Die Fußball-Schiris geraten "noch mehr ins Hintertreffen"

26.2.2021, 16:26 Uhr
Die Fußball-Schiris geraten

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Während die höherklassig spielenden Vereine sich zumindest mit gezielten Aktionen oder Pressemitteilungen im Gedächtnis der interessierten Öffentlichkeit präsent halten, so haben die "kleinen" Klubs, also die breite Masse an der Basis, diese Möglichkeiten meist nicht. Noch schwieriger ist die aktuelle Situation bei den Schiedsrichtern, ohne die bekanntlich der Fußball gar nicht funktionieren würde.

Zu dieser Erkenntnis sind auch die Verantwortlichen der Schiedsrichtergruppe Jura Süd gekommen. So haben sich Obmann Uwe Wichmann und Lehrwart Uli Spitzenpfeil Gedanken gemacht, wie sie auf ihre aktuelle Situation aufmerksam machen und sich positiv präsentieren können. "In Zeiten von Corona gelangen wir Schiedsrichter noch mehr ins Hintertreffen", so der junge Lehrwart Spitzenpfeil.

Der 19-Jährige, der aus den Reihen des SV Westheim stammt, macht keinen Hehl daraus, dass er diesen Zustand am liebsten sofort ändern möchte. "Wir sind viel zu wenig präsent, auch fehlt uns der Nachwuchs und wir sind speziell im Raum Eichstätt schwach vertreten und werden so auch nur wenig wahrgenommen", so der selbstkritische Funktionär.

"Vielschichtige Gründe"

Spitzenpfeil realisiert die aktuelle Situation sehr genau: "Die Gründe hierfür sind vielschichtig. Zum einen ist das Einzugs- und Wirkungsgebiet der Gruppe Jura Süd geografisch sehr groß. Wir betreuen rund 75 Vereine, was aufgrund der großen räumlichen Entfernungen nicht einfach ist. Zum anderen kämpfen auch wir mit Problemen, die im Amateurfußball allerorts herrschen. Ich denke hier in erster Linie an Nachwuchs- und Ehrenamtlichenmangel."

Durch den aktuell fehlenden Spielbetrieb orientieren sich, so Spitzenpfeil, viele Aktive weg vom Fußball und entdecken andere Interessengebiete, die eventuell auch mehr Spaß machen und weniger Verpflichtungen mit sich bringen. Die Eigenmotivation sinke in den aktuellen Zeiten, in denen gerade der Team- und Mannschaftssport praktisch nicht vorhanden ist. Die tatsächlichen Folgen würden jedoch erst nach der Pandemie deutlich und spürbar werden.

Momentan mache sich das Ganze noch nicht so negativ bemerkbar wie vielleicht angenommen. Die Schiedsrichtergruppe Jura Süd verfügte zum 31. Dezember 2020 über 259 Referees, davon nur vier Frauen (wir berichteten ausführlich). Als "aktiv" werden 144 Regelhüter geführt, 55 Unparteiische sind ständig aus den unterschiedlichsten Gründen nicht verfügbar und 60 Schiedsrichter sind (meist aus Alters- oder Gesundheitsgründen) "passiv". Im Vorjahr waren es zum gleichen Zeitpunkt 261 Schiris. Eigentlich eine stabile, normale Entwicklung – bis jetzt.

Kaum Spitzenschiris

Was dem jungen Lehrwart mehr zu denken gibt, ist jedoch die Tatsache, dass die Süd-Gruppe in den höheren Spielklassen nicht (mehr) vertreten ist. Spitzenpfeil dazu: "Wir haben mit Jonas Lux vom FC Nagelberg (25 Jahre) und Julian Müller vom TSV 1860 Weißenburg (22) nur zwei Bezirksliga-Schiedsrichter. Auf Verbandsebene, also ab der Landesliga aufwärts, sind wir nicht vertreten. Das ist ein gravierender Nachteil, denn wir können uns auch nicht entsprechend präsentieren. Zudem fehlt uns die Möglichkeit, dass wir zum Beispiel als Linienrichter höherklassige Erfahrungen sammeln können. Folglich können wir auch nicht unsere Förderschiedsrichter zusätzlich motivieren."

Der Westheimer, der gerade die Fachoberschule in Donauwörth besucht, leitet selbst aktuell Spiele in der Kreisliga; eine Spielklasse, die angesichts seines persönlichen Einsatzes, seines Ehrgeizes und enormen Aufwands nicht ganz zufriedenstellend ist. "Ich bin jetzt fünf Jahre Schiedsrichter, davon seit Februar 2019 offiziell Lehrwart, wobei ich zuvor schon interimsmäßig in dieser Funktion tätig war. Ich würde schon gerne die eine oder andere Klasse höher pfeifen, aber es fehlen uns aktuell auch die genannten Einflussgrößen. Und somit ist es für uns schwieriger aufzusteigen – aber nicht unmöglich."

Ihm selbst macht der Job des Regelhüters "brutal viel Spaß": "Es ist ein Hobby fürs Leben. Man forciert die Persönlichkeitsbildung, man tritt selbstbewusster auf, lernt Entscheidungen zu treffen und sich zu behaupten. Ich habe bisher unheimlich viel davon profitiert." Seine Entwicklung sei sehr positiv und auch eine gewisse Akzeptanz habe er sich nicht nur innerhalb der Schiedsrichter-Gruppe erarbeitet. Sein Verhältnis zu Obmann Uwe Wichmann und den übrigen Führungsmitgliedern bezeichnet er als "sehr gut". Wichmann und Spitzenpfeil wollen sich im kommenden Jahr der Wiederwahl stellen; wobei der eine oder andere Kollege aus dem aktuellen Gruppenausschuss ausscheiden wird.

Aktivitäten laufen weiter

In der anhaltenden Pandemie gilt es nun weiter am intakten Gruppenleben zu arbeiten – und auf sich positiv aufmerksam machen. Es werden monatliche Online-Versammlungen für alle Schiedsrichter angeboten, Weiterbildungen für die Förderschiedsrichter finden statt, das gesamte Lehrteam versucht durch den Einsatz von digitalen Regeltests und Videoschulungen das theoretische Basiswissen zu verbessern, und selbst mit einer motivierenden Lauf-Challenge will man an der körperlichen Fitness arbeiten.

"Wir versuchen vieles, haben ein gutes Angebot und wollen die Gruppe weiterbringen. Doch es müssen auch die Kollegen mitziehen. Es würde uns Verantwortliche noch mehr motivieren und auch unseren eingeschlagenen Weg bestätigen, wenn anstatt der aktuell 60 Teilnehmer bald 80 oder 90 Kollegen regelmäßig an den Monatsversammlungen teilnehmen würden", sagt Spitzenpfeil, der mit seinem Team weitere neue Ideen umsetzen will.

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