Neue Runde, neuer Spaß: "Socialmatch" bringt Menschen zusammen

21.6.2015, 15:20 Uhr
Am Anfang kennt sich niemand. Je später der Abend, desto lustiger und entspannter wird die Runde bei "Socialmatch". Mitmachen kann jeder, vom 20-jährigen Single bis zum 55-jährigen Ehepaar.

© Eduard Weigert/Bearbeitung: Bernd Tischendorf Am Anfang kennt sich niemand. Je später der Abend, desto lustiger und entspannter wird die Runde bei "Socialmatch". Mitmachen kann jeder, vom 20-jährigen Single bis zum 55-jährigen Ehepaar.

Wie das jetzt für Außenstehende aussieht, was wir gerade machen, will ich eigentlich lieber gar nicht wissen. Fünf Menschen stehen um einen Tisch herum. Auf dem Tisch befindet sich eine Art Spielteppich, der ein bisschen an Monopoly erinnert. Die fünf Menschen stehen alle auf dem linken Bein. Wackelig. Lachend. Sichtlich bester Laune. Sie sind Teilnehmer einer Veranstaltung namens „Socialmatch“. Die trägt den Untertitel: „Spielend neue Leute kennenlernen“. Und genau das tun wir. Spielen, uns kennenlernen und, so die Intention der Erfinder, bestenfalls Kontakte mit Bestand knüpfen.

„Mein Kumpel Patrick Kuhlmann war Ende 2014 frisch nach Berlin gezogen“, erzählt Valentin, Pädagoge, Kulturwissenschaftler und aus beruflichen Gründen lieber ohne Nachname. Er ist derjenige, der gemeinsam mit vorgenanntem Kumpel das „Socialmatch“ ins Leben gerufen hat. Denn Patrick Kuhlmann kannte kaum jemanden, Silvester sollte aber doch gefeiert werden, und dann kamen die Gäste auf die Idee, Gesellschaftsspiele aus dem Regal zu holen. „Tabu“ gab es, „Wer bin ich?“ — und am Ende die Erkenntnis, „dass das Kennenlernen durch die Spiele total leicht ging“. Dass das also etwas sein könnte, was heutzutage funktionieren sollte, dachten sich Valentin und Patrick. Wo doch immer öfter größtmögliche Mobilität und Flexibilität gefordert wird, wo es Usus ist, die Heimatstadt zum Studieren zu verlassen, dann wieder Umzug zum Arbeiten, und wenn der Chef sagt: „Spring!“, dann springt man eben weiter.

So ging es auch Valentin, als er nach Nürnberg zurückkam nach dem Studium, niemanden mehr kannte und feststellen musste, „dass es in unserem Alter gar nicht so leicht ist, Kontakte zu knüpfen, wenn man nicht rein auf Dating aus ist“, berichtet der 28-Jährige.

Lockere Stimmung in der Gruppe

So ähnlich geht es Marc (34), der war elf Jahre weg aus Nürnberg und ist jetzt wieder da und alles ist anders. So ähnlich geht es Wolfgang (35), der zum Arbeiten hierhergekommen ist und nur die Arbeitskollegen kennt bislang. Bei Sarah ist es andersrum, sagt sie, ihre Freunde sind weggezogen oder haben Kinder bekommen, das dünnt auch aus. So ganz anders geht es Vandetta (34), die hat eigentlich, sagt sie, genug Freunde, aber immer Lust auf was Neues, und da wollte sie das mal ausprobieren mit diesem „Socialmatch“. So geht’s mir auch. Erwartungen? Keine. Und um das Ergebnis vorwegzunehmen: Spaß? Großer! Was im Sinne des Erfinders sein dürfte, findet Matthias Klemm, Soziologe an der Uni Erlangen mit Fachbereich Kultur und Kommunikation. „Im Gegensatz zur Verbindlichkeit eines Zweiertreffens, wie das bei den meisten Dating-Apps beispielsweise Usus ist, besteht hier die Möglichkeit, sich unverbindlich kennenzulernen, ohne besonders hohe Erwartungen an die anderen Teilnehmer aufgebaut haben zu können. Das steigert die Bereitschaft und entspannt beim Spiel.“

Tatsächlich ist die Stimmung von Anfang an locker, findet sich die Gruppe schnell zusammen. Sie hat ja aber auch einen gemeinsamen Nenner: dieses Spiel, das Valentin und Patrick ersonnen haben, eine Mischung aus verschiedensten Spielen, die man so kennt, „da haben wir uns einfach jeweils das Beste rausgepickt“, verrät er gut gelaunt, mit eigenen Ideen gefüttert, fertig.

Wir bekommen alle eine Figur, wir würfeln reihum, und je nachdem, auf welchem Feld wir landen, machen wir Dinge. Alleine, in Teams oder als ganze Gruppe.

Das Spiel ist eine Mixtur diverser Gesellschaftsspiel-Klassiker wie "Tabu!", "Trivial Pursuit" oder "Therapy", angereichert mit neuen Ideen.

Das Spiel ist eine Mixtur diverser Gesellschaftsspiel-Klassiker wie "Tabu!", "Trivial Pursuit" oder "Therapy", angereichert mit neuen Ideen. © Eduard Weigert

Valentin hat viele Stapel vor sich liegen, ist der Spielleiter, der uns lenkt und leitet und Gespräche, die sich entwickeln, laufen lässt, oder wenn’s mal stolpert, eingreift. Das ist super.

Keine Zeit für Langeweile

Es stolpert eigentlich nie. Weil wir dauernd beschäftigt sind. Sekundär damit, die erforderliche Punktzahl zum (symbolischen) Sieg zu erreichen. Primär damit, Wissensfragen zu beantworten, uns gegenseitig einzuschätzen, was unter Umständen heikel anmutet — wie bei der Frage: „Von welchem Teilnehmer glaubt ihr, dass er sich selbst am attraktivsten findet?“. Dann schreiben wir verdeckt Zettel und Valentin verkündet das Ergebnis. „Es geht doch darum, sich gegenseitig möglichst schnell kennenzulernen, und deswegen auch darum, mögliche falsche Bilder schnell revidieren zu können“, sagt er.

Und aus allem wächst ein Gesprächsthema. Das später, wenn man sich vielleicht noch mal trifft, wieder zum nächsten Anknüpfungspunkt wird, man hat ja schließlich schon was erlebt zusammen. Wie: sich auf den Schoß einer Fremden setzen müssen, wie ich für eine ganze Runde. Wie: den Ellenbogen eines Fremden anhimmeln, wie Sarah den von Marc. Wie: einem fremden Gast ein Kompliment machen, wie Vandetta. Wie: keine Lust haben, sich von einem Fremden am Bein berühren zu lassen, wie Wolfgang von Marc, das möchte er nicht. Das ist okay. Alles kann, nichts muss, zu sehen, wessen Grenzen wie gesteckt sind, ist ja auch schon irre persönlich.

Wir werden alle immer lustiger, offener, mutiger, entspannter. Für Langeweile ist gar keine Zeit. Klar könnten wir tindern, klar könnten wir „vorselektieren per digitaler Interessensgruppen“, wie Matthias Klemm das nennt. Das will hier aber offenkundig niemand.

Eine „Rück-zu-Bewegung“ sieht der Soziologe im Erfolg von „Socialmatch“ nicht, sondern eine „Intensivierung der Verschränkung der digitalen und gegenständlichen Welt“. Später wird halt doch gewhatsappt, sich in einer Facebook-Gruppe organisiert. Vielleicht, wenn man mag. 120 Teilnehmer hatten bis Anfang Mai das Angebot in mittlerweile neun Städten genutzt. Anmelden, 20 Euro Teilnahmegebühr bezahlen, zu Datum und Uhrzeit noch die Kneipe genannt bekommen. Loslegen. Bis zu zehn Teilnehmer pro Abend können mitmachen, das Verhältnis Männlein-Weiblein reguliert das Buchungssystem von alleine.

Mitmachen kann jeder

Mitmachen, sagt Valentin, kann jeder. Singles oder Paare, Menschen, die einsam sind, oder solche, die „einfach nur Abwechslung und Spaß haben wollen für rund drei Stunden“. Wir machen vier draus. Wegen Riesenspaß. Ein Kopf-an-Kopf-Rennen im Spiel. Das ich, pardon, gewinne. Ätsch! Erst dann lass ich die Hosen runter, hallo also, es ist so, ich komme von den Nürnberger Nachrichten und wollte mal gucken, was hier so passiert. Niemand ist böse. Der Abend war super. Ich bekomme eine Siegesmelone. Die anderen Handynummern. Ich glaub, ich mach das noch mal.

Mehr Infos unter: www.socialmatch.de.

 

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