Alltag von Kontrolleuren: "Hatte plötzlich Spucke im Gesicht"

26.5.2019, 05:57 Uhr
Alltag von Kontrolleuren:

© Ngoc Nguyen

"Wir versuchen immer, Abstand zu halten und zu zweit zu sein, so dass man zumindest eine Hilfe hat. Oft weiß man nicht: Haben die was in der Tasche? Es ist auch passiert, dass die Polizei gekommen ist und die haben dann Waffen gefunden, Messer oder Nadeln."

(Alle Zitate sind von Kontrolleuren, die anonym bleiben wollen)

Von 152 Millionen Fahrgästen jährlich werden rund eine Million kontrolliert. Davon haben etwa zwei Prozent kein gültiges Ticket – in Nürnberg ist diese Quote seit 2010 konstant niedrig. Es gibt Verkehrsunternehmen in Deutschland, die haben bis zu sechs Prozent Schwarzfahrer. Rechnet man die zwei Prozent Erwischte hoch, kommt man auf etwa vier Prozent der Nutzer von Bus und Bahn, die umsonst mitfahren. 25 Prüfer hat die Abteilung Fahrausweiskontrolle der VAG. Ihren Dienst haben sie nach einer Schulung angetreten, in der sie auch lernten, wie problematische Situationen geklärt werden. Aber manchmal erdrückt das Leben die Theorie.

Aua, spinnst Du?!

"Ich hab ihn gefragt, wo er aussteigen will, er hat gesagt, am Hauptbahnhof. Am Plärrer ist er dann aufgestanden und ich sag nur zu ihm, halt, Moment, das ist erst Plärrer, und hab ihn dabei von hinten angetippt. Und in dem Moment hat er mir sofort auf die Hand gehauen, und ich habe nur gesagt: Aua, spinnst Du?! Da hat der Kollege gedacht, der geht auf mich los, und hat ihn von hinten genommen, und da hat der ihm sofort eine Kopfnuss gegeben. Ich mach das jetzt seit elf Jahren. Es gab vorher auch schwierige Situationen, aber es sind mehr geworden."

Am 12. Juni 2018 meldete die Nürnberger Zeitung: Renitenter Schwarzfahrer. 29-Jähriger biss VAG-Kontrolleur. Am 10. Oktober 2018: Schwarzfahrer prügelten Kontrolleure. In der Nacht zum Dienstag haben sich zwei Männer massiv gegen Fahrkartenkontrolleure an der U-Bahnhaltestelle "Gostenhof" gewehrt. Nur mit Hilfe von Polizeikräften konnte die Lage beruhigt werden. Am 5. April 2019: Erst führen sich drei Kinder in der Straßenbahn auf wie die Axt im Wald. Dann stoßen sie auch noch einen Kontrolleur aus der Bahn. Der 58-Jährige wurde verletzt.

"Der Kollege wollte eigentlich einen Fahrdienst übernehmen und hat dann im Zug gesehen, dass sich Jugendliche aufgeführt haben, die hatten die Füße auf dem Sitz und die Leute angepöbelt. Die drei waren unter 14. Auch von der Zeit her war das kritisch, um sechs Uhr früh. Die Kids haben offensichtlich die Nacht durchgemacht in der Straßenbahn. Er hat sie angesprochen, die sollen die Füße vom Sitz tun. Dann ist die ganze Sache eskaliert."

Die Kontrolleure sollen die Einnahmen der VAG sichern und den Fahrgästen zeigen, dass der Ehrliche nicht der Dumme ist. Zwei Millionen Euro gingen der VAG 2017 durch Schwarzfahrten verloren.

Wer erwischt wird, zahlt 60 Euro. Kontrolleure arbeiten in einem schwierigen Umfeld, ebenso wie Sanitäter, Polizisten, Feuerwehrleute – überhaupt alle Berufe mit Kontakt zu Menschen, die sich nicht um Freundlichkeit bemühen. Verändert sich unsere Gesellschaft, bekommen auch die Kontrolleure das als Erste mit. Übergriffe auf Fahrscheinprüfer nehmen zu. 2017 wurden 20 Vorfälle gemeldet, bei denen es zu Konflikten oder Eskalation kam. Für 2018 und 2019 gibt es noch keine Zahlen. Jedes Jahr erstattet die VAG in rund 2000 Fällen Anzeige, weil ein Ticket manipuliert wurde, ein Fahrgast handgreiflich geworden ist oder er zum dritten Mal keinen gültigen Fahrschein hatte.

"In dem Moment habe ich die Spucke im Gesicht"

"Mein Kollege hat eine junge Dame kontrolliert, ich war nur dabeigestanden, hab den Zettel gemacht und ihr den Ausweis zurückgegeben. Und in dem Moment habe ich die Spucke im Gesicht. Da stand ich erst mal dort, habe geschluckt, hab mich umgedreht, bin weggegangen, hab noch die Polizei angerufen und gesagt, ich möchte eine Streife hier haben, ich will eine Anzeige machen. Hab dann meinen Chef angerufen und gesagt: Das lass ich mir nicht bieten. Ist mir wurscht, ob die mich Schlampe oder sonst irgendwas nennt, weil das geht hier rein und hier raus. Aber diese Sache, das war so bewegend. Ich hatte auch Angst, weil ihre Spucke mir an den Mund gegangen ist. Ich habe Anzeige erstattet und da hat der Chef gesagt, so, jetzt gehen Sie morgen zum Betriebsarzt und lassen sich Blut abnehmen. Nach sechs Wochen musste ich noch einen Bluttest machen, es war aber Gott sei Dank alles in Ordnung, keine Hepatitis oder so."

Die Schulungen für Kontrolleure werden auch von der Polizei durchgeführt. Es gibt Strategien, wie man auf die täglichen Beleidigungen reagiert. Wie man Anzeichen für eine brenzlige Situation erkennt, wie und was man sagt, wann man sich zurückzieht. Dennoch gibt es Situationen, die fassungslos machen.

"Was ich nicht verstehe: Wenn die Leute keinen Fahrschein haben, die Türen gehen schon zu und die springen trotzdem noch raus, mit Kinderwagen! Jemand hatte mal ein Kleinkind im Kinderwagen und der hat bei einer Kontrolle den Wagen in seiner Aggression gegen die Türen des Busses schon fast geworfen."

Die meisten Fahrgäste, betonen die Männer und Frauen, verhalten sich neutral und höflich. Zwischenfälle wie die genannten kommen bei weitem nicht jeden Tag vor.

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