Corona-Krise: So hilft die Autobranche

30.3.2020, 15:58 Uhr
Corona-Krise: So hilft die Autobranche

© GM

Nachdem er die Corona-Gefahr zunächst heruntergespielt hat, geriert sich US-Präsident Trump inzwischen als entschlossener Kämpfer wider das Virus. Noch in der vergangenen Woche war ein Vertrag zwischen der US-Regierung und dem Autobauer General Motors gescheitert – GM hatte versprochen, zusammen mit dem Medizintechnik-Spezialisten Ventec Life Systems Beatmungsgeräte zu produzieren, dafür aber nach Meinung der Regierung zu viel Geld (eine Milliarde US-Dollar) verlangt. GM verschwende Zeit und wolle Höchstpreise durchsetzen, twitterte Trump und aktivierte den "Defense Production Act". Mithilfe dieses Kriegswirtschaftsgesetzes aus dem Jahr 1950 kann die Regierung GM nun zur Produktion der Beatmungsgeräte zwingen.

Die Bänder stehen still

Praktisch überall stehen in der Automobilindustrie die Bänder still. Einer Studie zufolge, die der Markbeobachter Beryll für die Zeitschrift auto, motor und sport erstellt hat, haben weltweit fast 100 Automobilwerke und zahlreiche Zulieferbetriebe vorübergehend die Arbeit eingestellt. Außerhalb Chinas werde man derzeit „praktisch keine“ Autos mehr los, sagte Volkswagen-Chef Herbert Diess am vergangenen Donnerstag in der ZDF-Talkshow "Markus Lanz". 70 Prozent der Autohäuser nehmen Kurzarbeitergeld in Anspruch.

Hilfe auch ohne Kriegswirtschaftsgesetz

Dafür versuchen die Automobilhersteller in der Corona-Krise zu helfen, indem sie jetzt dringend benötigte medizinische Produkte herstellen – auch ohne Zwang und Kriegswirtschaftsgesetz.

Volkswagen beispielsweise bereitet sich auf die Produktion von Komponenten für medizinische Geräte vor, die Teile könnten in den 3D-Druckern des Konzerns entstehen. Daneben versorgt der Konzern Ärzte und Krankenhäuser mit medizinischer Ausrüstung. Allein das Paket aus Atemschutzmasken, Handschuhen, Desinfektionsmitteln, Fieberthermometern, Schutzbrillen und Schutzanzügen, das VW in China organisiert hat, besitzt einen Gesamtwert von 40 Millionen Euro. Eine erste Lieferung – 400.000 Atemschutzmasken – ist am Samstag eingetroffen, die Verteilung wird durch öffentliche Stellen organisiert. Aufgrund der langjährigen Präsenz des Konzerns in China sei man dort gut vernetzt und kenne die Logistik, sagte Diess. Ein Wissensvorsprung, den man der öffentlichen Hand voraus hat.

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© VW

Als weitere Maßnahme stellt VW Beschäftigte mit medizinischer Qualifikation – Ärzte etwa, Rettungsassistenten, Notfallsanitäter, Krankenpflegekräfte oder Praxispersonal – für bis zu 15 Arbeitstage frei, wenn sie sich freiwillig im öffentlichen Gesundheitswesen engagieren. Das Entgelt wird während dieser Zeit fortgezahlt.

Auch BMW und Daimler haben bereits Atemschutzmasken in sechsstelliger Zahl gespendet. Zumeist stammt die Schutzausrüstung aus den eigenen Werken, wo sie derzeit aber nicht gebraucht wird, um die Mitarbeiter vor Staub oder giftigen Dämpfen zu schützen. In China wiederum hat der Elektroauto-Hersteller BYD innerhalb von zwei Wochen die weltweit größte Fabrik für Atemschutzmasken errichtet, täglich werden dort fünf Millionen solcher Masken hergestellt.

Beatmungsgeräte von Ferrari

Neben GM haben auch Tesla, Ford sowie Fiat-Chrysler mit Ferrari angekündigt, Beatmungsgeräte herstellen zu wollen. Einstweilen hat Tesla-Chef Elon Musk 1000 Beatmungsgeräte und 50.000 Atemschutzmasken gekauft und verschenkt, mehr will er folgen lassen. Ford wiederum hat sich mit General Electric und 3M zusammengetan, um motorbetriebene Atemschutzgeräte (Power Air Purifying Respirators, kurz PAPR) mit Luftreinigungsfunktion herzustellen, dabei kommen Gebläsemotoren aus der Sitzventilation des Pick-ups F 150 zum Einsatz. Und Ferrari/Fiat prüft die Produktion von elektrischen Komponenten für den Medizintechnikhersteller Siare Engineering, der Beatmungsgeräten fertigt.

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© Ford

Im Handumdrehen funktioniert die Umstellung der Produktion von Autos auf Beatmungsgeräte freilich nicht. "Medizinisches Equipment ist natürlich neu für uns", sagte ein VW-Sprecher der Nachrichtenagentur dpa. Sobald man aber die Anforderungen kenne und die entsprechenden Blaupausen erhalte, könne man starten.

Auch Zulieferer beteiligen sich am Kampf gegen Covid-19. Bosch hat einen Corona-Schnelltest entwickelt, der innerhalb von zweieinhalb Stunden ein Ergebnis liefern soll. ZF Friedrichshafen produziert in China täglich 100.000 Atemschutzmasken des Standards FFP2, das Unternehmen hat sogar eine eigene Maschine dafür angeschafft. In erster Linie sind die Masken zwar für die eigenen Mitarbeiter gedacht, doch was übrig ist, wird an die lokalen Stadtverwaltungen gespendet.

Kooperation mit Wäschehersteller

In Europa hat sich eine Kooperation zwischen dem Stuttgarter Zulieferer Mahle und dem Schweizer Unterwäschehersteller Triumph ergeben – Mahle liefert ein Filtermedium, das normalerweise in Klimaanlagen verarbeitet wird, Triumph stellt die Masken dann fertig, sie erfüllen den höchsten Standard FFP3. Der monatliche Produktionsausstoß soll 1,5 Millionen Masken umfassen, die allerdings ausschließlich an Behörden geliefert werden.

Außerdem überprüft Mahle, inwieweit es seine Erfahrungen mit der Warmumformung von Kunststoff und 3D-Druck in die Herstellung von Komponenten für Atemschutzmasken und anderer medizinische Produkte einbringen kann.

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© ZF Friedrichshafen

Ein ebenfalls ungeahntes Betätigungsfeld hat sich für den niederbayerischen Zulieferer Zettl ergeben, der eigentlich Sitzbezüge und Türinnenverkleidungen produziert. Jetzt stellt man Atemschutzmasken her. Das virenabwehrende Vlies liefert ein weiteres bayerisches Unternehmen zu; Sandler aus dem oberfränkischen Schwarzenbach an der Saale zählt sich zu den 20 größten Vliesstoffherstellern der Welt.

Krankenhaus statt Autoshow

Eine eher traurige, hoffentlich aber hilfreiche Umwidmung erfahren teilweise auch jene Areale, in denen die Glitzershows großer Automobilausstellungen stattfinden. Das Messegelände Javits Center in New York City wird zum Notkrankenhaus, und auch das TCF-Center von Detroit, das im Juni eigentlich die North American International Auto Show (NAIAS) beherbergen hätte sollen, dient als Feldkrankenhaus.

Ulla Ellmer