Drama im Okavangodelta steht bevor

Botswana: Die Touristen gehen, die Wilderer kommen

2.12.2021, 11:47 Uhr
Das Okavango-Delta ist auch die Heimat unzähliger Flusspferde. Sie sind längst nicht so selten wie die bedrohten Nashörner.

© imago images/imagebroker Das Okavango-Delta ist auch die Heimat unzähliger Flusspferde. Sie sind längst nicht so selten wie die bedrohten Nashörner.

Das düstere Lachen der Hyänen ist plötzlich zu hören. Irgendwo da draußen in der Dämmerung, nicht weit von Alan Bosiela Monnaaletsatsis Safariwagen, muss ein Clan unterwegs sein. "Sie machen sich gerade auf zum Beutezug", sagt der Guide und lauscht. In Botswanas Okavangodelta beginnt nach Sonnenuntergang die Stunde der Räuber: Löwen, Leoparden, Wildhunde und Tüpfelhyänen – nirgends sonst in Afrika teilen sich so viele Fleischfresser einen Lebensraum.

Größtes Binnendelta der Erde und Unesco-Welterbe

Das Okavangodelta ist das größte Binnendelta der Erde und Unesco-Welterbe – eine für den Menschen schwer zugängliche Wildnis aus endlosem Sumpfland und Inseln, Seen und Wasserarmen. Das gigantische Feuchtgebiet zieht Abertausende Wildtiere aus der umliegenden Kalahari an.

Schon lange vor der Pandemie galt das Okavangodelta als eines der exklusivsten Naturreiseziele Afrikas. Unzählige Tierdokumentationen, die hier gedreht wurden, lockten Touristen aus aller Welt. Botswana hat sich von einem der ärmsten zu einem der reichsten Länder Afrikas entwickelt – Diamanten und Tourismus bringen viel Geld. Vor allem unter dem früheren Präsidenten Ian Khama, einem engagierten Artenschützer, etablierte sich das Land als hochpreisiges Safari-Ziel.

Im Dunkel der Nacht stellen die Wilderer den Tieren ihre Fallen.

Im Dunkel der Nacht stellen die Wilderer den Tieren ihre Fallen. © imago images/robertharding, NNZ

Die Pandemie bedroht jedoch den Erfolg. Erst im September kehrten endlich wieder Touristen zurück. Nun droht mit der Omikron-Variante, die erstmals in Botswana und Südafrika nachgewiesen wurde, das südliche Afrika erneut zur No-Go-Zone zu werden. Viele Staaten, darunter auch Deutschland, haben strikte Reisewarnungen für Botswana verhängt. Wochen oder gar Monate ohne ausländische Touristen haben dramatische Folgen für Wirtschaft und Naturschutz: Die Armut und die Versuchung zur illegalen Fleisch- und Trophäenjagd nehmen zu.

International vernetzte Banden schlagen zu

"Vor allem während der Lockdown-Monate sind Wilderer über die nördliche Grenze ins Okavangodelta gekommen", sagt Monnaaletsatsi. Sie nutzen die Gelegenheit, wenn keine Touristen, kaum Ranger und viel weniger Menschen unterwegs sind. International vernetzte Banden aus Sambia wollen vor allem Nashorn-Hörner, die in China und Vietnam als medizinisches Wundermittel gehandelt werden. Nun wurde erstmals nach langer Zeit auch im Zentrum des Deltas gewildert.

2019 und 2020 fielen 92 Nashörner den Wilderern zum Opfer. Im ganzen Jahrzehnt davor waren es nur einzelne Tiere, für 2021 fehlen noch Zahlen. "Für Botswana gibt es nichts zu feiern", postete der frühere Präsident Ian Khama auf Facebook. "Das Abschlachten geht weiter, wenn auch in langsamer, da kaum noch Nashörner zum Wildern übrig sind."

Dass es nun ausgerechnet die endlich wachsende Nashorn-Population trifft, die um 2015 aus Südafrika hier angesiedelt wurde, ist von besonderer Tragik. "Einem Nashornkalb wurde etwa die Wirbelsäule zerhackt, um an sein nur zehn Zentimeter langes Horn zu kommen", beschreibt ein Wildhüter – sie fanden das Tier noch lebend.

Auch Elefanten werden wegen ihrer Stoßzähne gejagt.  

Auch Elefanten werden wegen ihrer Stoßzähne gejagt.   © imago images/blickwinkel

Der Nürnberger Unternehmer Ralph Koczwara hat die Hemmersbach Rhino Force gegründet, die etwa in Südafrika gegen Wilderer vorgeht. Und die preisgekrönten Naturfilmer und Artenschützer Beverly und Dereck Joubert initiierten "Rhinos Without Borders, die zum Höhepunkt der Nashornwilderei Spitz- und Breitmaulnashörner nach Botswana ausflog. "Wenn das Ziel war, 100 Nashörner aus Südafrika vor der Wilderei zu retten und dann werden sie in Botswana gewildert – was haben wir erreicht?", fragt sich Joubert.

Umsiedlungen nach Botswana sollte Rettung bringen

Alternativen zu Umsiedlungen sieht der Naturschützer jedoch kaum. In Südafrika wurden lange rund 1200 Nashörner im Jahr gewildert. Die nach Botswana ausgeflogenen Tiere vermehrten sich hingegen. Botswanas Naturschutzbehörde will zudem alle überlebenden Spitzmaulnashörner aus dem Okavangodelta in leichter zu überwachende umzäunte Gebiete bringen.

Eine andere Gefahr durch die Pandemie droht dem Delta von Ölfirmen. Im Nordosten Namibias, nicht weit von der botswanischen Grenze, hat das kanadische Öl- und Gas-Unternehmen ReconAfrica im Frühjahr 21 mit Testbohrungen begonnen. 2022 sollen mehrere Ölquellen erschlossen werden. Der Konzern hat die Lizenz für 35 000 Quadratkilometer in beiden Ländern – mehr als die Größe Nordrhein-Westfalens. Das Gebiet grenzt an den Okavango-Fluss, das Delta ist durch mögliche Verschmutzungen in Gefahr.

Zuletzt riefen auch Prominente wie Prinz Harry und Leonardo DiCaprio zum Stopp der Ölbohrungen auf. Ein Sprecher von ReconAfrica wiegelt ab: "Wir sind entschlossen, die Arbeit in Zusammenarbeit und unter direkter Aufsicht der Regierungen beider Länder fortzuführen."

Ölindustrie wittert ihre Chance

Die Stellungnahme, dass die Förderung nicht in Nationalparks stattfinde, ist dabei irreführend, denn die geplanten Ölquellen liegen nach Angaben von Naturschützern nahe der Wanderrouten von Elefanten innerhalb des Kavango Zambezi Transfrontier-Schutzgebiets, hier lebt die größte Elefantenpopulation der Welt.

Joubert: "Meine größte Angst ist, dass durch den derzeitigen Niedergang des Safari-Tourismus weiter nach Alternativen Ausschau gehalten wird: Bergbau, fossile Brennstoffe und Viehhaltung." Mit der Omikron-Variante scheinen die Sorgen berechtigter denn je.

Im Herzen des Deltas, nahe der Jao-Lodge, paddelt ein Guide mit Touristen in einem Mokoro-Einbaum durch einen von Seerosen gesprenkelten Wasserarm. "Wenn tatsächlich einmal Öl in diese Wildnis gelangt, ist dieses Paradies für lange Zeit verloren", warnt er.

Mehr Informationen:
Botswana Tourismus, botswanatourism.co.bw, Tel.: 0 30 / 42 02 84 64
Einreise:
Mit mindestens negativem PCR-Test (nicht älter als 72 Stunden), das Auswärtige Amt warnt derzeit jedoch ausdrücklich vor Reisen nach Botswana, das seit 28.11. neben sieben weiteren Staaten im südlichen Afrika als Virusvariantengebiet eingestuft ist.

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