Empörung über Abschiebung: Hochschwangere traumatisiert

7.7.2018, 06:00 Uhr
Abgelehnte Asylbewerber müssen Deutschland wieder verlassen. Der Bayerische Flüchtlingsrat kritisiert jedoch, dass vor allem im Freistaat vermehrt Hochschwangere abgeschoben und Familien getrennt würden.

© Daniel Maurer/dpa Abgelehnte Asylbewerber müssen Deutschland wieder verlassen. Der Bayerische Flüchtlingsrat kritisiert jedoch, dass vor allem im Freistaat vermehrt Hochschwangere abgeschoben und Familien getrennt würden.

Es ist der 5. Juni, als mehrere Polizeibeamte in einem Nürnberger Flüchtlingsheim in das Zimmer einer hochschwangeren Frau aus Zentralasien kommen. Die 22-Jährige spricht kaum Deutsch, wird gegen 5 Uhr morgens aus dem Schlaf gerissen. Offenbar mit einiger Härte wird sie von den Polizisten schließlich dazu bewegt, mitzukommen.

Sie soll noch an diesem Tag von München aus nach Litauen abgeschoben werden, dort hatte die Geschichtslehrerin zusammen mit ihrem Mann, einem Informatiker, im Herbst 2017 die Visa für die Reise nach Deutschland bekommen. Hier angekommen stellte das Ehepaar einen Asylantrag, der aber Anfang Januar 2018 abgelehnt wird. "Es geht hier nicht darum, dass abgeschoben wird", sagt die Oberärztin der Psychiatrie am Nürnberger Klinikum Süd, Susanne Simen. Sondern um die Art und Weise "die mich als Bürgerin der Bundesrepublik Deutschland zutiefst beschämt".

Nachdem die junge Frau von den Beamten in Gewahrsam genommen und gleichzeitig ihr Ehemann daran gehindert wurde, mitzukommen, muss sie sich erbrechen, bekommt Krämpfe. Schließlich wird sie einem Arzt vorgestellt, anschließend muss sie eine Woche stationär behandelt werden. Doch schlimmer als die körperlichen sind die psychischen Auswirkungen.

Laut Simen leidet die 22-Jährige seit der versuchten Abschiebung unter Schlaflosigkeit und Angstzuständen, hat ein gestörtes Verhältnis zu ihrem ungeborenen Kind. Während viele Flüchtlinge aus Kriegsgebieten bereits traumatisiert hier ankommen, fand in diesem Fall "die Ersttraumatisierung hier in Deutschland durch den Polizeieinsatz statt". "Das ist Gewalt gegen Schwangere und Kinder", so Simen.

Therapie zur Stabilisierung

Mit einer ambulanten Kunsttherapie wird nun am Klinikum Süd versucht, die junge Frau psychisch wieder zu stabilisieren. Hier wird sie auch entbinden. Sechs Wochen vor und nach der Geburt gilt auch für Flüchtlinge der Mutterschutz, der ein "Abschiebehindernis" darstellt, wie es im Behördendeutsch heißt. Auch das ist ein Punkt in der Geschichte, der bei Simen Fassunglosigkeit auslöst. Nach Angaben der Geburtshelfer am Klinikum hätte der Mutterschutz für die junge Frau ab dem 6. Juni und damit einen Tag nach der geplanten Abschiebung gegolten. Das erinnert an den Fall einer jungen, ebenfalls hochschwangeren Afrikanerin Ende Mai.

Die 21-Jährige aus Sierra Leone, die mit ihrem Lebensgefährten und dem gemeinsamen fünfjährigen Sohn in der Asylunterkunft in Hengersberg im Landkreis Deggendorf lebte, wurde am 14. Mai wegen angeblicher Fluchtgefahr in Abschiebehaft genommen, ihr Sohn in die Obhut des Jugendamtes gegeben. Am 30. Mai und damit zwei Tage vor Einsetzen des Mutterschutzes sollte sie gemäß des Dublin-Abkommens zusammen mit ihrem Sohn vom Flughafen München aus zurück nach Italien gebracht werden, wo sie zuerst registriert worden waren.

Abschiebung häufig kurz vor Mutterschutz

Die Abschiebung scheiterte schließlich am von Protesten zahlreicher Unterstützer begleiteten Widerstand der Frau. Jana Weidhaase vom Bayerischen Flüchtlingsrat sieht hinter den versuchten Abschiebungen von Hochschwangeren kurz vor Einsetzen des Mutterschutzes sogar Methode, zumal sich solche Fälle vor allem in den bereits bestehenden bayerischen Transitzentren und damit zumeist unbemerkt von der Öffentlichkeit häufen würden. Die CSU wolle im Freistaat gegenüber von Flüchtlingen und Asylbewerbern ein Zeichen der Abschreckung auf dem Rücken junger Mütter und schwangerer Frauen setzen, so Weidhaase. Mit der Einigung der Union auf die Einrichtung neuer Transitzentren "wird das weiter zunehmen", ist sich Weidhaase sicher.

Auf diese Kritik ging das Bayerische Innenministerium auf Anfrage nicht ein. Für alles weitere sei die Regierung von Mittelfranken zuständig, so ein Sprecher. Dort wird wiederum auf die durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) für den 5. Juni verfügte Abschiebung nach Litauen verwiesen. Die Zentrale Ausländerbehörde der Regierung von Mittelfranken sei zwar für den Vollzug zuständig, habe in solchen Fällen aber keinen Ermessensspielraum.

"Die Betroffenen waren nach Bestätigung der Entscheidung durch das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach ab dem 11. April 2018 vollziehbar zur Ausreise verpflichtet". Hinsichtlich der geplanten Abschiebung einen Tag vor Beginn des Mutterschutzes verweist die Regierung von Mittelfranken ebenfalls auf "die Terminierung der Luftabschiebung" durch das Bamf und die zuständige Polizeiinspektion München. Das Polizeipräsidium Mittelfranken kündigte eine Stellungnahme zu dem Einsatz und Verhalten der Beamten für den Montag an. Das Bamf äußerste sich bisher nicht zu dem Fall.

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