Kundschaft“ für Probleme sorgen könnte.

Beruhigungsmittel, Alkohol oder psychische Erkrankungen sind typische Auslöser, unterstreicht BRK-Landesgeschäftsführer Dieter Deinert, dass solche Gewalt-Phänomene inzwischen in den meisten Ballungszentren zu beobachten sind. In größeren Städten gebe es in der Regel sogar bestimmte gastronomische Betriebe, die Rettungsdienst-Mitarbeiter nur noch in Begleitung von Polizeibeamten betreten würden.

Auf diese Probleme hat inzwischen die Politik reagiert. Der Paragraf 114 des Strafgesetzbuches (StGB) wurde vor einigen Wochen um den Absatz 3 erweitert. Damit sind Rettungskräfte im Einsatz generell unter denselben Schutz gestellt wie Polizeibeamte – bei Behinderungen und bei Angriffen.

Gleichzeitig hat der Bundestag das Strafmaß für solche Übergriffe auf maximal drei Jahre angehoben (Paragraf 113, Absatz 1, StGB). Schließlich wird die Verwendung „gefährlicher Werkzeuge“ (also abgebrochene Flaschen etc.) unter die höhere Strafandrohung gestellt (Paragraf 113, Absatz 2, StGB).

Ob dies den Helfern hilft? Es wird einige Zeit brauchen, bis sich die Folgen von Attacken herumsprechen, fürchtet BRK-Chefin Lischka. Also müssen die Sanitäter vorerst weiter auf Polizeischutz setzen – und auf die Stichschutz-Westen.
 

2 Kommentare