"Wir werden definitiv keine Autos bauen"

4.2.2019, 15:52 Uhr

© Schaeffler

Herr Gutzmer, wird Schaeffler jetzt zum Automobilhersteller?

Wenn wir an die Zukunft der Welt, in der wir als Unternehmen tätig sind, denken, dann wissen wir, dass sich das Mobilitätsumfeld deutlich ändert, und zwar einschließlich der Fahrzeuge, die darin bewegt werden. Hier die Fahrzeughersteller, dort die Zulieferer - auch diese Rollen werden sich verändern und neu definieren. Allerdings wird ein Zulieferer wie Schaeffler definitiv keine Autos bauen, so wie es die Fahrzeughersteller heute tun. Es werden aber neue Fahrzeugkonzepte entstehen - nicht Autos, ich rede hier ganz bewusst von Fahrzeugkonzepten. Diese neuen Mobilitätsformen wollen wir mit darstellen.

Und hier kommt der Bio-Hybrid ins Spiel?

Wir wissen genau, dass in den Städten der Zukunft das Fahrrad eine ganz wichtige Rolle spielen wird. Meines Wissens nach wird beispielsweise in Kopenhagen schon heute fast dreißig Prozent des Arbeitsverkehrs mit dem Rad erledigt. Deshalb kamen wir auf die Idee, ein neues Fahrzeugkonzept zu entwickeln, das die Vorteile eines Fahrrads bietet, aber nicht dessen Nachteile aufweist.

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Wie sieht das aus?

Der Bio-Hybrid kann wie ein Fahrrad, genauer gesagt, wie ein E-Bike betrieben werden. Der Fahrer benötigt keinen Führerschein. Speziell mit unserer Lastvariante ist es möglich, Pizzas, Zeitungen und andere Güter emissionsfrei zu den Menschen zu bringen. Dabei ist der Bio-Hybrid nicht auf der normalen Fahrspur und somit nicht in Konkurrenz zu den Autos unterwegs.

Aber in Konkurrenz zu anderen Fahrrädern. Das heißt, dass wir in Zukunft Rad-Schnellwege brauchen?

Ganz genau. Die werden kommen. Ich betrachte das als absolut notwendig.

Wird der Bio-Hybrid beim Fahrradhändler stehen oder wird es neue Vertriebswege geben, wie zum Beispiel über das Internet?

Ja. Ich bin sicher, dass beispielsweise das Maß an Vernetzung, das in dem Fahrzeug steckt, ganz neue Vertriebskanäle zur Folge haben wird - Internethandel, Internetvertrieb, eigene Distributionszentren, die noch nicht einmal Schaeffler selbst betreiben muss, sondern die als Partner dazugewonnen werden. Da entsteht eine neue Lieferkomplexität, auf die wir uns vorbereiten.

Tritt der Zulieferer Schaeffler mit dem Bio-Hybrid aber nicht doch in einen Wettbewerb mit seinen Kunden?

Der Bio-Hybrid ist ein Fahrzeugkonzept, das es in dieser Form noch gar nicht gibt. Schon deshalb sind wir nicht im Wettbewerb mit unseren Kunden. Was man bei einem solchen Konzept aber auch braucht, sind neue Strukturen. Wir werden den Bio-Hybrid deshalb in einer eigenen Gesellschaft industrialisieren, in einem Start-up als hundertprozentiger Tochter. Ein Standort dieses Start-ups ist in Nürnberg und damit auch räumlich außerhalb der vorhandenen Struktur in Herzogenaurach angesiedelt.

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Man bleibt also in der Region.

Ich glaube, es ist für den Standort und für die Metropolregion Nürnberg sehr wichtig, dass wir auch in Zukunft dort gestalten und Arbeitsplätze schaffen – interessante Arbeitsplätze.

Tritt der Zulieferer Schaeffler mit dem Bio-Hybrid aber nicht doch in einen Wettbewerb mit seinen Kunden?

Der Bio-Hybrid ist ein Fahrzeugkonzept, das es in dieser Form noch gar nicht gibt. Schon deshalb sind wir nicht im Wettbewerb mit unseren Kunden. Was man bei einem solchen Konzept aber auch braucht, sind neue Strukturen. Wir werden den Bio-Hybrid deshalb in einer eigenen Gesellschaft industrialisieren, in einem Start-up als hundertprozentiger Tochter. Ein Standort dieses Start-ups ist in München, ein anderer in Nürnberg, beide sind somit auch räumlich außerhalb der vorhandenen Struktur in Herzogenaurach angesiedelt.

Der "Mover" wiederum ist aber durchaus ein Konkurrenzprodukt für die Automobilhersteller.

So wie wir uns den Mover vorstellen, ist er ein autonom fahrendes Robo-Taxi für die Zukunft. Anders als den Bio-Hybrid wird ihn Schaeffler aber mit Sicherheit nicht als Gesamtfahrzeug industrialisieren. Der Mover wird nur funktionieren, wenn wir Partner haben, und diese Partner kommen aus der Sensorik, aber auch aus der Hardware- und Rechnerstruktur, aus der Software oder aus der künstlichen Intelligenz. Wir wollen hier Systempartner sein und bleiben und die Möglichkeiten des autonomen Fahrens erweitern, dies aber definitiv mit Partnern.

Da sind andere aber etwas selbstbewusster. Von Bosch zum Beispiel hört man, dass man praktisch alles auch selbst könne.

Das Thema ist nicht, ob man alles selber kann oder nicht. Für mich ist das Thema vielmehr: Wie teilt man das Risiko? Wie teilt man den erforderlichen Aufwand? Und da ist es besser, Partnerschaften zu bilden als alles selbst zu machen und aufzubauen.

Interview: Ulla Ellmer

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