Buntes Jubiläum: "Straße der Menschenrechte" wird 25

23.10.2018, 20:49 Uhr
Buntes Jubiläum:

© Foto: Stefan Hippel

An der Gabelung Brücken-/Roonstraße in St. Johannis schüttet Eric Brettreich eine Dose mit blauer Farbe auf die schneeweiße Plakatwand. Die Künstler-Gruppe der Lebenshilfe klatscht begeistert Beifall und schon ist der Nächste mit seiner Farbdose dran. Rasch wird die mehrere Quadratmeter große Tafel immer bunter.

Die Lebenshilfe hat vor der Aktion den Fußboden und das Nachbar-Plakat mit dem Konterfei vom SPD-Landtagsabgeordneten Arif Tasdelen ganz sorgfältig abgeklebt, damit keine Farbspritzer draufkommen. Der Sozialdemokrat hat nach dem Wahldebakel seiner Partei sicher nicht so viel zu lachen wie die Künstler mit Behinderungen. Jeder neue Farbklecks wird mit fröhlichem Kichern und lauten Zwischenrufen kommentiert. "Es ist ein ,happy-ning‘", meint Organisator Christian Vittinghoff mit einem Wortspiel, in Anlehnung an das englische Wort Happening.

Mut und Selbstbewusstsein zeigen

Und das "Farbenschmeißen", wie die Beteiligten es nennen, macht sie auch glücklich: "Ich kann damit meine Ideen ausdrücken und meine Gefühle rauslassen. Alle Menschen mit Behinderung sollten das machen", sagt Christin Michaleck. Sie gehört wie die anderen Teilnehmer dem "Atelier" der Lebenshilfe im ehemaligen TA-Gelände an der Fürther Straße an.

Mut und Selbstbewusstsein zeigen, sich engagieren — das ist den überwiegend jungen Menschen mit Behinderung wichtig. Den Spruch, der zwischen den Farbklecksen auf der Plakatwand prangt, hat Eric Brettreich geprägt: "Nein sagen tut mehr weh als sich kontrollieren zu lassen." Wie kam er auf diesen Gedanken? "Mein Papa will mich immer kontrollieren", meint der junge Mann, "und da habe ich mir gedacht, dass es wichtig ist, auch einmal ,Nein‘ zu sagen und sich zu wehren."

"Das sieht cool aus"

Nicht weit entfernt gestalten Jugendliche der zehnten Klassen der Geschwister-Scholl-Realschule eine Plakatwand am U-Bahnhof Bärenschanze. Sie bewerfen eine mit Leim bestrichene Plakatwand mit Konfetti. Auf der Fläche zeichnen sich die Silhouette einer Schwangeren, eines Mannes mit einer Peitsche und ein Schlüsselloch mit Hammer ab.

Diese Symbole stehen für unterschiedliche Menschenrechte: das Recht auf Gründung einer Familie, die Ächtung von Folter oder auch die Wahrung der Privatsphäre. Dazwischen befinden sich drei skizzierte Säulen — als optischer Hinweis auf die "Straße der Menschenrechte" am Germanischen Nationalmuseum. "Wir waren mit der Klasse schon öfter dort, das sieht cool aus. Es zeigt, nach welchen Gesetzen wir leben sollen", sagen Valerie und Marvin.

"In unserem Land leben viele Kulturen"

Mitschüler Erik findet es gut, dass an den 27 Säulen die Menschenrechte auf Deutsch und in vielen anderen Sprachen angebracht sind. "In unserem Land leben viele unterschiedliche Kulturen", sagt der 16-Jährige, der eine Ausbildung als Elektrotechniker beginnen möchte, "an unserer Schule gibt es auch viele Schüler aus anderen Ländern. Sie sollen hier eine Chance bekommen, ihr Leben zu gestalten."

Michael Schwarzer, Lehrer für katholische Religion an der Realschule, behandelt das Thema Menschenrechte im Unterricht. Dass sie damit nun auf die Straße gehen und nicht im Klassenzimmer sitzen bleiben, habe den Jugendlichen gut gefallen, meint er. Seit zwölf Jahren arbeitet der Pädagoge mit dem städtischen Menschenrechtsbüro zusammen, das die jetzige, stadtweite Plakataktion initiiert hat.

Das Menschenrechtsbüro will mit der originellen Aktion auf das 25-jährige Bestehen der "Straße der Menschenrechte" aufmerksam machen. 25 Organisationen — unter anderem Allianz gegen Rechtsextremismus, Frauennetzwerk, Bluepingu, evangelische Jugend, sozialistische Jugend, Baha-i Gemeinde und Zonta — gestalten jeweils ein Großplakat auf Flächen der Stadtreklame, das eine gute Woche im Stadtgebiet zu sehen ist. Die meisten Gruppen haben sich auf einen Aufruf in der Zeitung gemeldet. Das Bewerbungsbüro Kulturhauptstadt 2025 dokumentiert die unterschiedlichen Plakatwände mit einem Film, der in die Bewerbungsunterlagen aufgenommen werden soll.

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