"Teufelsanbeterin" sprengt in Auernheim Andacht
02.01.2020, 06:04 UhrWenn sich die Auernheimer Kirchgänger von diesem Silvesterabend nicht noch in Jahren aufgeregt erzählen, müsste das schon mit dem Teufel zugehen. Das tut es allerdings tatsächlich irgendwie. Und mit Alkohol, viel Alkohol. Und mit einem geduldigen Pfarrer, der für den schrägen Vorfall offenbar mehr Gelassenheit und Humor mitbringt als Gemeinde, Polizei oder sonst wer.
"Eine amtsbekannte Neueinwohnerin von Auernheim störte den Gottesdienst derart, dass dieser unterbrochen werden musste." Was sich im Pressebericht der Treuchtlinger Polizei so nüchtern liest, schildert Ortspfarrer Rüdiger Schild auf die ihm eigene, augenzwinkernde Art. Eines allerdings vorweg: "Seit über 30 Jahren bin ich Pfarrer, aber das ist mir noch nicht passiert."

Nach dem Silvestergottesdienst in Windischhausen trifft Schild am Dienstagabend kurz vor halb sieben zum Gottesdienst in Auernheim ein. Schon vor der Georgskirche kommt die Mesnerin auf ihn zugelaufen und ruft: "Herr Pfarrer, ich bin angegriffen worden!" Eine betrunkene Frau habe sie attackiert, nur durch das beherzte Eingreifen zweier weiterer Gottesdienstbesucher habe sich die Situation beruhigen lassen. Die Angreiferin sitze nun in der ersten Kirchenbank und wolle "den Pfarrer sprechen".
"Sie glaube an den Teufel"
Der stellt sich dem Störenfried. "Die Frau war sturzbetrunken und hat mir zunächst erklärt, dass die Kirche ja öffentlich sei. Sie sei zwar noch nie in der Kirche gewesen, aber heute gehe sie hin", erinnert sich Rüdiger Schild. Doch dabei belässt es die Mittvierzigerin nicht, die, wie sich später herausstellt, auch an ihrem früheren Wohnort in Heidenheim schon mehrfach unangenehm aufgefallen ist. "Jesus sei ja nur eine Erfindung, hat sie mir gesagt", erzählt Schild. "Sie selbst sei katholisch, glaube aber an den Teufel."
Immer mehr redet sich die Frau in Rage. "Ich spucke auf Jesus! Ich spucke auf Euren Glauben!", wirft sie Pfarrer und Gemeinde an den Kopf. Und als ersterer noch diplomatisch versucht, sie aus dem Gotteshaus zu komplimentieren, droht sie: "Ich hau’ Dir gleich den Hut vom Kopf!"
"Ein Gemeindemitglied hatte zu diesem Zeitpunkt schon die Polizei gerufen, aber es hieß, die habe gerade einen Einsatz in Pappenheim und es könne etwas dauern, bis sie hier ist", berichtet Rüdiger Schild. Was also tun? "Ich habe dann einfach mit dem Gottesdienst begonnen, die Gemeinde wurde schon unruhig."
Pfarrer und Posaunisten verhöhnt
Die Geduld des Geistlichen zahlt sich jedoch nicht aus. "Ist Euch schon die Puste ausgegangen?", ätzt der ungebetene Gast nach dem Vorspiel des Posaunenchors. Die Frau denkt gar nicht daran, die Menschen ihre Andacht feiern zu lassen – und wenn man sie rauswerfe, "komme ich wieder". Pfarrer und Mesnerin gegenüber wird die Frau immer aggressiver und beleidigender – vor allem als sich Schild demonstrativ an die Gemeinde wendet: "Da sehen Sie, was der Alkohol aus einem Menschen machen kann." Es wird laut.
"Das war über weite Strecken Life-Kabarett, was da lief", blickt Rüdiger Schild kopfschüttelnd zurück. "Die Gemeinde war aber nicht so ruhig und vor allem viele ältere Gottesdienstbesucher waren schockiert."
Glücklicherweise trifft dann doch schon nach einer knappen Viertelstunde die Polizei ein. Von den Beamten lässt sich die selbsternannte "Teufelsanbeterin" widerstandslos nach draußen bringen – scheinbar weiß sie, was sie erwartet. Das sind immerhin zwei Strafanzeigen, eine wegen Beleidigung und eine wegen "Störung der Religionsausübung".
Ein seltener Straftatbestand
"Ich wusste bis dahin gar nicht, dass das eine Straftat ist", räumt Rüdiger Schild verwundert ein. Er selbst habe den peinlichen Auftritt der Störerin eher ruhig beobachtet, doch "der Gemeinde hat sie den Silvestergottesdienst ganz schön verdorben".
Ganz zu Ende ist die Geschichte damit freilich noch nicht. Denn seit dem Neujahrsmorgen erhält der Geistliche nun im Halbstundentakt Telefonanrufe von der Nummer der aggressiven "Kirchenkritikerin". Nimmt er ab, herrscht jedoch Schweigen. "Die Nummer wird jetzt auf den Anrufbeantworter weitergeleitet", hat Schild auch dafür eine Lösung gefunden.
Und wenn die Frau bei ihm persönlich auftauchen würde, vielleicht sogar, um sich zu entschuldigen? "Dann würde ich auch mit ihr reden", so der Pfarrer. Denn ein Hausverbot in Gottes Haus sei wirklich nur das allerletzte Mittel. Das hat lediglich einer: der, an den die unhöfliche Besucherin nach eigenen Worten glaubt
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