Blühstreifen unter Beregnungsrohren

7.5.2019, 16:32 Uhr
Blühstreifen unter Beregnungsrohren

© Foto: Jürgen Petzoldt

Herr Kretzschmar, sind die Flächen im Knoblauchsland nicht viel zu wertvoll, um sie Blühstreifen zu überlassen?

Selbstverständlich sind sie wertvoll, für uns ist der Gemüseanbau unser täglich Brot. Aber es ist für uns auch selbstverständlich, dass wir mit der Natur wirtschaften. Wir haben immer schon ein bis zwei Hektar mit Gründüngung eingesät, das kommt noch aus der Dreifelderwirtschaft. Der Boden muss einfach mal ausruhen.

Statt die Ruhe zu genießen, muss er jetzt Blühstreifen nähren. Wer kam eigentlich auf die Idee?

Mein Nachbar, der Biostaudengärtner ist. Das haben wir dem Landschaftspflegeverband vorgeschlagen und sind dort auf offene Ohren gestoßen. Sogar die Mischung der Samen haben wir so abgesprochen, dass sie unsere Fruchtfolge nicht beeinträchtigt. Im ersten Jahr haben gleich fünf Landwirte mitgemacht. Das geht, weil bei uns im Knoblauchsland die Felder noch nicht rechteckig und kerzengrade sind. Es gibt immer mal eine Spitze, einen Zwickel, der nicht sinnvoll zu bewirtschaften ist, oder die Streifen unter den Beregnungsrohren – das können schöne Blühflächen sein.

Und wie war die Resonanz auf Ihre Aktion?

Bombastisch! Das hat sehr gut ausgesehen. Ich mische unter die Blütenmischung Getreidesamen, so dass der Boden im Frühjahr schnell bedeckt ist und Feuchtigkeit speichert. Und wenn es dann sprießt, summt und brummt es überall. Das bringt der Natur was und ist auch für die Böden gut.

Was sagen denn die Leute im Dorf?

Die freuen sich dran, wenn sie spazieren gehen. Und du merkst: Das ganze Dorf wächst mehr zusammen. Wir haben vor drei Jahren angefangen, die Gräben wieder zu putzen und sauber zu machen, so dass das Wasser frei fließen kann. Freiwillig. Da helfen auch Ehrenamtliche mit, die sagen: Ihr macht was für die Gemeinschaft, das trage ich mit. Und der Wirt gibt uns zechfrei, weil er das gut findet.

Einen Blühstreifen anzulegen, macht Ihnen aber doch extra Arbeit?

Sicher macht das Arbeit. Aber ob ich Getreide einsäe oder Blumen, das tut sich nicht viel. Am Anfang war aber die Skepsis groß, weil wir mit dem Landschaftspflegeverband zusammengearbeitet haben. Bisher war es immer so: Es gab eine Verordnung von oben und du hast das als Landwirt machen müssen. Inzwischen sind wir begeistert, weil die Zusammenarbeit so erfolgreich ist – eine Win-win-Situation für Landwirtschaft und Natur.

Sie bekommen aber auch keine Entschädigung oder einen Zuschuss für das Anlegen der Blühstreifen . . .

Früher gab es die Verpflichtungen, auch wenn ich nichts dafür bekommen habe! Jetzt arbeiten wir wohlwollend zusammen, das fruchtet bei beiden Seiten. Ein Landwirt, der bisher Mais für Biogasanlagen angebaut hat, stellt seine fünf Hektar jetzt komplett auf Blühflächen um. Andere legen Wechsel- und Zwischenfruchtflächen als Blühstreifen an.

Und auf diese Tour machen Sie Neunhof zu einem wahren Schlaraffenland für die Bienen?

Ein Imker aus Kalchreuth hat anfangs eine Bienenkiste zu uns runtergestellt, der hat jetzt alle seine Stöcke bei uns. Im vergangenen Jahr stand einer an meinem Kürbisacker, die Bienen haben sich komplett davon ernährt.

Bauern werden in den Nachrichten häufig als Buhmänner dargestellt, die die Umwelt durch Unkrautvernichtungsmittel und Dünger schädigen. Ärgert Sie das?

Es wird immer auf die Bauern geschimpft. Zum Beispiel beim Thema Glyphosat. Da ist die Bundesbahn einer der größten Verbraucher, aber das wird nicht erwähnt. Glyphosat ist ein Total-Herbizid, das alle Pflanzen vernichtet. Das benutze ich als Gemüsebauer doch gar nicht! Aber mich ärgert auch das Volksbegehren "Rettet die Bienen". Wir Landwirte leben von der Natur und wir leben mit der Natur – sonst gibt es keine Zukunft für uns.

Auch wenn das Land so intensiv genutzt wird wie das Knoblauchsland?

Vor einiger Zeit hat ein Institut hier eine Bestandsaufnahme gemacht. Wir haben einen sehr guten Insektenbestand, es gibt viele seltene Libellenarten. Auch Rebhühner, Feldlerchen und Kiebitze fühlen sich im Knoblauchsland wohl. Diese Artenvielfalt rührt daher, dass wir wirtschaften, wie wir wirtschaften. Wiesen, Gemüse, Getreidefelder auf relativ kleinen Flächen und in stetigem Wechsel – das ist gut für Mensch und Natur.

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