Neues Album des Nürnberger Countertenors Johannes Reichert

18.1.2020, 15:58 Uhr
Neues Album des Nürnberger Countertenors Johannes Reichert

© Foto: Ludwig Olah

Man kennt ihn aus Produktionen der Pocket Opera Company oder aus dem Fürther Kulturforum, wo sein Chorabend "Un Beheimatet" oder die Purcell-Hommage "Orpheus has just left the Building" sehr erfolgreich herauskamen: Johannes Reichert ist nach wie vor als Musiker sehr breit aufgestellt. Das gilt für die Epochen, die er anpackt, als auch für seine umfassende Tätigkeit als Sänger, Lehrer und Mitinhaber des Fürther Labels "Meta Records".

Derzeit gibt der Countertenor im "Theater Pfütze" eine Meisterklasse. Und am kommenden Freitag erscheint sein jüngstes Album "No, no, I never was in love", das der 59-Jährige zusammen mit der Nürnberger Theorbistin Christine Riessner eingespielt hat. Der Titel ist einem Lied des britischen Komponisten Herny Lawes (1595-1662) entnommen. Und gibt auch gleich den Tonfall an: Es geht um verschmähte Liebe.

Gefunden hat Reichert das kurze, aber charaktervolle Stück in einer Sammlung aus der Mitte des 17. Jahrhunderts, deren manuskripte in der Oxforder Bodleian Libary und der Londoner Lambeth Place Libary aufbewahrt werden. 1991 hat sie der kanadische Musikwissenschaftler Gordon J. Callon herausgeben, der das Liederbuch nach jahrundertealtem Archivschlaf wieder ans Tageslicht beförderte.

Treffen auf Facebook

Reichert blätterte die Kollektion durch und begeisterte sich immer mehr für die teils auf Französisch, teils auf Englisch abgefassten Texte. "Das wurde eine richtige Nachtsession vor dem Laptop", schmunzelt der Sänger. Und um zu erfahren, wie es mit den Aufführungsrechten aussah, schrieb er dem in Seattle lebenden, mittlerweile emeritierten Musikprofessor eine Nachtricht über Facebook. Und siehe da, keine Viertelstunde später erhielt er eine virtuelle Antwort. "Die Zeitverschiebung machte es möglich und es entspann sich ein spannender Dialog, der sicher mehrere Meter auf Papier ausmachen würde", berichtet Reichert.

Zusammen mit der Nürnberger Lautenistin Christine Riessner, die ihren Instrumentalpart ersteinmal aus den Generalbass-Linien und den spärlichen Notenangaben herausdestillieren musste, schafften es zwölf empfindsame, aber auch temperamentvolle Lieder aus der Nach-Elisabethanischen Zeit auf die Trackliste. Verbunden übrigens von kurzen Intermezzi, die Riessner absichtlich in kontrastierendem modernen Klanggewand komponierte.

Von den wenigsten Lieder sind ihre Schöpfer bekannt. Der Franzose Michel Lambert (1610-1696) etwa wirkte immerhin in der Kapelle des Sonnenkönigs. Nicholas Lanier, Henry Lawes oder Jean de Cambefort sind weitere Autoren. Herausgeben und einer Lady Ann Blount gewidmet hat die Sammlung der englische Komponist Charles Col(e)man (1605-1664), dem die Ehre zukommt das auch editorisch wieder sehr sorgfältig und kunstsinnig angelegte Album aus dem Fürther "Meta Records"-Label mit seinem Song "Blest be those powers" zu beschließen.

Johannes Reichert weiß, dass solch eine aufwendige Produktion auf einen überschaubaren Liebhaberkreis treffen wird. "Aber ich muss das machen, was künstlerisch zu mir passt und was ich innerlich vertrete." Ganz anders hat der Dürer-Liebhaber das Thema Liebe auf dem Vorgänger-Album "Melancolia" abgehandelt. Da mixt er zusammen mit dem Gitarristen Holger Stamm John Dowland mit Stevie Wonder, King, Crimson Bob Telson oder den "Beatles".

Dozentur in Kolumbien

Entstanden sind aparte Cover-Versionen, die ihren Reiz natürlich auch aus der hohen Männerstimmlage ziehen, die Reichert immer noch weitgehend ohne allzu starken Vibrato-Einsatz zu Gebote steht. Aufgewachsen ist der Sänger im baskischen Bilbao. Lange hat er in der kolumbianischen Metropole Bogatá unterrichtet, diese Dozentur aber mittlerweile aufgebenen. "Ich drohte meine künstlerischen Kontakte hier in Europa zu verlieren und deshalb habe ich mich für die Rückkehr entschieden."

Nun ist Reichert gespannt, auf welches Echo die neue CD stoßen wird. Das Fotoshooting dafür fand übrigens am Nürnberger Hafen statt. Ludwig Olah hat Musiker und Instrumente charakterstark in Szene gesetzt. Und das Cover-Bild lieferte Christine Riessner mit ihrem Spontaneinfall, den Titel mit Lippenstift auf eine Tonne zu schreiben. Hintersinnig nahm Ludwig Olah einen Edding und strich das "never" durch. So etwasa nennt man Happy End. . .

InfoAktuelle CDs: "No no I never was in love" und "Melancolia" (Meta Records)

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