WM in Riga

Eishockey-Nationalteam: Warum denn nicht Weltmeister?

20.5.2021, 05:45 Uhr
Aufbauhelfer: In Nürnberg musste Toni Söderholm seine Spieler (hier: Nicolas Krämmer) des öfteren trösten. 

© Thomas Hahn/Zink Aufbauhelfer: In Nürnberg musste Toni Söderholm seine Spieler (hier: Nicolas Krämmer) des öfteren trösten. 

In Riga hatte damals alles angefangen. 6:0 gegen Österreich, 5:0 gegen Japan, und dann knipst Tom Kühnhackl mit dem entscheidenden 3:2 gegen Lettland in der Arena den Ton aus. Im September 2016, die Saison hatte noch gar nicht begonnen, qualifizierte sich die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft für die Olympischen Spiele in Pyeongchang, eine WhatsApp-Gruppe mit dem Namen "Mission Gold" entsteht – der Rest ist deutsche Sportgeschichte.

Nach Riga ist die deutsche Mannschaft in dieser Woche zurückgekehrt, als Silbermedaillengewinner von Pyeongchang und als Mitfavorit bei der Weltmeisterschaft (21. Mai bis 6. Juni), wobei das eine mit dem anderen auf den ersten Blick wenig zu tun hat. "Diese WM ist eine Wundertüte", stellte Franz Reindl mit der pathologischen Diplomatie eines Funktionärs fest, der vielleicht doch noch Präsident des Weltverbands werden will. In dieser Wundertüte aber, da hat der Präsident des Deutschen Eishockey-Bunds (DEB) Recht, verbergen sich acht Mannschaften, die mit dem realistischen Ziel antreten, am 6. Juni in der Arena Riga unter der Goldkonfetti-Kanone zu stehen. Deutschland ist eine davon.

Von Treutle über Seider bis zu Pföderl

In normalen Jahren ist das nicht realistisch. Gegen Ende eines nicht enden wollenden Corona-Jahres aber ist alles anders. Die WM findet später statt, aus der National Hockey League, die am Montag erst mit den Playoffs angefangen hat, stehen noch weniger Spieler zur Verfügung, dazu war die Bereitschaft bei vielen Spielern, sich nach langen Monaten in der Isolation in die nächste Blase zurückzuziehen, nicht allzu ausgeprägt. Soll heißen: Die 84. Eishockey-WM der Männer ist keineswegs erstklassig besetzt. Die großen Nationen Kanada, Russland und USA haben keinen einzigen Leistungsträger nach Riga entsandt, der auch bei einem Turnier der Besten dabei wäre. Schweden, Finnland und Tschechien haben nur einzelne Stars im Aufgebot. Bleiben die diesmal sehr wohl erstklassig besetzte Schweiz und Deutschland.

Natürlich muss auch Toni Söderholm auf Leon Draisaitl und Dominik Kahun verzichten, die in den nächsten Wochen den Stanley Cup nach Edmonton holen wollen, Nico Sturm ist mit den Minnesota Wild erfolgreich in die NHL-Playoffs gestartet. Tim Stützle bekam nach einer starken Premiere in der besten Liga der Welt keine Freigabe von den Ottawa Senators. Trotzdem versammelt der Bundestrainer seit Mittwoch eine Mannschaft auf dem Eis, der man zutrauen darf, jedes andere Team bei dieser WM zu besiegen – vom Torhütertrio um den Nürnberger Niklas Treutle über die Verteidigung um den hochtalentierten Moritz Seider, der am Dienstag im Alter von 20 Jahren zum Verteidiger des Jahres der schwedischen Liga gewählt wurde, bis zu einem tief besetzten Angriff um den ehemaligen Ice-Tigers-Torjäger und aktuellen Berliner Meister Leo Pföderl. "Wenn man gegen die Großen nicht gewinnen will, ist man fehl am Platz", formuliert Söderholm noch zurückhaltend. Die Spieler sind mutiger und haben ein Vorbild: 2019 wurde überraschend Finnland Weltmeister, ebenfalls ohne seine vermeintlich besten Spieler. "Sie haben gezeigt, wie’s funktionieren kann", stellte Markus Eisenschmid fest: "Es spricht eigentlich nichts dagegen, dass wir das auch können."

Gegen Kanada, die USA und Finnland

Der Spielplan lässt Deutschland die Möglichkeit, sich einzuspielen. Italien, am Freitag (15.15 Uhr/Sport1) Auftaktgegner, ist vom Coronavirus derart getroffen worden, dass zuletzt ein 16 Jahre junger Torhüter nachnominiert werden musste. Die weiterhin mit Norwegen, Kanada, Kasachstan, Finnland, USA und Lettland besetzte Vorrundengruppe muss das DEB-Team mindestens als Vierter abschließen. Dann ist alles möglich. So wie in Pyeongchang, so wie einst schon einmal in Riga. Tom Kühnhackl ist übrigens auch wieder mit dabei.

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