Leidenschaftlicher Sammler

Der Herr des Vinyls wohnt in Büchenbach

15.10.2021, 09:00 Uhr
Die gute alte Schallplatte ist wieder da. Oder war nie weg. Zumindest nicht bei Martin Arold aus Büchenbach, der seit Jahrzehnten Vinyl sammelt.

© fotolia Die gute alte Schallplatte ist wieder da. Oder war nie weg. Zumindest nicht bei Martin Arold aus Büchenbach, der seit Jahrzehnten Vinyl sammelt.

ller hätte das Tor selber schießen können, doch er gibt uneigennützig zu seinem Sturmführer Strehl und der schießt das uneinholbare 3:0 für den 1. FC Nürnberg....Das Spiel ist aus, der Club hat seine 8. deutsche Meisterschaft geholt, damit seinen Rivalen aus dem Ruhrpott, Schalke 04, überflügelt und ist wieder alleiniger deutscher Rekordmeister“.

Kurt Brumme hieß der Rundfunkreporter, der den Millionen von Fußballfreunden an den Radiogeräten das 50. Endspiel um die deutsche Fußballmeisterschaft schilderte. Seine Reportage presste Ariola auf Vinyl. Die Schallplatte mit der Bestell-Nr. 36 380 C ging vor allem in Franken weg wie die sprichwörtliche warme Semmel. Heute, 60 Jahre später, ist die Platte mit der DFB-Schale in Gold auf dem Cover eine absolute Rarität.

Regalmeter um Regalmeter

Der Griff zur schwarzen Vinyl-Scheibe ist für Martin Arold immer noch etwas Alltägliches. Die Auswahl ist riesig. Rund 4000 Schallplatten stehen im Wohnzimmer-Regal.  

Der Griff zur schwarzen Vinyl-Scheibe ist für Martin Arold immer noch etwas Alltägliches. Die Auswahl ist riesig. Rund 4000 Schallplatten stehen im Wohnzimmer-Regal.   © privat, NN

Bei Martin Arold steht sie in einem der Schallplattenregale, die im Wohnzimmer seines Hauses in Büchenbach die Blicke auf sich ziehen. „Wo anders sind Bücher aufgereiht, bei mir sind es eben Schallplatten“, erklärt der 59jährige. Dass die bunten Hüllen, in denen die Vinyl-Scheiben stecken, sofort ins Auge fallen, liegt an ihrer Vielzahl.

Über 4000 Schallplatten hat Martin Arold angehäuft, seitdem er sein Herz für ein Medium entdeckte, dem zwischendurch durch Bits und Bytes das völlige Aus drohte, derzeit aber fröhliche Urstände feiert. Die Analog-Technik beziehungsweise die Langspielplatte ist scheinbar nicht unterzukriegen.

Wieder voll im Trend

Plattenspieler werden zudem nach wie vor in einer ansehnlichen Auswahl angeboten. Zwar sind im Vergleich zu anderen Tonträgern die Verkaufszahlen von Langspielplatten nur marginal, doch ihre Anhänger schwören auf einen Klang, der für ihre Ohren einen weicheren, wärmeren Charakter hat. Wenn es beim Abspielen knistert und knackt, wie bei der Reportage von Kurt Brumme, umso authentischer hört es sich an.

Als der bekannteste Sportreporter seiner Zeit dem Club den verbalen Siegeskranz flocht, war Martin Arold noch gar nicht auf der Welt. Dennoch schätzt er diese Endspielreportage sehr. Schallplatten bringen zwar die ganze Welt in sein Wohnzimmer, andererseits ist er auch Lokalpatriot.

Club-Fans und ihre Lieder: Da wird’s warm ums Herz.  

Club-Fans und ihre Lieder: Da wird’s warm ums Herz.   © Arold, NN

Als der Club in der Saison 1988/89 einmal wieder so eben den Klassenerhalt schaffte, wurde in einem Studio in der Region eine Platte aufgenommen, auf der die Club-Fans ihre Gesänge anstimmten. Auch diese Scheibe hat einen Ehrenplatz im Wohnzimmer von Martin Arold, der neben der steten Suche nach Schallplatten-Raritäten („Zur Zeit ein schwieriges Unterfangen, da es aufgrund der Pandemie kaum noch Flohmärkte gibt“) gerne fotografiert und Boogie-Woogie tanzt.

Eine besondere Rarität

Ein handgemachtes Cover ziert in einer Auflage von 50 Stück die erste Veröffentlichung der „schwarzen Reiter“ aus Nürnberg. Bei Arold steht Nummer 38 im Schrank.  

Ein handgemachtes Cover ziert in einer Auflage von 50 Stück die erste Veröffentlichung der „schwarzen Reiter“ aus Nürnberg. Bei Arold steht Nummer 38 im Schrank.   © Arold, NN

Beim Stöbern nach besonderen Vinyl-Scheiben, liegt er ein besonderes Augenmerk auf die so genannte Ur-Pressung. Wenn zudem nur kleine Stückzahlen aufgelegt wurden, umso besser. So ist der Nürnberg-Sympathisant aus Büchenbach schon ein wenig stolz darauf, dass er eine Platte der Nürnberger Band „Carson Sage & The Black Rider“ besitzt, die in den Achtzigerjahren bei ihrer allerersten Plattenaufnahme das Cover noch eigenhändig fabrizierte.

Die fünf Interpreten um Leadsängerin Edda, genannt die „schwarzen Reiter“, kopierten ein Schwarz-Weiß-Foto, das sie bei einem Live-Auftritt zeigt, signierten es und bastelten aus weißem Papier eine Hülle. In einer Auflage von 50 Stück. Bei Arold steht die Nummer 38 im Regal.

Über Nürnberg hinaus bekannt

Vor allem die Interpretation des Madonna-Klassikers „Like A Virgin“ hat es ihm angetan. Die Nürnberger Band, musikalisch ein verspielter Haufen, der mit Originaltracks im „Fun Folk“, klassischen Volksliedern sowie lustigen Versionen aktueller Songs vor allem bei Live-Auftritten in und um Nürnberg glänzend ankam, veröffentlichte im Lauf der Jahre eine ganze Reihe von Schallplatten. Zu Kleister und Schere griffen sie aber nur einmal. Notgedrungen, weil sich der Druck ihres ersten vollfarbigen Covers verzögerte. Später gesellten sich zu 50 handsignierten Exemplaren noch einmal rund 900 Stück.

Ein Jahrzehnt lang machten Edda Ruß alias Edda Vendetta und ihre Jungs von Nürnberg aus mächtig Alarm. Bis weit über die Grenzen der Stadt hinaus genoss ihre Band Carson Sage & The Black Riders einen hervorragenden Ruf. „Der flotte Mix aus Folk, Country und Pop zündete dank einer latenten Punkrock-Kante praktisch überall auf Anhieb“, stand in den Nürnberger Nachrichten zu lesen. Irgendwann jedoch war die Luft raus, bis vor einigen Jahren mit Andreas Steinert, Edda Ruß und Dietrich Pfund drei alte Helden der Nürnberger Rockszene ein Comeback feierten und ein neues Album namens „Jetstream“ herausbrachten.

Die Scheibe der Wallenstein-Festspiele ist noch verschweißt.  

Die Scheibe der Wallenstein-Festspiele ist noch verschweißt.   © Arold, NN

Während Martin Arold die Aufnahmen von „Carson Sage & The Black Raiders“ öfter einmal auflegt, hat er eine Platte von den Wallenstein-Festspielen in Altdorf aus den Achtzigerjahren in seinem Regal stehen, die noch original mit einer Folie verschweißt ist. Was bei Sammlern eigentlich verpönt ist. Doch Arold freut sich einfach nur darüber, dass auf seine Wallensteinplatte noch nie eine Nadel aufgesetzt wurde.

Nicht nur die Musik aus der analogen Welt fasziniert Plattensammler Martin Arold, sondern auch die Technik von anno dazumal. Sein erster Plattenspieler aus den frühen 70er-Jahren leistet noch gute Dienste.

Nicht nur die Musik aus der analogen Welt fasziniert Plattensammler Martin Arold, sondern auch die Technik von anno dazumal. Sein erster Plattenspieler aus den frühen 70er-Jahren leistet noch gute Dienste. © privat, NN

Da sich alte Platten, wie die Radioreportage des Fußballspiels aus dem Jahr 1961 in der Regel nicht sehr gut auf modernen Plattenspielern abspielen lassen, hat Arold sein erstes Gerät aus dem Jahr 1972 wieder aktiviert. Und war voll von den Socken, als der Philips-Plattenspieler noch bestens funktionierte.

25 Plattenspieler

Zum Abspielen der meisten Scheiben setzt er aber die hochwertigen Schallplattenspieler der Firma Dual ein. Rund 25 Plattenspieler aus allen Epochen dieser Firma haben sich im Laufe der Zeit bei Arold angesammelt. Darunter auch jene Highendgeräte der späten 70er- und 80er-Jahre, die audiophile Standards gesetzt haben, die bis heute nahezu unerreicht sind.

Natürlich überwiegen in der Plattensammlung des Büchenbachers, der beruflich für die Medizintechnik arbeitet, die reinen Musikaufnahmen. Vorwiegend aus den letzten 50 Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Daneben stehen aber auch Scheiben, die über wirtschaftliche oder gesundheitliche Themen informieren beziehungsweise zeitgeschichtliche Belange zum Inhalt haben.

Eine Fitness-Platte von Triumph-Adler bietet sich auch im Homeoffice an.  

Eine Fitness-Platte von Triumph-Adler bietet sich auch im Homeoffice an.   © Arold, NN

Neben den Scheiben aus fränkischen Landen (beispielsweise über das Betriebsjubiläum der Nürnberger Sanitärfirma Hoffmann mit einer Aufzeichnung der Laudatio am 2.Juni 1956 im Grandhotel oder eine Werbeplatte der Firma Triumpf-Adler mit dem passenden Titel „Topfit im Büro“) hat Arold auf Flohmärkten auch die eine oder andere Kuriosität aufgetan.

Die Kinderlieder mit dem eigenwilligen Cover lösten einen Streik aus.  

Die Kinderlieder mit dem eigenwilligen Cover lösten einen Streik aus.   © Arold, NN

Beispielsweise eine Langspielplatte für Kinder, die 1971 unter dem Titel „Warum ist die Banane krumm?“ im Wagenbach-Verlag erschien und aus elf gesprochenen separaten Texten und Liedern besteht, die jeweils durch einen Kinderreim getrennt sind. Mitgewirkt als Autoren, Sprecher oder Sänger hatten einige renommierte Schriftsteller sowie Liedermacher Wolf Biermann und die Politrock-Gruppe Floh de Cologne.

Schulstreik ausgelöst

Die Texte waren für die damaligen Verhältnisse unkonventionell („Schlaf, Kindchen, schlaf/dein Vater ist ein Schaf./Deine Mutter ist ein Trampeltier/Schlaf, Kindchen, schlaf“) und teilweise experimentell, was unter anderem im niedersächsischen Dorf Fredenbeck zu einem von den Eltern der Schulkinder organisierten Schulstreik führte. Die Lehrerin, die die umstrittene Platte auflegte, wurde wegen „Unzucht und Beleidigung“ angezeigt und letztlich an eine andere Schule versetzt.

Martin Arold faszinieren solch verrückte Geschichten genauso wie die Musik auf seinen vielen schwarzen Scheiben. Doch nicht deren besonderer Klang beeindruckt ihn stets aufs Neue, sondern auch die Technik, die dahinter steckt. Auf seine Dual-Plattenspieler lässt er nichts kommen. Entsprechend schnell hatte sich für ihn das Thema CD-Player erledigt. Analog ist sein Ding. Allerdings nicht auf allen Gebieten.

Was sein zweites Steckenpferd, die Fotografie, betrifft, fährt der 59-Jährige inzwischen auf der digitalen Schiene. Die Sache mit dem Entwickeln der Filme in seinem kleinen Hobby-Labor wurde ihm mit der Zeit doch zu umständlich. Die Nadel aber setzt er nach wie vor leidenschaftlich gerne auf eine seiner 4000 Vinyl-Scheiben.