Kommt die konservative Revolution?

12.12.2016, 06:03 Uhr
Kommt die konservative Revolution?

© Jürgen Leykamm

Dorthin hatte der „Runde Tisch Weißenburg“ eingeladen, an dem sich Vertreter der verschiedenen Konfessionen wiederfinden. Jährlich greift er zum „Internationalen Tag der Menschenrechte“ ein aktuelles Thema in Form eines Vortrags auf. Wie schwer der Tanz auf dem schmalen Felsen sein kann, zeigte dabei auch der Titel des Buches der diesjährigen Referentin. Er nennt Vertreter des eingangs erwähnten Phänomens „Gefährliche Bürger“. Denn von ihnen gehe wirklich eine Gefahr aus, wie sie im Gespräch mit unserer Zeitung begründete.
Andererseits aber verwahrt sie sich gegenüber Stigmatisierungen als Stilmittel einer Szene, die sie anprangert und die mit ihnen einen wesentlichen Beitrag zum „Rechtsruck der Gesellschaft“ geleistet habe. Wenn etwa von der „Kanzlerdiktatorin“ gesprochen werde, die Deutschland „mit Flüchtlingen geflutet“ habe. Solche Äußerungen blieben nicht ohne Folgen.

So stimmten mittlerweile 34,7 Prozent der deutschen Bevölkerung dem Satz zu: „Durch die vielen Muslime hier fühle ich mich manchmal wie ein Fremder im eigenen Land“, zitierte die bekennende CSU-Wählerin eine Studie der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung. Sogar über 56 Prozent der Sachsen fürchteten sich vor Überfremdung. Solche Ängste bediene etwa der Verleger Götz Kubitschek, Aktivist der neurechten Szene. Er „hofft auf eine massive Krise, damit danach eine richtige Wende kommen kann“, ließ ihn Bednarz im Söller über Youtube auf Leinwand selbst zu Wort kommen.

In Artikeln von Alice Schwarzer, die in ihrer Zeitschrift „Emma“ von „blinder Fremdenliebe“ schrieb, fühle er sich geradezu bestätigt. Kubitschek selbst sehe sich allerdings nicht in der rechtsradikalen Ecke, sondern eher in der Tradition Stauffenbergs als Widerstandskämpfer gegen den „Verrat am Volk“.

Worin dieser besteht, da sei sich diese Szene einig: Das Stichwort lautet hier „der große Austausch“, was das vermeintlich bewusste Ersetzen der einheimischen Bevölkerung durch Zugewanderte meint. Das Gedankengut der „Neuen Rechten“ fuße dabei vorwiegend auf der sogenannten „konservativen Revolution“, einer geistigen Strömung zu Zeiten der Weimarer Republik. Hier werde etwa der Ethno-Pluralismus betont, der jede Kultur als gleichwertig betrachtet, ihr aber einen bestimmten Platz auf der Welt zuweist. Deswegen sei bei Ver­tretern dieser Denke „die Ablehnung von Asylbewerbern grundsätzlicher Art“, so Bednarz.

Der Islam etwa solle demnach „wieder dorthin, wo er herkommt.“ Sie stellte Parallelen auf zwischen der Angst vor Slawisierung in den 1930er-Jahren zu der Angst vor Islamisierung in unserer Zeit. Damit ist allerdings die Furcht vor einem religiösen Sys­tem gemeint, das wiederum auffällige Züge dessen trägt, was Bednarz die zweite Säule der „konservativen Revolution“ nennt: den Anti-Liberalis­mus. Hier würden die Menschenrechte als „Ideologie“ gebrandmarkt und ei­nem Kollektivismus das Wort geredet.

Auch christliche Kreise betroffen

Aber auch auf christliche Kreise sei solches Denken übergeschwappt, berichtete Bednarz: „Das ist ein schwer durchschaubares Wechselspiel.“ Weswegen nach einfachen Lösungen gesucht werde, die in der dritten Säule offenbar werden: dem Anti-Parlamentarismus. Denn laut der geistigen Strömung aus Weimarer Republikzeiten gebe es im Prinzip nur eine Partei, die „den Volkswillen umsetzt“. Ein Ansatz, mit dem etwa die AfD bewusst spiele. Säule Nummer vier sei der Anti-Egalitarismus, der betreffend der Gleichberechtigung seine Probleme habe. Alles in allem ein Gedankengut, das den Boden etwa für Blockaden von Bussen mit Flüchtlingen bereitet habe. Und eines, dessen Rhetorik aber auch entlarvt werden könne, wie der Ausgang der Bundespräsidentenwahl in Österreich zeige.

Lange Zeit aber sei die „Neue Rechte“ unterschätzt worden, so Bednarz. Sie sei weiter auf dem Vormarsch; so müsse man in Bayern etwa ein Erstarken der „identitären Bewegung“ attestieren. „Pegida“ durfte bei der Auflistung an diesem Abend natürlich nicht fehlen. Hier hätten sich ursprünglich Wutbürger zusammengetan, an deren Sorgen aber die „Neue Rechte gut andocken konn­te“. Auch die Gruppe der „Christen in der AfD“ kritisierte Bednarz, die dort eine „Instrumentalisierung des Chris­tentums für menschenfeindliche Politik“ vermutet. Um all dem entgegenzuwirken, gelte es, „die Kommentarspalten im Internet zurückzuerobern“, beim Diskutieren mit Fakten dagegenzuhalten und so Mitbürger von menschenverachtenden Denkmustern zu befreien. Das könne gelingen, sei aber mühsam.

Leider habe die Politik in jüngster Zeit zu wenig erklärt, sie dürfe nicht mehr so abstrakt sein, machte die Referentin deutlich. Ängste gelte es freilich ernst zu nehmen, nicht aber „je­den irrationalen Stuss“, so die Publizistin. Die Entwicklung jener Partei, der ihr Kreuzchen in der Wahlkabine gilt, sah sie auf Nachfrage zwiegespalten. Generell sei auch sie zwar für eine „stärkere Abschiebepraxis“, erklärte Liane Bednarz im Söller. Doch bei so manchem, was etwa Ministerpräsident Horst Seehofer und andere von sich gäben, könne sie nicht mitgehen. Die Union sei eine konservative Partei, die sich derzeit „in der Rhetorik verrennt“.   

 

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