Elektroauto ist nicht automatisch umweltfreundlicher

7.1.2018, 15:43 Uhr
Elektroauto ist nicht automatisch umweltfreundlicher

© Foto: Patrick Pleul/dpa

Da ist zum einen die Ökobilanz. Sie wird nach einem standardisierten Verfahren gezogen, reicht bei einem Produkt "von der Wiege bis zur Bahre". Wer in Deutschland einen "Stromer" an eine Steckdose anschließt und glaubt, er fahre nun energiesparend und damit umweltfreundlich, der unterliege einem Trugschluss, betont der frühere Dozent an der Uni in Erlangen. Der Strom muss ja irgendwo erzeugt werden, und das geschieht häufig noch mit Braunkohle.

Eine dänische Studie hat gezeigt, dass die Verbrauchsangaben bei Elektroautos nicht der Wirklichkeit entsprechen. Im Durchschnitt lag der Verbrauch bei etwa 18 kWh/100 km, bei manchen Fahrten sogar bei 40 kWh/100 km. Ein Liter Kraftstoff hat ein Energie-Äquivalent von zirka 10 kWh. Somit lag der Verbrauch an Primärenergie unter Beachtung der Stromherstellung bei etwa 5,4 bis 13 Litern Kraftstoff pro 100 Kilometern, so Winters Darstellung.

"Kaum besser"

Und wie sieht es mit dem Kohlendioxid aus? Bei der Erzeugung von Strom mit Braunkohlekraftwerken beträgt der CO2-Eintrag etwa 1000 g/kWh, beim Strommix in Deutschland rund 600 g/kWh. Die Umrechnung ergibt nun 180 g/km bzw. 108 g/km. Und das ist "schlechter oder kaum besser als bei einem mit Benzin oder Diesel angetriebenen Auto", lautet die Schlussfolgerung von Werner Winter, der sich in der Kommunalpolitik (Stadtrat, Kreistag) für die Freien Wähler engagiert.

Auch die Geschwindigkeit spielt eine Rolle: Anders als bisher angenommen ist ein gemächliches Tempo von 30 km/h "Gift für die Reichweite der Fahrzeuge". Die höchste Reichweite und damit der geringste Energiebedarf wurde stattdessen bei einem Durchschnittstempo von 52 km/h erzielt. Deshalb: Langsam fahren spart kaum Energie, schneller fahren erhöht die Reichweite. Solche Erkenntnisse sind wichtig für Stadtplaner, die einerseits ihre Innenstädte von CO2 entlasten wollen, andererseits ständig die Zahl der Tempo-30- Zonen erhöhen.

Winter lenkt den Blick auch auf die Herstellung der Akkus. Hier fallen bereits erhebliche CO2-Emissionen an. Legt man die ökologische Vorbelastung eines Elektrofahrzeugs allein durch die Produktion der Akkus zugrunde, kann man errechnen, wann die CO2-Ökobilanz der Fahrzeuge ausgeglichen ist. Es ergibt sich ein Bild, das vor allem für den Autohersteller Tesla (mit seinen schweren Fahrzeugen und starken Akkus) schlecht ausfällt: Mit einem handelsüblichen europäischen Fahrzeug mit Verbrennungsmotor kann ein typischer Verbraucher demnach ganze acht Jahre fahren, bevor das Auto die Umwelt so stark belastet wie rein die Akku-Produktion für einen Tesla Model S.

Die Bilanz für die "Stromer" beim Energieverbrauch würde sicher besser ausfallen, wenn sie mit Strom aus Windkraft oder Solaranlagen aufgeladen würden. Das können zwar Einzelne machen, "trotzdem muss man sich Gedanken machen, wie dies für 20, 30 oder 60 Millionen Fahrzeuge aussehen würde". Werner Winter führt an, dass Deutschland gerade aus der Kernenergie aussteigt und sich den regenerativen Energien zuwendet. Gerade in Bayern ist dieser Wandel dramatisch und wirft Fragen auf: Wo sollen die Windräder stehen, wo sollen die Flächen für die Solaranlagen zur Verfügung gestellt werden, um die erforderliche Strommenge dezentral zu erzeugen? Wer nach weiteren Biogasanlagen rufe, müsse an die landwirtschaftlichen Monokulturen und den Insektenschwund denken. Und nicht zuletzt: Wenn man trotzdem auf Windräder und Solaranlagen setze, brauche man entsprechende Speicher, doch von rund 15 in Deutschland geplanten Pumpspeicherkraftwerken sei ein erheblicher Teil vorerst oder endgültig gescheitert, und der Ausbau der Windkraftnutzung stagniere weitgehend.

Wie viele neue Kraftwerke müssten gebaut werden, um die Mobilitätsbedürfnisse von heute mit E-Fahrzeugen zu befriedigen? Falls die Pkw-Flotte praktisch vollständig ausgetauscht würde, etwa bis zum Jahr 2050, betrüge der Gesamtverbrauch bei 40 Millionen Autos etwa 120 Terawattstunden. Die Stromproduktion müsste sich bis dahin im Vergleich zu heute um etwa 25 Prozent erhöhen. Dazu wären bis zum Jahr 2050 theoretisch zusätzlich 20 Gaskraftwerke oder 5000 Offshore-Windkraftanlagen oder 35 000 Windkraftanlagen an Land nötig.

Die Wirklichkeit bei der Energiepolitik sieht nach Winters Meinung äußerst betrüblich aus. Die Braunkohlemeiler dürften trotz besonders ungünstiger Werte auf Hochtouren laufen, und es werde immer mehr subventionierter Ökostrom subventioniert. Da werde die Stromerzeugung durch Gas geradezu "zerrieben", obwohl die Gaskraftwerke einen besonders hohen Wirkungsgrad (60 Prozent) und geringe CO2-Emissionen hätten. Sie seien nicht konkurrenzfähig und stünden die meiste Zeit still.

Um den Strom aus der Kernkraft in Bayern dezentral zu ersetzen, bräuchte man im Freistaat sechs neue Gaskraftwerke. Weitere vier Gaskraftwerke wären erforderlich, um den Durst der Elektroautos zu befriedigen. "Kann man natürlich machen, aber woher kommt das erforderliche Gas und wer möchte dann vor der Haustür ein Kraftwerk haben?"

Mit dem "Stromer" kann man dem Anschein nach preiswerter fahren, die Verbrauchskosten sind niedrig. Doch die E-Autos tragen nicht zum Ausbau und Erhalt der Verkehrsinfrastruktur bei. Wenn der Staat sie finanziell so belasten würde wie normale Pkw (ausgehend von der Fahrleistung), müsste die Stromsteuer um rund 800 Prozent erhöht werden. Dies würde den Strompreis jedoch für alle privaten Verbraucher von heute etwa 30 auf etwa 43 ct/kWh erhöhen, da der Verbrauch von Strom für Elektroautos nicht vom Stromverbrauch anderer Stromkunden zu trennen ist.

Probleme auch bei der Herstellung der Lithium-Ionen-Akkus: Die Rohstoffe müssen aus dem Ausland bezogen werden. 80 Prozent der weltweiten Lithium-Reserven befinden sich in Südamerika, Kobalt findet man vor allem in politisch instabilen afrikanischen Staaten. So sollen allein im Kongo über 40 000 Kinder an dem Abbau beteiligt sein.

Probleme bleiben bestehen

Folgt man den Überlegungen von Werner Winter, reicht allein der Umstieg auf Elektrofahrzeuge für eine nachhaltige Mobilität bei weitem nicht aus. Vor allem der hohe Stromverbrauch und der nach wie vor hohe Platzbedarf für den Individualverkehr fallen negativ ins Gewicht. Alle durch den Verkehr verursachten Probleme, vor allem in den Städten, blieben bestehen. Für den FW-Politiker kommt nur in Frage, den Anteil an automobilem Individualverkehr erheblich zu verringern und sich öffentlichen, dem Bedarf angepassten Verkehrsmitteln zuzuwenden, auch zu stärkerem Rad- und Fußverkehr vor allem in den Städten. "Das Auto mit einem Fahrer muss zukünftig eine sehr viel geringere Rolle spielen, als das heute der Fall ist."

Besonders junge Menschen sind nach Winters Erfahrung heute offen für neue Mobilitätskonzepte. Es müssten Anreize geschaffen werden, dass junge Leute sich erst gar kein Auto anschaffen. Aber auch um die sozialen Strukturen in ländlichen Gebieten zu erhalten, müssen neue Mobilitätskonzepte eingeführt werden. Dabei können sicher auch mit Strom angetriebene Fahrzeuge Sinn machen. Winter denkt an einen "On-demand-ÖPNV" im ländlichen Raum. Bestellen würden ihn die Bürger per Smartphone-App. Nötig seien Angebote, die in allen Situationen eine gleichwertige Alternative zum Individualverkehr auf vier Rädern bieten. Und bei letzterem müsse die Forschung breiter aufgestellt werden als bisher und sich insbesondere dem Wasserstoff zuwenden, was in Japan der Fall sei.

 

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