FAU schickte Mini-Ökosystem ins All

23.4.2013, 19:13 Uhr
FAU schickte Mini-Ökosystem ins All

© oh/Sebastian M. Strauch

Die „Besatzung“ der Weltall-Mission Omegahab B-1 besteht aus Algen, Wasserpflanzen, Fischlarven, Krebsen und Schnecken. Die Arbeitsteilung ist klar: Die Pflanzen produzieren den Sauerstoff, den die Tiere benötigen. Letztere wiederum versorgen die Pflanzen mit Kohlendioxid, das sie für die Photosynthese benötigen. Und ähnlich wie im heimischen Aquarium sind die Schnecken dafür verantwortlich, die Scheiben sauber zu halten und für freie Sicht zu sorgen.

Die ist besonders deswegen wichtig, weil die Algen und Fischlarven während der Weltraumreise gefilmt und fotografiert werden. So wird die Entwicklung von der Larve bis hin zum Fisch dokumentiert und überprüft, inwiefern sich die Schwerelosigkeit auf die Entwicklung auswirkt. Auch der Zustand der Algenkultur – also die Zellzahl, Zellform und ihr Schwimmverhalten – wird ständig aufgezeichnet, um den Einfluss von Schwerelosigkeit auf die Zellen zu messen.

Damit es innerhalb des Aquariums nicht zu einem Ungleichgewicht zwischen Pflanzen und Tieren kommt, ist es in zwei Kammern unterteilt. In der einen befinden sich die Tiere, in der anderen die Algen. Nur eine CO2- und sauerstoffdurchlässige Teflonmembran trennt sie.

Die Forscher der FAU sind besonders an den Veränderungen der Algen interessiert. Denn im schwerelosen Raum sterben Zellen schneller ab, als auf der Erde. Und frühere Untersuchungen haben ergeben, dass einige Zelltypen des Immunsystems durch Schwerelosigkeit stark beeinträchtigt werden. Ein Grund dafür, warum das Immunsystem von Astronauten oft geschwächt ist. Um über diese Entwicklung mehr Aufschluss zu erhalten, lassen die Wissenschaftler während des Flugs automatisch immer wieder kleine Wasserproben von zwei Millilitern entnehmen.

Bereits in dieser Wassermenge erwarten die Forscher zwischen 100.000 und einer Million Zellen. „Da wir davon ausgehen, dass sich besonders in den ersten Tagen viel verändern wird, werden in dieser Zeit zweimal am Tag Proben entnommen und dann wieder gegen Ende“, sagt Dr. Peter Richter, Projektmitarbeiter und Zellbiologe an der FAU. Wasserchemische Daten wie Temperatur, pH-Wert oder die CO2- Konzentration werden alle zehn Sekunden gemessen.

Um herauszufinden, inwiefern die Messergebnisse aus dem Omegahab B-1 beispielsweise von der kosmischen Strahlung oder der Schwerelosigkeit beeinflusst sind, findet zeitgleich ein Boden-Kontrollexperiment statt. Das bedeutet: Aus einem identisch ausgestatteten Aquarium auf der Erde werden die gleichen Proben entnommen wie aus dem Weltraum-Aquarium. Nach dessen Rückkehr zur Erde werden die zwei Datensätze verglichen. Nur so können die Forscher herausfinden, welche Veränderungen tatsächlich auf die Schwerelosigkeit im All zurückzuführen sind.

Reisekrankheit wird untersucht

Die Wissenschaftler der Universität Hohenheim sind besonders an den Veränderungen im Innenohr der Fische interessiert. Denn diese könnten Aufschluss über die bislang noch unbekannten Ursachen für die Reisekrankheit bei Menschen geben, meint der Zoologe Prof. Dr. Reinhard Hilbig. Von ihr sind auch Astronauten oft betroffen – sie führt zu Schwindelgefühl oder Übelkeit. Das wiederum hängt mit dem Gleichgewichtssinn zusammen, der im Innenohr sitzt. Da die Raum- und Schwerkraftwahrnehmung der Fische etwa zu 90 Prozent mit der der Menschen übereinstimmt, hoffen die Wissenschaftler auf verwertbare Rückschlüsse.

Die Vorbereitungen für die Weltraumreise des Aquariums haben gut zwei Jahre gedauert. „Aber natürlich haben die auch schon auf frühere Ergebnissen aufgebaut“, sagt Richter. Starten wird das Omegahab B-1 in Kasachstan, von dem Weltraumbahnhof Baikonur. Insgesamt soll die Reise des Aquariums dreißig Tage dauern – am Pfingstsonntag ist die Rückkehr geplant. Dann werden sich mehrere Forscherteams an die Auswertung der gesammelten Daten machen.

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