Gute Speisekarten sind Trumpf

Als der Gänsebraten noch 1,40 Mark kostete: Die vergessenen Wirtshäuser von Neustadt/Aisch

Harald Munzinger

22.9.2023, 05:55 Uhr
Dietrich Heber führt auch am Herbstfestsonntag gerne durch seine umfangreiche Doku im Beratungs-Center der Sparkasse.

© Harald Munzinger Dietrich Heber führt auch am Herbstfestsonntag gerne durch seine umfangreiche Doku im Beratungs-Center der Sparkasse.

Die Geschichte Neustadts hat er schon in über 40 Ausstellungen und etlichen Publikationen dargestellt, viele Ereignisse vor dem Vergessen bewahrt. Jetzt rundet der Hobby-Historiker Dietrich Heber diese Serie mit einem facettenreichen Blick auf die „Genuss-Stadt Neustadt a. d. Aisch“ und der Erkenntnis ab: „Gute (Speise-)Karten sind Trumpf.“ Als einen solchen wähnt Sparkassendirektor Gunther Frautz die Ausstellung auch für das Neustädter Herbstfest.

An diesem wird zu der „qualitativ hochwertigen Präsentation“ von 13 bis 17 Uhr in das Beratungs-Center der Sparkasse eingeladen, in dem Heber gerne Fragen zu Geschichte und Wandel der Gastronomie in der Kreisstadt beantwortet, was in der als „genussvoll“ angekündigten Ausstellung mit reichlich Bildmaterial und Speisekarten dokumentiert ist. Aus dem Fundus und ergänzenden Recherchen des Historien-Detektivs aus Dachsbach seien „erstaunliche Erkenntnisse zu Tage gekommen“, stellte Direktor Frautz bei der Vernissage fest, bei der neben dem Parkett auch der „Treppen-Rang“ von neugierigen Gästen so gut besetzt war, dass reges Interesse an der Ausstellung erwartet werden darf, die bis zum 12. Oktober während der Geschäftszeiten besichtigt werden kann.

Welches Thema er für das Herbstfest angehen sollte, sei ihm nicht leichtgefallen, ließ Dietrich Heber wissen. Schließlich hat er - „ Neustadt sehr verbunden“ - die Stadtgeschichte schon aus nahezu allen Perspektiven durchleuchtet, stieß aber nach seiner Schilderung beim tiefen Blick in seine Sammlung „auf die Idee, einmal die Gastronomie mit ihrer reichen Palette an Genüssen vorzustellen“. Zumal gerade zum Herbstfest eine „nicht alltägliche Ausstellung“ in einer Stadt entstehen sollte, in der man offensichtlich seit jeher gerne ausging und sich sowohl mit regionalen als auch exotischen Gerichten verwöhnen ließ.

„Tafelfreuden sind die zuverlässigsten“

Dietrich Heber vermochte bei seiner Einführung in die Ausstellung mit dem Blick in viele Speisekarten die Fantasie seines Publikums so anzuregen, dass wohl so manches Wasser im Mund zusammenlief, der Appetit so angerecht wurde, dass man gerne der Feststellung zustimmen mochte, dass „Tafelfreuden noch die zuverlässigsten“ seien. Wen sollte es da bei Hebers Ausflug durch die Gastronomie noch wundern, dass „seit jeher die leiblichen Genüsse in der Gunst hochstanden“. Wenn schon 1625 Hochzeitsgäste Hummer, Krebsschwänze und Ingwer, Hirschfilet und kostbarste Weine genießen sollten. Hochzeitsgäste genossen. Und etwa auch 1901 und 1902 im Gasthaus „Zur Sonne“ die Küche der gehobenen Klasse kredenzt wurde.

Schon bei deren Eröffnung stieß die Ausstellung über Neustadts Gastronomie im Wandel der Zeit auf reges Interesse, wurden vor allem die Speisekarten genau studiert. Foto: Harald Munzinger

Schon bei deren Eröffnung stieß die Ausstellung über Neustadts Gastronomie im Wandel der Zeit auf reges Interesse, wurden vor allem die Speisekarten genau studiert. Foto: Harald Munzinger © Harald Munzinger

Dass in vielen Neustädter Gasthöfen die traditionelle fränkische Küche bevorzugt wurde, fand Heber in deren Speisekarten mit Schweinebraten und Knöchle, Sauerbraten und Gulasch oder Nieren und Karpfen belegt. Da Speisekarten eigentlich nur „für den Augenblick“, also den Tag des Angebotes erstellt und in der Regel danach vernichtet würden, bewertete sie Dietrich Heber als „kleine Raritäten, wenn sie überliefert werden, die aber unendlich aufschlussreich sind“. Das sollte auch beim Blick auf die Preise gelten, wenn etwa 1925 in der Bahnhofsgaststätte als teuerste Speise „ein viertel Gänsebraten“ 1,40 Mark kostete, es drei verschiedene Preiskategorien gab, die letzte für das Personal.

Viele Erinnerungen geweckt

Nach seinem sehr ausführlichen Exkurs vertieften sich die Gäste bei feinen Häppchen und erfrischenden Getränken in die Dokumente und tauschten munter Erinnerungen an Gaststätten wie den „Löwen“ oder „Roten Adler“ nicht nur über deren Küche, sondern auch über unvergessene Bälle, Narrensitzungen oder andere Events in fröhlichen Runden aus. Da kamen auch „Der Goldene Engel“, die „Krone“, der „Struwwelpeter“, „Kress‘n Hanni“ oder „Ficht’n Pinus“, der Schildknecht oder manch anderer von der Neustädter „Wirthauskarte“ verschwundener Name ins Gespräch, wurde durchaus auch manch ein Wandel und die heute vielfältige internationale Küche durchaus positiv beurteilt.

Gastgeber Gunther Frautz sieht mit der Ausstellung „interessante Hintergründe der Gastronomie als Teil der Neustädter Geschichte eröffnet“ und wähnte „die Vergangenheit als Sprungbrett in die Gegenwart“. Am Herbstfest-Sonntag kündigte er für die kleinen Besucher wieder Originelles mit dem Ballonzauberer an. Und die „Galerie in der Sparkasse“ lohnt mit der Werkschau der anwesenden Künstlerin Irmgard Peetz-Hahn ebenfalls einen Besuch.

Keine Kommentare