Zwei Drittel der Gymnasiallehrer sind massiv überfordert

Michaela Zimmermann

Xtra Kinder- und Jugendredaktion

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17.3.2020, 18:46 Uhr
Zwei Drittel der Gymnasiallehrer fühlen sich massiv überfordert.

© Jean-Christophe Bott, dpa Zwei Drittel der Gymnasiallehrer fühlen sich massiv überfordert.

Das förderte eine repräsentative Studie der Präventivmedizin der Universität Rostock in Auftrag des Deutschen Philologenverbands zu Tage."Wir müssen aufpassen, dass wir den Belastungsbogen der Lehrkräfte nicht überspannen", warnt Michael Schwägerl, Vorsitzender des Bayerischen Philologenverbandes (bpv). Sein Verband hat die bundesweite Studie mit dem Titel "Lehrerarbeit im Wandel (LaiW)", in der bundesweit 19.000 Lehrer befragt wurden, für den Freistaat interpretiert.

Beklagt wird von 72 Prozent der befragten Lehrer das hohe Arbeitspensum. Lange Arbeitszeiten während der Woche und arbeitsreiche Wochenenden, die dafür sorgen, dass die Lehrer sich nicht mehr ausreichend erholt fühlen. Die Anforderungen an die Lehrerinnen und Lehrer haben in den vergangenen 15 Jahren stetig zugenommen, erklärt bpv-Sprecher Benedikt Karl.

Mehr Bürokratie bei Lehrerjobs wegen Digitalisierung

Andreas Hofmann von der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) bestätigt das. Die Bürokratisierung der Arbeit aufgrund der Digitalisierung habe massiv zugenommen, erzählt er. Überhaupt stelle die Digitalisierung die Schulen und das Lehrpersonal vor große Herausforderungen, die sie quasi nebenher bewältigten müssten.

Es sind die zahlreichen Zusatzaufgaben die den Gymnasiallehrern das Leben schwer machen. Im Schulalltag fehlen Ruheräume, die notwendigen Pausen sind nur begrenzt möglich. 66 Prozent der Lehrer gaben an, dass zwischen den Unterrichtsstunden die gebotene Erholung viel zu kurz komme. An vielen Schulen fehlen Ruhezonen, in die sich die Lehrer gerade an langen Schultagen zurückziehen könnten, das bemängeln 70 Prozent der Lehrer. Schon eine Gymnasiallehrerstudie aus dem Jahr 2004 weist ähnlich hohe Zahlen in der Belastung auf. Doch passiert sei seitdem nichts, bedauert Michael Schwägerl.

Der Vorsitzende der bayerischen Philologen weißt auf einen anderen interessanten Aspekt in diesem Zusammenhang hin: "Trotz der hohen Belastung ist die Arbeitsmoral der Lehrerinnen und Lehrer noch sehr hoch." Das ist typisch für einen durch Idealismus geprägten und sozialen Berufsstand wie dem des Lehrers. Gilt aber zum Beispiel auch für Mediziner und Journalisten.

Lehrer: Idealismus zeigt sich auch in geringer Kranktheitsquote

Bei den Lehrern zeigt sich dieser Idealismus auch in einer geringen Krankheitsquote. Der LaiW-Studie zufolge haben 51 Prozent der Lehrkräfte in Bayern im vergangenen Jahr nur ein bis neun Tage krankheitsbedingt gefehlt, 27 Prozent sogar nicht einen einzigen Tag.

Die Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen und deren Wertschätzung sowie die gute Zusammenarbeit innerhalb der Kollegien sind für die Pädagogen wichtige Motivationsfaktoren. "Gesunde und zufriedene Lehrkräfte sind der beste Indikator für guten Unterricht und damit für die Bildung der Kinder und Jugendlichen", bringt es Schwägerl auf den Punkt.

Die bayerische Staatsregierung weiß um die hohe Arbeitsbelastung ihrer Lehrkräfte. In einem Workshop des Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverband (BLLV) in Zusammenarbeit mit dem Verein Health Care Bayern wurde im Landtag vor kurzem über eine standardisierte Gesundheitsförderung für die rund 160.000 Lehrkräfte an den bayerischen Schulen diskutiert. Es sollte dabei geklärt werden, wie und in welcher Form betriebliches Gesundheitsmanagement an den Schulen Einzug halten kann.


BLLV-Vorsitzende fordert "mehr Wertschätzung für Lehrer"


BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann betont, dass die hohe Summe für die Frühverrentungen der Kollegen doch viel besser in sinnvolle Maßnahmen zum Erhalt der Lehrergesundheit investiert wären. Es sei bekannt, dass viele Lehrer angesichts der immensen Herausforderungen und der personellen Knappheit über Jahre hinweg ihre persönliche Belastungsgrenze überschritten. "Viele brennen aus." Weil Entlastungsmaßahmen, präventive Angebote und Ansprechpartner im Krisenfall fehlten, seien viele Betroffene häufig auf sich allein gestellt, führt Fleischmann aus. Die Folge: Krankheit und das vorzeitige berufliche Aus.

Rasche Entlastung der Lehrer gefordert

Im Sommer 2018 hatte das Bayerische Kultusministerium angekündigt, ein Arbeitsmedizinisches Institut für Schulen (AMIS) in Bayern zu installieren. Doch dessen Aufbau schreitend nur schleichend voran.

Die bayerischen Philologen, der BLLV und die GEW fordern eine rasche Entlastung der Lehrer. Dazu gehört für sie neben mehr Zeit für Zusatzausgaben auch die Schaffung von Ruheräumen an den Schulen. Ebenso wie ein Ausbau der integrierten und mobilen Lehrerreserve und die Einstellung zusätzlicher Verwaltungs- und IT-Fachkräfte.

Im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern ist die betriebliche Gesundheitsvorsorge an staatlichen Schulen Usus. Wie viel Aufmerksamkeit dem Thema Lehrergesundheit und Arbeitssicherheit geschenkt wird, ist von Bundesland zu Bundesland sehr unterschiedlich.

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