Geschichte als Publikumsrenner
15.9.2008, 00:00 Uhr72 Jahre lang wohnt Erna Lewanski schon in Fürth, hat ihr ganzes Leben hier verbracht, im Schloss Burgfarrnbach aber war sie noch nie. Unglaublich, aber wahr. Die Südstädterin hat es nie in die Außenbezirke verschlagen. Am Tag des offenen Denkmals nutzt sie nun endlich die Gelegenheit, sich mit der Geschichte der Heimat vertraut zu machen.
«Eine Burg wie die Nürnberger haben wir ja nicht, aber dieses Bauwerk gefällt mir fast noch besser», resümiert sie nach einem Rundgang. Kulturpädagogin Ruth Kollinger hat eben durch die klassizistische Schlossanlage geführt und ihre Entstehung erläutert: Sie wurde zwischen 1830 und 1834 nach den Plänen des Königlich-Bayerischen Bauinspektors Leonhard Schmidtner erbaut.
Auch der Rest des Teams hat alle Hände voll zu tun, der Ansturm wird immer größer. Pressesprecherin Bettina Wiemer strahlt: «Ich komme auf etwa 4500 bis 5000 Besucher, das sind viel mehr als wir erhofft hatten.» Im Durchschnitt lockt ein Tag des offenen Denkmals rund 1000 Personen an. Dass es in Burgfarrnbach so viel mehr sind, mag am Sonnenschein liegen, am Dornröschenschlaf, in dem das Schloss lange Zeit versunken war, oder am reichhaltigen Programm - das Konzept geht jedenfalls auf.
Nur gut, dass die vielen Angebote auf verschiedene Örtlichkeiten verteilt sind, so kommt man sich nicht in die Quere. Denn mancherorts bilden sich Schlangen, in einige Räume ist kein Hineinkommen mehr. So unternimmt man derweil einfach etwas anderes, bis es wieder weitergeht.
Zum Beispiel einen Abstecher in die Meierei. Hier, im Haus vor der Brücke, die zum Schloss führt, lebte früher der Verwalter. Den freistehenden klassizistischen Quaderbau mit Mansarddach von 1816 kann man sonst nicht besichtigen. Heute führt das Architekturbüro Kuschel/Jost fachkundig hindurch. Auch die Schneiderhäuschen und die Remise sind wenig bekannt. Hier bietet die Soldatenkameradschaft 1871 Führungen an und bewirtet. Bei den Schneiderhäuschen hinter den Seitenflügeln des Hauptbaues handelt es sich um kubische kleine Pavillons und ein freistehendes barockes Gartenhaus mit abgeschrägten Ecken aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Da staunen selbst alteingesessene Burgfarrnbacher.
Im Marstall auf der rechten Seite befindet sich das Museum Frauenkultur, das eine Ausstellung über Schriftstellerinnen aus der Dritten Welt zeigt und ihre Techniken des Überlebens vorstellt. Wer hier jüngere Frauen oder Feministinnen vermutet, irrt sich. Es sind viele gestandene, ältere Damen gekommen, die besonders den Ansatz loben, den weiblichen Alltag sichtbar zu machen.
Die Blaublüter regieren dagegen im Festsaal. Hier referiert Adels-Experte Steffen Hinderer über die gräfliche Familie Pückler-Limpurg. Von Erbtöchtern, Sitzen im Reichstag, Ehen zwischen Cousin und Cousine sowie tragischen Lieben zu Bürgerlichen ist die Rede. Die Genealogie ist verästelt und kompliziert, Namensgleichheiten verwirren. Doch Hinderer behält den Überblick und sorgt mit eingeblendeten Bildern der Personen für Klarheit.
In den Räumen dahinter kann man «einmal residieren wie die Grafen», und zwar in Form einer Fotoaktion mit historischen Kostümen. Nathalie Rupp (14) lässt sich in einem langen weißen Romantik-Kleid ablichten und fühlt sich eher wie eine Braut, weniger wie eine Gräfin. Inge Kube hat aus Spaß ein feines bürgerliches Gewand um 1900 ausgewählt und wird in alte Zeiten zurückversetzt.
Auch die Kinder kommen mit einem eigenen Programm voll auf ihre Kosten. Sie können Ritter, Prinzessinnen und Kronen basteln, beim Vorlese-Marathon Schloss- und Gespenstergeschichten lauschen und vieles mehr. Das «Museum im Koffer» hat sogar «Gutenbergs Druckwerkstatt» im Gepäck. Lena (8) wird zum Lehrling. «Ich habe schon ein eigenes Plakat gedruckt», verkündet sie stolz und wagt sich gleich an ein T-Shirt.
Überhaupt funktioniert vieles nur dank der tatkräftigen Hilfe von Ehrenamtlichen, die ihre Kenntnisse zur Verfügung stellen. Allen voran Senioren aus dem benachbarten Wohnheim, die Kurse in altdeutscher Schrift durchführen, oder die Kalligrafie-Werkstatt für Kreative.
Im Landkreis hatte Kreisheimatpfleger Georg Lang Roßtal zum Schauplatz des Denkmaltages gewählt. Hier führte der Roßtaler Heimatforscher Thomas Liebert das Publikum auf dem archäologischen Rundweg. Roßtal hatte 954 eine der größten Burgenanlagen des Reiches.
Der Klostergarten wurde nach Originalvorlagen rekonstruiert. Im Museumshof sind Ausgrabungsfunde der archäologischen Sammlung zu sehen. Gezeigt wird auch das Skelett eines Säuglings und einer geköpften Frau. Im Roßtaler Museum (geöffnet jeden 1. Sonntag im Monat von 14 bis 17 Uhr) verdeutlicht derzeit eine Ausstellung die Geschichte der Strümpfe. Präsentiert werden viele Leihgaben aus Thalheim im Erzgebirge, der Partnerstadt von Roßtal. Dort begann die Strumpfwirkerei bereits 1730.