E-Pace: Jaguar geht auf Raubzug

20.1.2018, 17:29 Uhr
E-Pace: Jaguar geht auf Raubzug

© Hersteller

Das Wortspiel mit der Katze ist im Zusammenhang mit Jaguar schon ziemlich ausgelutscht. Doch was den E-Pace betrifft, wird es aus prominenter Position sanktioniert. Wer das neugeborene Kompakt-SUV "Katzenkind" nennen wolle, der solle das ruhig tun, sagt Designchef Ian Callum fröhlich. Seine Idee war es schließlich, dem E-Pace neben dem bekannten Jaguar-Logo ein winziges zweites zu verpassen, es zeigt - siehe Bilderstrecke - eine geduckt schleichende Jaguar-Mama, dem ihr tapsiges Baby folgt. Der Kunstgriff schafft Sympathien und bricht von vornherein jeglichen Vorwurf der Hochnäsigkeit. Denn bei allem Premium-Anspruch, erklärt Callum, dürfe ein Jaguar "zwei Dinge niemals sein: vulgär - und arrogant".

Nach dem größeren F-Pace ist der E-Pace das zweite SUV von Jaguar, sehr wahrscheinlich wird es sich an die Spitze der markeninternen Verkaufscharts setzen und laut Sprecher Richard Agnew auch sonst zur "Eroberungsmaschine" werden. Heißt: 80 Prozent der E-Pace-Käufer sollen von anderen Marken zu den Briten herüberwechseln.

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Plattform vom Land Rover Evoque

Größentechnisch ist der 4,40 Meter kompakte E-Pace der kleine Bruder des in der Mittelklasse angesiedelten F-Pace, optisch nicht unbedingt. Es sei ihm wichtig gewesen, dem neuen SUV eine eigenständige Persönlichkeit auf den Leib zu zeichnen, betont Designchef Callum, im Showroom des Händlers solle man ihn sofort identifizieren. Und so wirkt zwar der typische Jaguar-Kühlergrill identitätsstiftend, ansonsten mutet der E-Pace sportlicher und flacher an, dabei auf muskulöse Weise wohlproportioniert, mehr SUV-Coupé als klassisches SUV. Besonders gut stehen ihm die mächtigen (und aufpreispflichtigen) 21-Zoll-Räder. Die Plattform hat der Evoque aus der verschwisterten Land-Rover-Familie beigesteuert.

Dass Sportlichkeit als Charakterzug im Vordergrund steht, wird auch im Innenraum spürbar. Die Sitzposition ist ungewöhnlich tief für ein SUV, der Zuschnitt des Cockpits fahrerorientiert, man fühlt sich schnell eins mit dem Briten. Fahrer und Beifahrer trennt ein breiter Mitteltunnel, der mit einem Haltegriff für den Beifahrer versehen ist. Nicht jeder liebt den markentypischen Drehknopf, über den bei den Automatikmodellen von Jaguar und Land Rover die Gänge angesteuert werden, der E-Pace präferiert hier die Lösung eines konventionellen Wählhebels. Immer an Bord befindet sich ein großer 10-Zoll-Bildschirm, desgleichen vier 12-V- und zwei USB-Anschlüsse, einen 4G-Hotspot für bis zu sieben Endgeräte gibt es optional. Apple CarPlay oder Android Auto stehen nicht zur Verfügung, der E-Pace-Kunde kann sich aber aus dem markenspezifischen App-Store bedienen.

So feudal wie in den größeren Modellen der Marke wirkt das Interieur nicht, selbst in den höheren Ausstattungsstufen findet sich nebst fein belederten Oberflächen auch nüchterner Kunststoff. Aber das Platzangebot stimmt, die räumlichen Verhältnisse im Fond sind großzügig genug, um den E-Pace familientauglich zu machen. Der Kofferraum nimmt 557 Liter auf, durch Umklappen der im Verhältnis 60:40 teilbaren Rücksitzlehne lässt sich das Volumen auf 1.234 Liter erweitern, nicht rekordverdächtig, aber im Konkurrenzvergleich doch ansehnlich. Praktisches Detail sind die Aussparungen in den Türablagen, in denen sich Getränkeflaschen im griffgünstigen 45-Grad-Winkel unterbringen lassen.

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Auf der Suche nach den Logos

Und dann immer wieder die augenzwinkernden Jaguar-Konnotationen: Jaguar-Mutter und Jaguar-Kind als schwarzer Schattenriss am unteren Windschutzscheibenrand, in den Heckleuchten, projiziert auf den Asphalt vor der Tür, dazu ein Muster aus Jaguar-Tatzen auf den kleinen Etiketten an den Sitzen und den Gummieinlagen der Staufächer, obendrein vielfach das klassische Jaguar-Signet. Rund zwanzig solcher kleinen Logos sollen im und am E-Pace versteckt sein; die Leute liebten es doch, etwas zu suchen, meint Ian Callum dazu, wie Ostereier-Suchen sei das, und ein Zeichen dafür, "dass wir uns bei Jaguar einfach nicht zu ernst nehmen".

Was den Antrieb betrifft, bedient sich der E-Pace aus dem Regal der modernen Ingenium-Motorenfamilie, allesamt Zweiliter-Vierzylinder. Das Angebot ist umfangreich: Es umfasst zunächst zwei Turbobenziner, der Einsteiger leistet 183 kW/249 PS, ist mit Allradantrieb 230 km/h schnell und verbraucht nach Norm 7,7 l/100 km. Der stärkere Ottomotor bietet 221 kW/300 PS auf, erreicht maximal 243 km/h und schluckt im Schnitt 8,9 l/100 km. Daneben stehen drei Diesel bereit: Mit 110 kW/150 PS (Vmax 199 km/h, Verbrauch 4,7 l/100 km), mit 132 kW/180 PS (207 km/h, 5,2 l/100 km) und mit 177 kW/240 PS (224 km/h, 6,2 l/100 km). Alle Selbstzünder machen den Stickoxiden mittels SCR-Kat und AdBlue-Vorrat den Garaus.

Nur der Basis-Diesel lässt sich mit Frontantrieb kombinieren, ansonsten ist Allrad obligatorisch, der aber auf Offroad-Programme verzichtet. Die beiden Top-Motoren kooperieren serienmäßig mit dem aufwendigeren Active-Driveline-AWD. Auch Sechsgang-Handschaltung wird lediglich für die beiden Selbstzünder angeboten, die Neungang-Automatik dürfte aber sowieso als die empfehlenswertere Wahl sein.

Spitzenbenziner mit 300 PS

Zur ersten Fahrerprobung standen nur die jeweiligen Topmotorisierungen zur Verfügung. Akustisch ist der 240-PS-Diesel nicht unbedingt ein Leisetreter, vor allem nach dem Start hört man ihm seine Diesel-Identität an. Drehmomenttechnisch kann er aus dem Vollen schöpfen (500 Nm bei 1.500/min), was relaxte Souveränität und lässige Kraftentfaltung generiert. Dies bereitet zweifellos Freude, und doch werden sich in Deutschland wohl die meisten Kunden für den mittleren Diesel mit 180 PS als vernünftigste und völlig ausreichende Lösung entscheiden. Der Spitzenbenziner mit 300 PS ist ein starkes Stück, klar, er treibt den E-Pace mit Nachdruck voran; insgesamt erschien uns die kraftvolle Gelassenheit des Selbstzünders aber als die sympathischere Lösung.

Im Konkurrenzumfeld sucht der E-Pace seine Chance in der dezidiert sportlichen Nische, nicht umsonst ist er ein Jaguar. Als entsprechend straff abgestimmt erweist sich die Fahrwerksabstimmung. Das wirkt sich zweifellos segensreich auf die Fahrdynamik aus, über die kurvigen Sträßchen Korsikas räuberte der Brite mit durchaus hungriger Entschlossenheit. Als Kehrseite knabbert solche Fahrdynamik allerdings am Fahrkomfort, woran auch die großen 21-Zöller nicht unbeteiligt sein dürften.

E-Pace: Jaguar geht auf Raubzug

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Mit einem Einstiegspreis von 34.950 Euro ist der bei Magna Steyr in Graz produzierte E-Pace das preisgünstigste Modell in der Jaguar-Palette. Ob sich mehr als eine Handvoll Kunden für den frontgetriebenen und handgeschalteten 150-PS-Diesel erwärmen wird, darf freilich bezweifelt werden, auch wenn er schon sensorgesteuertes Fahrlicht, Zwei-Zonen-Klimaautomatik, Bluetooth-fähiges Infotainment mit Sprachsteuerung, Rückfahrkamera und einen Spurhalteassistenten mitbringt. Der allradgetriebene 180-PS-Diesel kommt als Handschalter auf mindestens 39.550 und mit Neunstufenautomatik auf 41.975 Euro, noch ohne aufpreispflichtige Extras.

Elektrischer Crossover kommt

Eine Hybridvariante vom E-Pace ist vorerst nicht in Sicht. Dafür fährt Jaguar schon in diesem Sommer einen aufsehenerregenden weiteren Crossover auf den Markt - der rein batterieelektrische I-Pace kommt deutlich vor der deutschen Konkurrenz (Mercedes EQ, Volkswagen I.D.) aus den Startlöchern. Darüber hinaus bleibt abzuwarten, wie lange der E-Pace der Junior von Jaguar bleibt. Ian Callums Traum wäre es, für Jaguar einen Premium-Mini zu entwerfen - ein Katzenbaby unterhalb des Katzenkinds.

Ulla Ellmer

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Jaguar E-Pace in Kürze:

Wann er kommt: Seit 20. Januar 2018 beim Händler

Wen er ins Visier nimmt: Premium-SUVs wie BMW X2, Audi Q3 und Mercedes GLA

Was ihn antreibt: Zweiliter-Vierzylinder-Motoren; darunter Diesel mit 150, 180 und 240 PS sowie Benziner mit 249 und 300 PS

Was er kostet: Ab 34.950 Euro, Leasing ab 179 Euro/Monat. Exklusives Sondermodell "First Edition" zum Marktstart, ab 62.675 Euro

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