Willkommen im Land der "Ehrenbiertrinker"

27.3.2012, 00:00 Uhr
Willkommen im Land der

© Irini Paul

Auch heute hat sie es nicht eilig. Es hat schon Tage nicht mehr geregnet, also hat das Flüsslein viel Platz in seinem Bett und kann sein Wasser gemächlich Richtung Südost treiben. Ein wilder Fluss ist die Aufseß wohl zu keiner Zeit – eine malerische Gefährtin durch das Aufseß-Tal jedoch immer. Im kleinen gleichnamigen Ort Aufseß im Herzen der Fränkischen Schweiz hat sie es auch nicht eilig, durchquert ihn und zieht dann weiter Richtung Wiesent.

Der Fluss passt gut zu diesem Ort, gut zu dieser Landschaft zwischen stolzen Anhöhen und lieblichen Tälern, den vollen Wäldern und den Wanderwegen, die sich wie Bänder durch die grünen Wiesen zu ziehen scheinen. Denn hier ist es ruhig und Hektik wäre ein Fremdkörper. Im Lädchen gleich nach der ersten Straßenbiegung bekommt man neben Brötchen oder Seife auch eine neue Karte für sein Handy, man kann sein Glück beim Lotto versuchen oder etwas zu trinken kaufen. Freilich auch Bier. Wo, wenn nicht hier?

Willkommen im Land der

Denn das hat die Gemeinde Aufseß, zu der unter anderem der kleine gleichnamige Ort gehört, zu einer wahren Berühmtheit gemacht. Denn nirgendwo gibt es auf der Welt so viele Brauereien für so wenig Menschen wie hier. Diesen Superlativ stellte zumindest das Guinnessbuch der Rekorde für das Jahr 1999 fest, nachdem es vier Brauereien für 1400 Bewohner ermittelt hatte.

Die Gemeinde ohne Bier also? Undenkbar. Und so verwundert es nicht wirklich, dass im Ort Aufseß neben dem imposanten Schloss Unteraufseß eben der Brauereigasthof mit seiner großen Braustätte das Ortsbild bestimmt – inklusive ungezählter Türme von leeren Bierkästen. Die Rothenbachs brauen hier schon seit Generationen – genauer gesagt seit 1886. Dabei kann es freilich nur einen Namen für ihren Gerstensaft geben: Aufsesser. Im Schloss droben kann man unterdessen märchenhafte Hochzeiten feiern oder ein Candle-Light-Dinner mit Eheseminar buchen.

Die Bierberühmtheiten auf dem Brauereienweg kennenlernen

Zehn kleine Orte gehören inzwischen zur Gemeinde. Der Ort Aufseß selbst wurde erstmals 1114 urkundlich erwähnt, „schuld“ daran ist das Adelsgeschlecht derer von Aufsess. Dabei stammt der ursprüngliche Name Ufsaze von „auf dem Felsen sitzen“. In der Tat: Man könnte hier auf keinem besseren Felsen sitzen. Zu Bierberühmtheiten haben die heutige Gemeinde Sachsendorf, Hochstahl, Heckenhof und Aufseß gemacht. Und die kann, wer will, auf dem Brauereienweg näher kennenlernen. 14 Kilometer ist er lang und soll nur vier Stunden in Anspruch nehmen. Doch es wäre eine Schande, würde man nicht verweilen.

Willkommen im Land der

Bei der Kathi-Bräu in Heckenhof etwa. Die besucht man am besten unter der Woche. Denn dann hat man gute Chancen auch einen Platz in dem ursprünglichen Naturensemble zu bekommen, um eine deftige Brotzeit und das legendäre Dunkle zu genießen. Denn an Sonnentagen an den Wochenenden ist hier ohne Übertreibung die Hölle los. Dann stehen Motorräder Spalier, während die Autofahrer auf dem riesigen Parkplatz Mühe haben, einen Platz zu bekommen. Und auch die Wanderer müssen nach einem freien Tisch suchen.

All die durstigen Genießer von Auswärts hoffen die Heckenhofer mit vielen Hinweisschildern auf den Parkplatz in die richtige Bahn zu leiten. Nicht immer gelingt es. Der kleine Ort an sich hätte schon das Rüstzeug zum Weltrekordhalter, gäbe es einen, der das Verhältnis von täglichen Besuchern auf Einwohner ausrechnen würde. Gebraut wird hier schon eine kleine Ewigkeit lang. Seit wann genau, weiß wohl niemand so genau. Doch das einstige Schloss Heckenhof besteht bereits seit 1498. Doch dafür interessieren sich wohl die wenigsten der Besucher. So wenig, wie die Pferde beim Bauern gleich am Ortseingang, die ihre Nüstern in die Frühlingssonne halten und die Ruhe des Vormittages zu genießen scheinen.

Ländlicher Charakter lockt Sontagsausflügler

Trotz aller Superlative wird die Gegend noch immer von der Natur geprägt, die Jobs liegen zum größten Teil woanders. Also pendeln die meisten in die Stadt – lediglich etwa 150 Arbeitsplätze bieten die Gemeinden selbst. Dennoch: Immerhin leben 20 Betriebe noch von der Landwirtschaft und 60 führen sie zumindest im Nebenerwerb.

Der dörfliche Charakter der Gemeinden lockt vor allem die Städter als Wanderer oder Sonntagsausflügler hierher. Hier scheint die Welt noch in Ordnung und die Zeit langsamer zu vergehen. Wo gibt es schon ein so schön leuchtend rot gestrichenes und schön verziertes Feuerwehrhaus wie in Hochstahl? Das Kirchlein am Ortseingang lockt zum Besuch, so wie der Brauereigasthof der Reicholds, die bereits seit über hundert Jahren hier ihren Gerstensaft als Familienbetrieb brauen und noch dazu schön typische Speisen bieten. An manchen Tagen – typisch oberfränkisch – das bei Feinschmeckern beliebte Krenfleisch. Und als Station des Brauereienweges bekommen wahre Würdige hier sogar eine Urkunde überreicht.

Wer sich den Weg vorgenommen hat, der kann sich einen speziellen Wanderpass abstempeln lassen. Als „Lohn“ für den Besuch aller vier Brauereien und als Erinnerung bekommt man dann eine Urkunde, die ihren Besitzer als „Fränkischen Ehrenbiertrinker der Weltmeisterbrauereien“ ausweist. Als ob es das bräuchte.

Wer sich mit offenen Augen durch die wunderbar ursprünglich-unspektakuläre Gegend treiben lässt, der will auch bleiben. Gerade jetzt, da die Sonne wieder nach draußen lockt und uns Städter aufs Land magisch zieht. Dabei gehört für Fränkische-Schweiz-Infizierte die beispiellos schöne Landschaft dazu wie die Einkehr bei all den Wirtshäusern und Braustätten mit zum Teil uralter Tradition. So wird auch an der vierten Station des Brauereienweges die Braukunst schon seit Jahrhunderten gelebt. Für Sachsendorf ist die erste Brauerei für das Jahr 1552 urkundlich belegt. Seit mehr als 300 Jahren setzt auch die Familie Stadter hier die Maische an, nachdem sie 1884 die Brauerei Sachsendorf übernommen hatte. Am beliebtesten ist dabei ihr Sachsendorfer Landbier. Selbiges kann man beim sogenannten Erlebnisbrautag auch selbst ansetzen.

Führungen und Aktionen bieten viele der Brauereien an, um einen Blick hinter die alte Kunst zu gewähren. Und nicht nur Weltmeister unter den Brauereien. Nachfrage lohnt also. Wer lieber nur genießen will, der bleibt am besten auf seinem Stuhl oder der Bank sitzen. Der nächste „Ehrenbiertrinker“ wartet schließlich schon und hofft auf einen der begehrten Plätze an der Quelle des Genusses.

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