Zarte Gefühle mit deutschen Untertiteln
25.4.2014, 00:00 UhrEin starkes Engagement zeichnet die Truppe aus, wie Tamara Schönrock vom Theater betont: „Wir wollen unserem Publikum ein Repertoire an Theaterstücken bieten. So haben wir ab Januar bereits drei Premieren gefeiert, im Laufe des Jahres kommen noch zwei weitere Inszenierungen hinzu.“
Es gibt zwei bis drei Aufführungen im Monat. Dieses Tempo zu halten, bedeutet für eine rund 20-köpfige Mannschaft vor allem viel zu arbeiten — und eine Menge zu organisieren. Schließlich handelt es sich beim Theater um ein ehrenamtliches Engagement.
Keine Sponsoren
„Das Eintrittsgeld fließt gleich in unsere nächsten Theaterprojekte. Wir sind eine freie Bühne, bis jetzt haben wir auch keine Sponsoren“, sagt Tamara Schönrock. Multitalente sind daher gefragt. Bühnenbild, Kostüme, Fotos — alles macht das Ensemble selbst. Die Schauspielerin Schönrock kümmert sich zum Beispiel beim Theater auch um die Öffentlichkeitsarbeit und Organisation von Auftritten und profitiert dabei von ihren Erfahrungen als gelernte Journalistin und Marketingexpertin.
Tätig ist die Russlanddeutsche aus der Ukraine im Moment in erster Linie als Theaterpädagogin. So wie sie gehen alle Theater-Mitglieder verschiedenen Berufen nach. Deren Anspruch an Professionalität schmälert es nicht. Einen großen Beitrag dazu leistet der Regisseur und Schriftsteller Boris Khmelnitski.
Er wurde an der russischen renommierten Theater-Akademie Wachtangow ausgebildet, arbeitete als Regisseur in Wladiwostok und St. Petersburg und bildete Schauspieler aus, bevor es ihn nach Nürnberg zog. Für Tamara Schönrock, die mit Khmelnitski und dem zweiten Theater-Regisseur Dimitri Wasserblaj von Anfang an dabei ist, sieht in ihm die zentrale Figur des Russischen Theaters: „Wir sind Glückspilze, weil wir so einen kolossalen Lehrer haben.“
Khmelnitski selbst, der für das Russische Theater bereits viele Stücke geschrieben hat, gibt sich unprätentiös: „Wir sind nicht besser als die anderen, aber anders. Wir haben unsere Sicht der Dinge und spielen als russische Schauspieler.“
Für russischsprachige Theaterliebhaber ist das Russische Theater Nürnberg längst ein Begriff. „Wir haben unser Publikum“, sagt Schönrock. „Aber natürlich würden wir uns freuen, wenn wir noch bekannter werden.“ Vor allem bei dem deutschsprachigen Publikum gibt es noch Potenzial. Dabei bemüht sich das Theater von seiner Gründung an, allen Theaterinteressierten — unabhängig von deren Herkunft — einen Zugang zu seiner Kunst zu verschaffen, und sieht sich auch als „Theater ohne Grenzen“.
Viele Jahre haben die Schauspieler die Stücke sowohl in russischer als auch in deutscher Sprache aufgeführt. Nun ist das Theater dazu übergegangen, einige Stücke in Russisch mit deutschen Untertiteln zu spielen. Das Experiment kam gut an, so Schönrock: „Unser deutsches Publikum war begeistert. Viele sagten, dass unsere Aufführungen so viel authentischer sind.“ Das Russische Theater probt meist im Loni-Übler-Haus, in diesem Kulturladen finden auch viele seiner Aufführungen statt. Auch an anderen Bühnen in Nürnberg, aber auch deutschlandweit und im Ausland — unter anderem auf Theaterfestivals — ist die Theatertruppe unterwegs. Demnächst gibt es eine doppelte Premiere für das Russische Theater. Im Loni-Übler-Haus wird am 23. Mai die „Stimme einer Frau“ nach Jean Cocteau uraufgeführt — zum ersten Mal wird das Theater dem Publikum ein Solospiel präsentieren. Zuerst nur in russischer Sprache, im Juli dann aber mit deutschen Untertiteln.
Lisa Schlosberg wird auf der Bühne stehen. Die junge Schauspielerin, die seit sechs Jahren dem Ensemble angehört, freut sich sehr darauf. Auf der Bühne empfindet sie „Adrenalin und ein Gefühl der Freude. Ein Gefühl, das ich nicht missen möchte.“ Für sie macht Theater einen wichtigen Teil ihres Lebens aus. Das gilt auch für andere ihrer Kollegen: „Theater ohne Grenzen ist mehr als Theater. Es ist eine Lebensphilosophie“ — so stellt sich das Russische Theater Nürnberg in einem Porträt vor.
Die nächsten Inszenierungen des Russischen Theaters Nürnberg:
Am Samstag, 26. April, um 19.30 Uhr im Loni-Übler-Haus (Marthastraße 60) und am Sonntag, 18. Mai, um 19.30 Uhr im Arti Schocken (im ehemaligen Kaufhof am Aufseßplatz, Landgrabenstraße 139): „Cherchez la Femme“ (mit deutschen Untertiteln) — Ein musikalischer Scherz nach dem Singstück von Boris Khmelnitski „Die zarten Gefühle“, inszeniert nach Einaktern von A. Tschechow. Mit Live-Begleitung vom Bossa Nogo-Quartett. Eintrittspreise: 10 Euro normal, 8 Euro ermäßigt; Information: 01 76/ 21767467; Reservierung: 0911/ 2059154.
Am Sonntag, 11. Mai, um 19 Uhr ebenfalls im Arti Schocken: „Mann und Frau“ (Inszenierung im Rahmen des Ost Anders-Festivals; mit deutschen Untertiteln) — Eine lyrische Komödie nach dem Stück von S. Zlotnikov.
Am Freitag, 23. Mai, um 19.30 Uhr im Loni-Übler-Haus (Marthastraße 60): „Stimme einer Frau“ (Uraufführung in russischer Sprache) — Solospiel nach Jean Cocteau. Ab Juli mit deutschen Untertiteln zu sehen.
Weitere Termine unter www.rustheater.de
Keine Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen