Kommentar: Kandidat Maaßen wird zur Zerreißprobe für die Union

1.5.2021, 08:22 Uhr
Klare Mehrheit: Hans-Georg Maaßen wurde im Wahlkreis 196 für die CDU nominiert. Ob er für "die Mitte" steht, wie es auf dem Transparent steht - das bezweifeln viele.

© Michael Reichel, dpa Klare Mehrheit: Hans-Georg Maaßen wurde im Wahlkreis 196 für die CDU nominiert. Ob er für "die Mitte" steht, wie es auf dem Transparent steht - das bezweifeln viele.

86 Prozent: Das war eindeutig. So viele Delegierte stimmten für Hans-Georg Maaßen. Damit geht der frühere Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz ins Rennen um das Mandat in Südthüringen, nahe der Landesgrenze zu Bayern.

Söder warnte deutlicher als Laschet

Viele Unions-Funktionäre hatten vor dieser Wahl gewarnt. CSU-Chef Markus Söder deutlicher als Armin Laschet; Söder hatte Maaßen im Zusammenhang mit Friedrich Merz genannt - ein Affront gegen Merz und eine gezielte Spitze gegen die von Söder behauptete und befürchtete Rückkehr zu einer CDU wie zu Zeiten von Helmut Kohl.

Auch der ohnehin angeschlagene Kanzlerkandidat Armin Laschet ist garantiert nicht begeistert darüber, dass da nun ein am rechten Rand der Union stehender Promi antritt - weil der Spagat zwischen dem Kurs der Modernisierung und dem von Maaßen eher angepeilten "Zurück zur guten alten Zeit" riesig ist und die Union zu zerreißen droht.

Letzte Hoffnung

Wahrscheinlich haben die Warnungen der Spitze die Basis eher beflügelt, den 58-Jährigen zu nominieren. Er erscheint vielen als letzte Hoffnung, diesen Wahlkreis zu gewinnen. Bis März war Mark Hauptmann CDU-Abgeordneter dort. Doch er war verstrickt in den Masken-Skandal und erhielt auch noch dubiose Zahlungen aus Aserbaidschan; Kaufmann gab sein Mandat notgedrungen zurück.

Nun also soll Maaßen den Wahlkreis erobern - gegen eine wie im gesamten Osten sehr starke AfD als Hauptgegner. Das ist deshalb sehr gewagt, weil Maaßen in seiner Amtszeit als Verfassungsschutz-Chef die Grenze zu dieser Partei sehr lässig oder gar nicht zog. Er beriet die damalige AfD-Spitze, wie sie denn die Beobachtung durch seine Behörde vermeiden könne.

Maaßen musste 2018 gehen - weil er den Bogen überspannt hatte und das Vertrauensverhältnis zerrüttet war. Fehler bei sich erkannte er nicht. Seitdem bemüht er sich um politische Rehabilitierung - seine Kandidatur ist ein gewaltiger Schritt für seine Rückkehr auf die politische Bühne.

Fixiert auf die "Gefahr von links"

Maaßen sprach von einem "Riesenerfolg", als vor gut einem Jahr in Thüringen der FDP-Kandidat Thomas Kemmerich mit den Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten gewählt wurde - ein Affront gegen die CDU und ihre Spitze. Und Maaßen ist dermaßen fixiert auf die (existierende) Gefahr von links, dass er die (deutlich größere) Gefahr von rechts oft gar nicht mehr erwähnt.

Klar, dass Maaßen versuchen wird, Wähler der AfD zurückzuholen zur Union. Mit konservativ-nationalen Tönen. Das kann womöglich gelingen. Aber: Gleichzeitig werden sich viele unentschlossene Wähler der Mitte - und dort werden Wahlen gewonnen - irritiert bis empört abwenden von einer CDU, die laviert zwischen Erneuerung und Rückwärtsgewandtheit. Das kann ein Nullsummen- oder ein Minus-Spiel für die Union werden.

Ein Mühlstein am Hals von Armin Laschet

Maaßen wird so garantiert zu einem Mühlstein am Hals von Armin Laschet. Ab sofort steht der polarisierende Kandidat - ein Wessi-Import für Thüringen - unter Dauer-Beobachtung: Was sagt er? Überschreitet er Grenzen? Hält er sich an das, was in der CDU konsensfähig ist oder bricht er diesen Konsens auf?

Maaßen ist der Risiko-Kandidat der Union, er stellt die Partei vor eine Zerreißprobe. Für viele eine Belastung - für die Südthüringer Delegierten eine Chance. Mal sehen, wer sich täuscht.

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