Kulturkirche eröffnet
Von Metalkonzert bis Meditation: Die Kirche in Gostenhof wird ab heute zur Event-Location
4.10.2024, 14:17 UhrBaugerüste türmen sich im Bereich des Altars, es riecht nach frischem Holz. Im Hintergrund hört man Baumaschinen lärmen und aus der Orgel kommen mal schiefe, mal wenige schiefe Töne – sie wird gerade neu gestimmt, nachdem sie, wie rund alle 20 Jahre, gründlich entstaubt wurde. Der ehemalige Pfarrer der Gemeinde, Peter Bielmeier, empfängt mich Anfang September gemeinsam mit Anja Fuchs, die seit nunmehr einem Jahr geschäftsführenden Pfarrerin der Dreieinigkeitskirche in Nürnberg-Gostenhof und Seeleinsbühl-Leyh ist.
Reguläre Konzerte in der Gostenhofer Kirche sind nichts Neues. Das zeigt ein Blick auf die Website der Gemeinde und auch Peter Bielmeier selbst schwelgt in Erinnerungen an Konzerte mit AC/DC-Covern, die nicht davor zurückschreckten, Klassiker wie "Highway to Hell" in den heiligen Hallen der Kirche anzustimmen. "Die Dreieinigkeitskirche hat schon lange den Ruf einer lebendigen Konzertkirche", erklärt Bielmeier. Doch am allgemeinen Rückgang der Kirchenbesucher und Mitglieder konnte auch dieser Ruf nichts ändern. Als dann 2015 eine generelle Überholung der Installationen im Raum stand, die bereits 200.000 Euro verschlungen hätte, kam der Gedanke "Dann machen wir gleich was Großes", erinnert sich der ehemalige Pfarrer.
Bielmeier kündigt daraufhin in einem Schreiben im Jahr 2016 an: "Durch den Rückgang der Gottesdienstbesucher (...) auf teilweise unter 20 Besucher (…) möchte die Dreieinigkeitskirche eine Umgestaltung des Innenraums der Kirche vornehmen." Gesagt, getan – und aus 200.000 Euro wurden inzwischen rund 5 Millionen Euro. Die Hälfte davon finanziert die Kirchengemeinde selbst, die andere Hälfte wird von der Landeskirche und dem Dekanat Nürnberg getragen. Um den Anteil von zweieinhalb Millionen Euro stemmen zu können, hat die Gemeinde das alte Pfarrhaus in der Fürther Straße verkauft.
Die Umgestaltung der Kirche sollte nicht nur optischer Natur sein, sondern das Konzept Kirche neu denken. So werden hier in Zukunft nicht nur Gottesdienste, sondern auch Konzerte, Theatervorstellungen, Lesungen und verschiedene Events stattfinden. Damit will man an den Ruf als Konzertkirche anknüpfen. So wurde nach intensiver Planung und Vorbereitung ab August 2022 die Dreieinigkeitskirche in die Kulturkirche Gostenhof umgebaut. Die Kirche soll als solche, sowohl von Außen als auch von Innen, erhalten und erkennbar bleiben und der Gemeinde als Gotteshaus dienen, doch gleichzeitig vielseitig nutzbar sein. So das erklärte Ziel des Konzepts.
Vieles altes ist geblieben, vieles modernes ist eingezogen
Die Orgel ist geblieben, genauso wie die Kanzel und der alte Taufstein, der künftig an einem neuen Ort zum Einsatz kommen wird, erklären Bielmeier und Fuchs bei unserem Rundgang. Hinzu kamen eine Fußbodenheizung, eine kleine Teeküche, die bei Events auch als Ausschank dienen kann, neue Sanitäranlagen und eine neue Empore. Diese ist niedriger als die alte – vorher konnte man von dort aus nur die Kanzel sehen – nun hat man von der linken Seite des Kirchenschiffs einen Überblick über den gesamten Innenraum. Unter der Empore ist ein Lagerraum für Stühle und Mobiliar, aus dem die Kulturkirche passend zu jedem Event individuell ausgestattet werden kann. Für Events mit maximal 500 Personen ist die Kulturkirche zugelassen.
Großes Thema beim Umbau: Der Denkmalschutz
"Der Denkmalschutz wurde schon von Anfang an in der Planung berücksichtigt, man hat deshalb einiges ändern oder neu aufnehmen müssen", erzählt Bielmeier. Als ein Beispiel dafür nennt er die Farbgebung: "Die war ziemlich eingeschränkt. Das heißt wir konnten nicht machen, was wir wollten, sondern wir mussten bestimmte Töne des Sandsteins übernehmen. Da kam auch der Denkmalschutz und hat sich die Farbpalette angesehen und gesagt, welche zwei oder drei Farben wir nehmen dürfen". Immerhin bei einer Kunstinstallation durften sie sich gestalterisch austoben: Drei abstrakte, bunte Figuren hängen künftig über dem Altar – sie sollen die Dreieinigkeit symbolisieren.
Herzstück der Kulturkirche ist die neue Licht- und Soundanlage. Die Scheinwerfer sind bereits installiert, auf den ersten Blick kaum wahrnehmbar und das ist Absicht, erklärt Bielmeier. "Wir wollten keine Traversen, die von der Decke hängen." Die neue Lichtanlage, die direkt unter dem Kirchendach an Bögen befestigt ist, kann bei Bedarf bis zum Boden herabgelassen werden, zum Beispiel für Kunstausstellungen. Zusätzlich wird in den nächsten Wochen noch eine hochmoderne Soundanlage verbaut und die gesamte Kirche mit einzeln steuerbaren Lautsprechern bestückt. Ein stationäres Mischpult wie in vielen Konzertlocations wird es nicht geben, die Tontechniker können den Sound von überall aus über ein Tablet steuern.
Man ist offen für vieles, aber nicht für alles
Von Feiern über Lesungen, Ausstellungen, über Meditation, Yoga und Konzerten - sogar ein Heavy-Metal-Konzert im November 2025 ist bereits in Planung, sei man grundsätzlich für alles offen, doch es gibt Grenzen. "Wir öffnen uns in den Stadtteil und laden Nachbarn und Nachbarinnen ein. Da haben viele ganz unterschiedliche religiöse Hintergründe. Den werden wir nicht abfragen, aber wir werden natürlich darauf achten, dass hier nichts Menschenfeindliches stattfinden wird oder etwas, was gegen Gott und die Kirche spricht", so Pfarrerin Anja Fuchs. Ein Gremium entscheidet letztlich darüber, welcher Veranstalter mit seiner Idee die Kirche nutzen darf. Das Gremium besteht aus Mitgliedern des Kirchenvorstands und Herrn Bielmeier als Kulturmanager.
"Im Kirchenvorstand der Dreieinigkeitskirche haben wir ein paar No-Gos schonmal benannt: Also zum Beispiel Karnevals- oder Faschingsfeste sollen hier nicht sein, auch keine Disco-Veranstaltungen über Mitternacht hinaus, bei denen man viel Alkohol ausschenkt oder dergleichen." Auch für Veranstaltungen mit politischem Hintergrund gibt es strikte Regeln: "Hier werden keine Nazi-Veranstaltungen stattfinden, das betrifft auch beispielsweise die AfD. Vier bis sechs Wochen vor Wahlen darf die Kulturkirche gar nicht an politische Parteien vermietet werden", erklärt Bielmeier.
Schon vor der Eröffnung ein voller Terminkalender
Am 4. Oktober wird Eröffnung in der Nürnberger Kulturkirche gefeiert, direkt am nächsten Tag wird mit den Jazzmusikern von KJ Ross & The End of Days Ensemble "Hammond Doomsday" die neue Soundanlage standesgemäß mit einem Konzert eingeweiht. Für den Rest des Monats sind bereits sechs weitere Events geplant. Das komplette Programm ist auf der Website der Kulturkirche Goho zu finden.
Auf welche Veranstaltungen sich Fuchs und Bielmeier am meisten freuen und wen sie hier am liebsten einmal zu Gast hätten, möchte ich zum Abschluss unseres Gesprächs wissen. "Wenn wir Helene Fischer hierherholen würden, das wäre eine Sensation, wenn sie da zwischen den Dreieinigkeitsfiguren turnt!", scherzt die Pfarrerin. Bielmeier freut sich auf jedes Rock- oder Blueskonzert, auch deshalb, weil er da auf überraschte Leute trifft, die so etwas in einer Kirche noch nie gesehen haben und wegen eines Konzerts das erste Mal überhaupt die Kirche betreten. "Das freut mich jedes Mal".
Eine Kirche von dieser Welt
Doch die beiden machen sich auch keine Illusionen, was die Zukunft der aktiven Kirchenmitglieder angeht. Dass wegen Konzerten Menschen plötzlich zu Gott finden und (wieder) in die Kirche eintreten, können sie sich nicht vorstellen, das sei aber auch nicht Ziel des Ganzen. Langfristig sollen durch die Vermietung der Kirche an Veranstalter Einnahmen für die Gemeinde und auch für weiteren Ausbau der Kirche generiert werden. So sei die Kirche zwar barrierefrei und auch mit einer behindertengerechten Toilette ausgestattet, allerdings würde man gerne einen dauerhaft barrierefreien Zugang zur Kirche einbauen. Derzeit behilft man sich noch mit mobilen Rampen. Doch dafür fehlt derzeit schlichtweg das Geld. "Wir würden uns sehr über weitere Sponsoren freuen, die unsere Kulturkirche unterstützen", merken Bielmeier und Fuchs an.
Wer weiß, ob Umgestaltung und Öffnung nicht auch langfristig das Image der Kirche entstauben – parallel zur Orgel in der Dreieinigkeitskirche. "Jedenfalls zeigt es, dass unsere Kulturkirche von dieser Welt und nicht aus dem Jenseits ist", so Bielmeier.