Nach der Wahl

Die CSU hadert mit dem Ergebnis, nicht mit dem Chef

1.10.2021, 16:46 Uhr
Auch wenn das Ergebnis verheerend war, Söder ist unangefochten.

© Kay Nietfeld, dpa Auch wenn das Ergebnis verheerend war, Söder ist unangefochten.

Horst Seehofer dürfte sich dies Tage verwundert die Augen reiben. Als er 2017 die CSU in eine historische Niederlage bei der Bundestagswahl geführt hatte, waren seine Tage gezählt, als Parteichef wie als Ministerpräsident. Sei Nachfolger Markus Söder hat ihn jetzt noch unterboten. Und bleibt trotzdem unangefochten, in beiden Ämtern.

Seehofer freilich hatte damals schon weite Teile seiner Partei gegen sich aufgebracht. Und mit Markus Söder stand längst einer bereit, der den Ingolstädter beerben wollte. Beides trifft bei Söder nicht zu. Weder ist da jemand, der ihm seine Posten streitig machen könnte. Noch ist die Parteibasis so unzufrieden mit ihm, dass sie einen Revoluzzer mittragen würde.

Zu einseitig

Sicher, es grollt, insbesondere ganz unten. Das Beben zieht sich durch das CSU-Wurzelgeflecht. Überall im Freistaat lassen sich christsoziale Lokalpolitiker zitieren, die Söder eine "One-Man-Show" vorwerfen. Die CSU, sagen sie, sei "zu einseitig" aufgestellt, es fehle "eine exakte inhaltliche Aufstellung". Die Partei sei "personell ausgedünnt", heißt es landauf landab. Sie biete "konservativen Menschen keine Heimat mehr". Die Parteispitze müsse "wieder mehr auf die Basis hören".

Markus Söder will das durchaus. Kurz nach der Bundestagswahl und seinem Eingeständnis, die Unon habe sie verloren, hat er angekündigt, er werde auf mehreren Basiskonferenzen und hinter verschlossenen Türen mit seiner Partei reden Wissenschaftler sollten zudem die Aufarbeitung begleiten und die Wahl tiefgehend analysieren. Auch in der Landtagsfraktion haben sie das gefordert diese Woche, auch dort hinter verschlossenen Türen.

Es trifft Blume

Dort, heißt es, habe sich der Unmut nicht nur, aber vor allem bei Markus Blume entladen. Blume zeichnet als CSU-Generalsekretär verantwortlich für die Wahlkampagne. Die freilich prägt auch der Parteivorsitzende mit. Dass etwa die CSU in der Schlussphase mit ihrer Linksrutsch-Kampagne zwar noch punkten konnte, dazu aber auf ein negativ besetztes Thema ausweichen musste, kreiden manche auch dem Chef an.

In der CSU machen sie die Entfremdung an Horst Seehofer fest.

In der CSU machen sie die Entfremdung an Horst Seehofer fest. © Tom Weller, dpa

"Die CSU hat keine Erzählung mehr", sagt ein Spitzenmann. "Uns fehlt die Vision." Das sei nicht erst seit Söder so, betont der Funktionär. "Das war mit Seehofer nicht anders." Doch in engen Wahlkämpfen wie diesem zeige sich das Defizit umso deutlicher. "Früher haben wir in der CSU um Themen gestritten"; sagt der Spitzenpolitiker. "Heute agieren wir nur noch technisch."

"Da hat etwas begonnen"

Diskussionsbedarf sieht auch der mittelfränkische Landtagsabgeordnete Michael Hofmann. "Die Kandidatenfrage war das eine", sagt er. "Aber es wäre zu kurz gegriffen, wenn wir es nur daran festmachen." Die CSU müsse sich ihre Glaubwürdigkeit wieder erarbeiten, ihre Verlässlichkeit. Wann beides verloren gegangen ist, bleibt offen. Für viele hat das in der CSU auch mit der Einzelkämpferrolle ihrer Spitzenleute zu tun.

Hofmann macht das an einem Datum fest. Am 30. Oktober 2008 hatten CSU und FDP ihre Koalition im Freistaat besiegelt. "Da hat etwas begonnen in der Partei", sagt er. Seehofer habe sich nicht mehr mit der CSU abgesprochen, sondern mit dem Koalitionspartner. Die Spitze entfernte sich von der Basis. Das ist aus seiner Sicht und der vieler anderer in der Partei so geblieben.

Anbiederung

Wer Hofmann zuhört, erlebt den inneren Zwiespalt, der die CSU umtreibt. Einerseits hält Hofmann für richtig, wie Söder die Partei ausrichtet und insbesondere ökologische Themen in den Fokus nimmt. "Wer mit den Menschen redet", sagt der Forchheimer, "wird feststellen, dass wir mit der CSU der 1980er Jahre keine Wahlen mehr gewinnen." Andererseits sieht Hofmann durchaus, dass das bei einem Teil der Wählerschaft nicht ankommt. "Die mit dem grünen Kurs nicht einverstanden sind, verstehen das als Anbiederung", warnt Hofmann.

"Diskussionskultur" ist ein Wort, das neuerdings häufiger fällt. Auch der Mittelfranke Walter Nussel mahnt sie an. "Ich habe manchmal den Eindruck, dass die Abgeordneten zu weit weg sind von der Basis, speziell die im Bund", sagt Nussel, der für die CSU im Landtag sitzt. "Wir müssen aber aufnehmen, was der Handwerker denkt, der Landwirt, die Menschen an der Basis." Ihre Interessen müsse die CSU wieder einbringen in München, Berlin oder Brüssel.


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"Reden, alle mit allen"

Es ist eine schleichende Entfremdung, die sie in der CSU auf beiden Ebenen beklagen, oben wie unten. Und es ist die Angst vor den neuen Themen, die die Menschen bewegen und die Sorge, dass die CSU die Klammer nicht mehr bilden kann zwischen konservativ und grün, Land und Stadt. Bei Söder lasse sich das kaum abladen, sagt ein Spitzenmann. "Die Probleme gehen tiefer, als dass einer allein dafür verantwortlich wäre." Der Ausweg: "Reden. Alle mit allen. Ehrlich und offen."

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