Frisch und gut: Essen an Erlanger Schule wurde zum Hit
15.1.2019, 11:00 UhrPommes? Sie stehen auf jedem Wunschzettel. Pommes gehören zum Lieblingsessen von Kindern. Die in Fett frittierten Kartoffelstäbchen sind beliebt. Aber es nützt alles nichts: "Pommes gab’s hier noch nie", sagt Ben Classen. Überhaupt keine frittierten Speisen. Da ist der sonst so sanftmütig wirkende Koch streng. Und fügt dann hinzu: "Auf diesen Wunsch wird vielleicht irgendwann mal eingegangen werden — dann, wenn wir hier Pommes selber machen können."
Ben Classen ist Koch aus Überzeugung und Leidenschaft. Seit drei Jahren kocht er gemeinsam mit einem Mitarbeiterteam — mehreren jungen Menschen mit Behinderung — im Christian-Ernst-Gymnasium (CEG).
Vor viereinhalb Jahren haben die Schule und der gemeinnützige Erlanger Integrationsdienst Access eine Kooperation gestartet. Damals wurde mit einem Angebot von Sandwiches und Ähnlichem die Mensa neu belebt, nachdem zuvor zunächst ein Caterer abgesprungen war und danach der benachbarte Frankenhof samt seiner von der Schule genutzten Kantine dicht gemacht hatte. Vor drei Jahren stieg Access dann mit warmem Essen ein.
Das Essen wird in der Küche neben der Mensa gekocht. Damit ist das CEG die einzige öffentliche Schule in Erlangen, in der das Essen jeden Tag komplett frisch direkt vor Ort zubereitet wird. "Wir haben von vornherein auf einen guten Koch gesetzt", sagt Geschäftsführer Karl-Heinz Miederer. Das war dann Ben Classen. In einer Schule hatte er zuvor noch nicht gekocht. Aber in verschiedenen Restaurants. Im österreichischen Parlament. Und im Marriott Hotel Wien.
Andere Wertschätzung
Jetzt steht er für Access täglich im CEG am Herd. Und sagt, dass er sich hier ganz besonders wohl fühlt. Denn er bekomme eine ganz andere Wertschätzung als jemals zuvor. Ein Beispiel? Karl-Heinz Miederer weiß sofort eines: "Kürzlich hat ihn eine Schülerin gefragt, wie lange machst du das an der Schule schon. Und als sie erfuhr, dass dies erst seit wenigen Jahren der Fall ist, hat sie gesagt: Dann bin ich froh, dass ich jetzt erst eingeschult worden bin."
Jenseits solcher Anekdoten sprechen allein schon die Zahlen für sich. Angefangen hatte man mit 30 Portionen pro Tag. "Unser Wunsch war es, dass es irgendwann 100 Essen sein werden", sagt Karl-Heinz Miederer. Er war skeptisch, dass dies erreicht werden könnte. Inzwischen sind es über 100 Essen am Tag. An manchen Tagen gehen schon mal 160 Essen über die Theke. Dann, wenn es Kaiserschmarrn gibt — zum Beispiel. "Da fahren die Schüler und die Lehrer voll drauf ab", sagt Ben Classen.
Eine solch hohe Nachfrage ist keine Selbstverständlichkeit. CEG-Direktor Thomas Kellner weiß, dass eine Schulmensa "kein Selbstläufer" ist. "Die Zahlen der Schüler, die bei uns essen, sind deutlich gestiegen", sagt er, und das trotz Innenstadtlage, die insbesondere die älteren Schülerinnen und Schüler geradezu einlädt, sich anderweitig zu verköstigen. Längst hat es sich aber herumgesprochen, dass es in der eigenen Mensa ein verführerisches Angebot gibt. "Heute zum Beispiel", sagt Ben Classen, "waren auch Elftklässler hier." Wegen der Zucchini-Paprika-Röllchen mit Schafskäse.
"Wir unterstützen gern neben der Inklusion auch gutes Essen", sagt der Access-Geschäftsführer. "Wer gut isst, schätzt sich auch wert." Mit dieser Einstellung liegt er auf einer Linie mit Ben Classen. Der findet, dass der Staat generell Schulessen stärker finanziell unterstützen müsste.
Kreativität und Qualität
Und noch etwas stört ihn. "Mich als Koch regt es auf, dass in den Städten ein Laden nach dem anderen aufmacht, und alle sind irgendwie gleich, weil es sich um Franchise-Unternehmen handelt", sagt er. "Mir fehlt dabei das Kreative."
Die Qualität der Lebensmittel steht bei ihm ohnehin im Mittelpunkt. Geschmacksverstärker und Konservierungsmittel gehören nicht dazu. Es sei wichtig, den Kindern aufzuzeigen, "dass es gutes, ehrliches Essen gibt".
Das versucht er mit überwiegend regionalen Produkten, etwa Biokartoffeln aus Büchenbach, mit viel Gemüse, aber auch mit Gewürzen und Kräutern, und dann darf es schon mal exotisch sein. Zitronengras, Koriander, Kaffirblätter — "ich versuche, die Kinder in Berührung zu bringen mit Neuem", erklärt Ben Classen. Die Wertschätzung äußert sich auch darin, dass am Ende kaum etwas weggeworfen wird. "Wir machen kleinere Portionen", sagt der Koch. "Aber jeder darf so oft kommen und nachfassen, wie er will." So werden jüngere und ältere Schüler gleichermaßen satt.
4,50 Euro kostet ein Mittagessen.
Das entspricht in etwa dem, was es auch an den anderen Gymnasien kostet, wo das Essen von Caterern geliefert wird. Es ist ein hartes Geschäft, bei dem genau kalkuliert werden muss. Darüber ist sich auch Karl-Heinz Miederer im Klaren. "Finanziell macht es keinen Spaß", sagt er. "Wir sind froh, wenn wir mit Null rauskommen."
Team ist Teil der Schule
Doch um Gewinnmaximierung geht es in diesem Fall nicht. "Wir machen das aus anderen Gründen", sagt Miederer. Mit dem von der Stadt Erlangen subventionierten Inklusionsprojekt werden nicht nur Menschen mit Behinderung in ein Arbeitsverhältnis gebracht, es sei — so Miederer — damit gleichzeitig eine niederschwellige Begegnung zwischen Menschen mit und ohne Behinderung möglich. "Die Schüler nehmen das Team als selbstverständlichen Teil der Schule wahr."
Das erlebt auch Ben Classen so. Und wie kommt er als Koch mit seinem Team klar? Geht es nicht viel langsamer zu als in der professionellen Gastronomie? "Klar, es ist schon eine Herausforderung", sagt er. Denn seine Mitarbeiter seien keine gelernten Arbeitskräfte. Leute mit Lernschwäche zum Beispiel. Da ist es nötig, Arbeitsschritte nicht nur einmal zu erklären, sondern Dinge zu wiederholen. Aber das wird durch das Arbeitsklima mehr als entschädigt. "Es wird viel mehr gelacht", sagt Ben Classen. "Es herrscht nicht der Umgangston, den man aus der Gastro kennt."
Zum Team gehören auch zwei Schülermütter. Sie arbeiten ehrenamtlich in der Küche. Und einige Schüler helfen bei der Essensausgabe. Die Rückmeldung, dass es schmeckt, ist für alle das schönste Lob.
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