Kein Job für Jammerlappen!
24.2.2009, 00:00 UhrDass aber Nürnberg am Rande des Ruins stand und schließlich kaiserliche Hilfe gegen den Raubritter in Anspruch nahm, weiß längst nicht jeder. Das erklärte uns erst der Regensburger Historiker Reinhard Seyboth bei seinem Vortrag im Fabersaal. So mussten die drei Patrizier Willibald Pirckheimer, Konrad Imhoff und Leonhard Groland im Mai 1512 sich auf den weiten Weg nach Trier machen. Dort tagte nämlich der Reichstag unter Kaiser Maximilian dem Ersten. Dort brachten die drei Nürnberger die Anliegen der Stadt vor, dazu noch die Bitten und Anfragen weiterer Kleinstädte der Umgebung, die sich keinen Gesandten leisten konnten. Sie antichambrierten, schmeichelten, putzten Klinken – und sperrten vor allem ihre Ohren auf.
Nach drei Monaten durften Pirckheimer und Imhoff endlich nach Hause. Allein Leonhard Groland ersuchte der Rat um die «Notdurft, dich dort noch länger zu gebrauchen». Da half kein Bitten und kein Zetern, Groland musste in Trier Nürnbergs Sache vertreten, auch wenn die Geschäfte der Lenkung ihres Meisters bedurften. Denn ein Nürnberger Patrizier ist zuerst seiner Heimatstadt verpflichtet und dann erst dem Eigenwohl.
Die Teilnahme an den Reichstagen war für alle Beteiligten kein Zuckerschlecken. Eine Nichtteilnahme kam gar nicht in Frage, denn erstens hatte Nürnberg als Hätschelkind der Herrscher seinen guten Ruf zu verlieren, und zweitens ging es – damals wie heute – um Information und Kommunikation. Denn die Reichstage boten eine unerschöpfliche Klatsch- und Tratschbörse, die jedem geschickten Zuhörer und Nachfrager den entscheidenden Schritt voraus vor der Konkurrenz sicherte.
Mit falschen Briefen wurden die Feinde verwirrt
Diese Informationssicherung sowie die angemessene Repräsentation war allerdings teuer erkauft. Denn die Patrizier reisten keineswegs alleine. Bis zu sechs Gesandte schickte die Stadt zu den Reichstagen in Köln, Augsburg, Trier oder Worms. Und diese begleiteten eigene Köche, Pferdeknechte, Pfeifer und Trompeter, und – falls der böse Markgraf von Ansbach den Fehdehandschuh schüttelte – bis zu 120 bewaffnete Reiter.
Noch bedeutsamer waren allerdings die Boten, die zwischen Nürnberg und der aktuellen Reichstagsstadt hin- und hergaloppierten. Die Gesandten referierten den Stand der Dinge, baten den Rat um Rat oder um die Erlaubnis, diese oder jene «Verehrung» an diesen oder jenen Entscheidungsträger zu verabreichen. Schmiergeld? Ach wo, das sei ferne! Aber Schmiermittel haben noch nie geschadet.
Um bei heiklen Briefen auf Nummer Sicher zu gehen, griffen Rat und Gesandte zu unorthodoxen Mitteln. So ritten gleich zwei Boten mit demselben Brief, aber auf verschiedenen Wegen. Falls ein Bote in Feindeshand fiel, rückte er nach symbolischem Widerstand ein unbedeutendes Schreiben heraus, derweil er den eigentlichen Brief im Mantel eingenäht trug. Und selbst dieser Brief war in besonders heiklen Fällen noch verschlüsselt.
Ein streng verwahrtes «Vokabularium» voller Tiernamen lieferte hierbei den Aufschluss: So lautete das Codewort für den Stadtrat «Kranich». Ein «Sperber» saß auf dem Kaiserthron, in Rom schüttelte der Papst als «Esche» bedenklich sein Laub und der eingebildete Markgraf Albrecht von Brandenburg war – ein «Pfau»! All das kostete ein Heidengeld, das oft genug die Reisekasse des Stadtrats überforderte. Reichte das Barvermögen der Gesandten nicht aus, so mussten sie eben an Ort und Stelle sich Geld vorstrecken lassen. Summen, die die Stadt Nürnberg an den Geldgeber pflichtschuldig zurückzahlte.
Eines muss man den Patriziern lassen, so Reinhard Seyboth: Sie waren keine Jammerlappen oder Weicheier. Ihre Briefe und Rekapitulationen an den Rat waren stets klar strukturiert und mit gewählten Worten formuliert. Von persönlichen Wehwehchen keine Spur. Dagegen jammerte der Gesandte von Straßburg, er sei «von den schwarzen Blattern befallen». Über noch ärgere Unbill klagt der Frankfurter Gesandte: 14 Tage habe er «aufgrund einer tödlichen Krankheit» das Bett gehütet.
Die Nürnberger Gesandten Pirckheimer, Imhoff, Volckamer , Groland, Holzschuher, Muffel, Tetzel und Nützel hingegen erfüllten klaglos ihre Pflicht, wie das Gesetz es befahl. Als Kaufleute, Patrizier und Gelehrte erfüllten sie obendrein ihre Pflicht als Diplomaten. Sie bewiesen, laut Reinhard Seyboth, «Multifunktionalität auf hohem Niveau». Damit ist ihnen ein Ehrenplatz in der Geschichte sicher.
Keine Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen