Franke vor Gericht: Krebspatienten über den Tisch gezogen

11.5.2019, 19:39 Uhr
Verpixeltes Foto einer kleinen Pappschachtel: So wurde Rerum auf der Handelsplattform Rakuten vertrieben. 529 Euro kosteten drei Milliliter des dubiosen Mittels. Mittlerweile ist es online nicht mehr erhältlich.

Verpixeltes Foto einer kleinen Pappschachtel: So wurde Rerum auf der Handelsplattform Rakuten vertrieben. 529 Euro kosteten drei Milliliter des dubiosen Mittels. Mittlerweile ist es online nicht mehr erhältlich.

Seit April vergangenen Jahres sitzt der Inhaber einer Pharma-Firma mit Sitz in Altdorf in Untersuchungshaft. Jahrelang hat der 63-Jährige, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, Krebspatienten ein unwirksames Mittel gegen ihre Krankheit verkauft. Dabei soll der Volkswirt und Philosoph mit Doktortitel über zwei Millionen Euro kassiert haben.

Nicht für Mensch und Tier bestimmt

Geringer Einsatz - riesiger Gewinn: Der Altdorfer kaufte Phiolen mit Ölsäure, Vitamin D und aus Knorpelgewebe gewonnenes Chondroitinsulfat für sieben Euro pro Fläschchen. Die Lieferfirma hatte die Sendungen immer mit dem Hinweis deklariert: "Nicht für die Anwendung an Mensch oder Tier bestimmt."

Die Deklarierung ließ Manfred Störner (Name geändert) in seiner Firma verschwinden und verkaufte die Fläschchen mit dem vermeintlichen Wundermittel unter dem Namen Rerum. Die Phiolen versah er mit einem willkürlichen Mindesthaltbarkeitsdatum, außerdem packte Störner Spritzen und Adapter für die Einnahme hinzu. Daneben vertrieb der Angeklagte online eine Reihe von Nahrungsergänzungsmitteln, die über seine Website zu bestellen waren.

Nur Fischöl und Vitamin D

Das aus Fischöl und Vitamin D bestehende Rerum verkaufte Störner für 302 Euro pro Phiole. Der Online-Shop Rakuten bot das Mittel zeitweise sogar für 529 Euro pro Drei-Milliliter-Fläschchen an. Inzwischen ist es bei Rakuten nicht mehr erhältlich.

Die Staatsanwaltschft fordert jetzt die Einziehung des durch den Betrug verdienten Geldes aus dem Vermögen des Volkswirts. Staatsanwalt Philipp Engl sprach in seinem Plädoyer von Scharlatanerie, mit der Störner seine Millionen verdient hat.

Eigene Mutter benutzt

Er könne Krebs heilen, versprach der Altdorfer, warb sogar mit der Behandlung der eigenen Mutter, der er Rerum ins Knie gespritzt und damit von ihren Schmerzen befreit habe. Während der 63-Jährige sein Rerum als Wundermittel darstellte, spricht die Staatsanwaltschaft von einem "bedenklichen Arzneimittel" nach dem Arzneimittelgesetz.

Dem hält Sandra Rothschild, die Verteidigerin des Altdorfers, entgegen, dass ihr Mandant mit Rerum gar keine Arznei, sondern lediglich ein Nahrungsergänzungsmittel verkauft habe.

Fernseh-Moderatorin unter den Kunden

Die zusammen gemixten Inhaltsstoffe von Rerum wurden früher als GcMAF von der Firma Immuno Biotech mit Sitz auf der Insel Guernsey vertrieben und beworben. Gekauft haben das dubiose Mittel in der Mehrzahl Krebspatienten im Endstadium ihrer Krankheit, darunter auch die im Juli 2016 verstorbene Fernsehmoderatorin Miriam Pielhau. Die Süddeutsche Zeitung hatte über den Fall berichtet, aber nicht in Erfahrung bringen können, von wem Pielhau das Mittel erwarb.

"Sie bat Freunde, nicht zu fragen, weil sie wusste, dass GcMAF in Deutschland nicht zugelassen ist“, schreibt die SZ. Im Sommer 2016 entschied sich Pielhau gegen eine weitere Chemotherapie und nahm stattdessen die Mixtur. Drei Wochen später war sie tot. Seit April 2017 warnt das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen ausdrücklich vor GcMAF und diversen Nachfolgemitteln, darunter auch das von Störner vertriebene Rerum. Der Prozess gegen ihn geht am Montag mit dem Plädoyer seiner Verteidigerin weiter. Staatsanwalt Engl fordert fünf Jahre Haft.

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