Wenn die Erde bebt
7.10.2010, 07:13 UhrWer schon einmal von Haidhof nach Thuisbrunn gewandert ist, dem ist sicher der Zaun mit dem Emblem des Bundesadlers aufgefallen. Und wer in diesen Tagen hier entlang läuft, dem werden auch die Bauarbeiten nicht entgehen, die hinter dem Zaun durchgeführt werden. Ab Montag wird der Instrumentenbunker baulich auf den neuesten Stand gebracht: Die zum Teil verschimmelte Holzkonstruktion wird durch einen massiven Betonbau ersetzt.
Im Gegensatz zur „Generalsanierung“ der äußeren Hülle wird das technische Innenleben der Messstation regelmäßig auf den neuesten Stand gebracht. „Mechanische Seismographen, die ihre Ergebnisse auf langen Papierrollen ausspucken, gibt es schon lange nicht mehr. Heutzutage werden die Daten digital übertragen“, erklärt Klaus Stammler. Der Physiker ist bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften in Hannover für das „Gräfenberg-Array“ genannte Messnetz zuständig.
Wellen lokalisieren
Dazu gehört nicht nur die zentrale Messstation in Haidhof, sondern noch zwölf weitere Punkte in einem Umkreis von 100 mal 50 Kilometer. Der nördlichste Messpunkt liegt bei Gößweinstein, der südlichste in der Nähe von Ingolstadt. Zu erkennen sind die Stationen für den Laien nicht. „Das sind nichts anderes als mit Metallplatten abgedeckte Löcher in der Landschaft“, sagt Klaus Stammler.
Ihr Innenleben ist indes weitaus interessanter – zumindest für die Wissenschaft. Immerhin kann nur durch das Stationsnetz die genaue Herkunft eines Erdbebensignals gemessen werden. „Durch den Zeitunterschied, mit dem das Signal die Messpunkte erreicht, können wir die Erschütterung lokalisieren“, erläutert der Wissenschaftler. Die Daten werden ausgewertet und gegebenenfalls als Gefahrenmeldung an übergeordnete Stellen wie die Regierung weitergeleitet.
„Wir sind da natürlich weltweit nicht die erste Adresse“, meint Stammler. Es gebe tausende Stationen, in denen seismologische Ereignisse aufgezeichnet werden. Gräfenberg leiste seinen Beitrag, denn nur ein globales Stationsnetz ermögliche eine genaue Erdbebenlokalisierung.
In den 80er Jahren war die Bedeutung des Standortes noch höher. Damals war das „Gräfenberg-Array“ weltweit das erste, in dem digitale Breitbandtechnik zum Einsatz kam. Während die anderen Stationen nur Erschütterungen in bestimmten Frequenzbereichen aufzeichnen konnten, wurden hier auf dem Breitband alle Ereignisse gleichstark gemessen, erläutert Klaus Stammler. Die Wissenschaftler konnten aus der größeren Anzahl an Signalen mehr Informationen ziehen.
Atomtests überwachen
In der Zeit des Kalten Krieges lag es daher auch nahe, nicht nur natürliche Erschütterungen zu messen, sondern auch solche, die durch Atomwaffentests ausgelöst wurden – auch in Haidhof. So haben zum Beispiel der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt und Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher laut einem Spiegel-Artikel aus dem Jahr 1983 wiederholt vor den Vereinten Nationen betont, dass das „Gräfenberg-Array“ zur Überwachung von Kernexplosionen zur Verfügung stehe.
Ob aus diesem Grund das amerikanische Pentagon in den 60er Jahren das Gebiet der Fränkischen Alb mit seiner Nähe zum damaligen Ostblock für den Aufbau eines „Seismic Research Observatory“ auswählte, kann Klaus Stammler nicht sagen. „Das war weit vor meiner Zeit“.
Ausschließen will er es nicht, wenngleich er anmerkt, dass die Region sich vor allem wegen ihrer geologischen Struktur zur Messung von Erdbeben eignet. Und genau das sollen die Instrumente im generalsanierten Haidhofer Bunker in Zukunft weiterhin tun.