"Ein Jaguar ist das ideale Elektrofahrzeug"

8.8.2018, 12:52 Uhr

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Möglicherweise war der I-Pace  ja das letzte Projekt Ihres langen Berufslebens. Ist er auch das spannendste gewesen?

Ich muss sagen, dass ich drei Produkte in meinem Leben als extrem spannend empfunden habe. Das erste war der BMW 3er, für den ich einmal verantwortlich war, es war eine besondere Erfahrung, ein gesamtes Produkt zu gestalten. Dann haben wir, als ich bei Infineon war, am iPhone gearbeitet, wir waren einer der wesentlichen Lieferanten der ersten zwei Generationen des iPhones. Alles sicher sehr, sehr spannend. Aber dieses Auto hier war mit Abstand das spannendste Projekt, das ich je hatte.

Es hat ja einen gewissen Charme, dass gerade dieses vielleicht abschließende Projekt ein ganz besonders Zukunftsweisendes ist.

Ja, das freut mich natürlich sehr. Ich habe ja das Glück gehabt, dass ich in meinem Berufsleben sowohl in der Autoindustrie als auch in der Elektronikindustrie arbeiten durfte. Da war diese Kombination hier natürlich die logische Weiterentwicklung in die Elektromobilität. Der I-Pace ist, glaube ich, ein herausragendes Fahrzeug geworden. Wir haben bei der Entwicklung auch einen anderen Ablauf verwirklicht, als man ihn in der Autoindustrie normalerweise gewohnt ist.

Was heißt das?

Ich habe ja sehr viel in der Elektronikindustrie gelernt, wo der Takt ganz anders und sehr viel schneller schlägt als in der Autoindustrie. Wir haben in die I-Pace-Entwicklung also sehr viele Elemente eingebracht, die ich in der Mobilfunkentwicklung gelernt habe. Und so haben wir von einem weißen Blatt Papier bis zum ersten Kundenfahrzeug nur vier Jahre gebraucht. Das ist, glaube ich, eine extrem sportliche Leistung.

Wie befriedigend ist es, die Premium-Konkurrenz in puncto Elektromobilität rechts überholt zu haben?

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Uns freut natürlich sehr, dass wir als erster der traditionellen Fahrzeughersteller mit einem solchen Produkt auf den Markt gekommen sind. Wir machen aber ein solches Auto ja nicht gegen die Konkurrenz, sondern wir machen es für den Kunden. Sicher haben wir die Mitbewerber im Auge gehabt. Aber das Ziel war letztlich, ein völlig kompromissloses Elektroauto zu bauen, das die Möglichkeiten, die ein Elektroantrieb bietet, vollständig ausnutzt - in der Raumökonomie, im Handling, im Fahrverhalten und so weiter. All das wird der Kunde spüren.

Wie ist es überhaupt zu dem Projekt I-Pace gekommen?

Ich war ja einige Zeit Entwicklungschef von Jaguar Land Rover, und da hatte ich stets einen sehr intensiven Austausch mit Ralf Speth (CEO von JLR, die Red.) über Zukunftsthemen und neue Fahrzeugkonzepte. Da sind wir natürlich sehr schnell auf die Elektromobilität gestoßen. Jedem war klar, dass der Elektromobilität die Zukunft gehört - doch wann genau diese Zukunft beginnen würde, das war nicht klar. Findet die Zukunft morgen früh statt, findet sie in fünf Jahren statt oder in zwanzig Jahren? Deshalb haben wir das Projekt eines Elektrofahrzeugs zu einem Zeitpunkt entschieden, als der Hype um die Elektromobilität noch überhaupt nicht eingesetzt hatte.

Das war vor vier Jahren?

Ja, das war Anfang 2014. Der Hype kam ja erst später, und die Konkurrenz hat dann nicht nur ein einziges Auto angekündigt, sondern ganze Autoflotten. Zu diesem Zeitpunkt waren wir aber mit der Entwicklung des I-Pace schon sehr weit gewesen. Das hat dann dazu geführt, dass wir eben jetzt als erster klassischer Automobilhersteller ein solches Fahrzeug auf dem Markt haben.

Der nicht-klassische Automobilhersteller ist Tesla?

Ja, so ist es.

Was haben Sie einem Jaguar-Elektrofahrzeug ins Lastenheft geschrieben?

Ein Jaguar ist eigentlich das ideale Elektrofahrzeug. Die Marke steht für zwei Attribute: Das erste ist Leistung, auf Englisch "Performance". Sie müssen einfach Leistung haben, wenn Sie aufs Gaspedal treten. Das zweite Attribut ist "smooth ride", das heißt sanftes, komfortables Fahren. Sanft also auf der einen Seite, rassig auf der anderen. Das Elektroauto ist das ideale Antriebskonzept, um diese beiden Attribute noch einmal auf eine höhere Ebene zu heben. Sie haben eine sehr gute Performance, wir sind beim I-Pace im Sportwagenbereich, was die Beschleunigung betrifft. Und Sie haben durch den Elektroantrieb ein sehr, sehr niedriges Geräuschniveau und ein sehr sanftes Fahren. Die beiden genannten Jaguar-Attribute repräsentiert der I-Pace also in idealer Weise.

Daneben sollte aber auch eine gewisse Reichweite erreicht werden.

Richtig. Hier haben wir sehr stark von der Batterieentwicklung profitiert, eine Reichweite wie beim I-Pace wäre noch vor ein paar Jahren nicht möglich gewesen. Wir glauben, dass wir jetzt mit einer Batterie von noch akzeptabler Größe eine Reichweite erzielen können, mit der die Bedürfnisse des normalen Fahrers vollständig abgedeckt werden.

Jetzt fehlt nur noch die entsprechende Infrastruktur.

Ja. Das Thema ist sehr stark als Henne-Ei-Problem gesehen worden - kein Auto, keine Infrastruktur und umgekehrt. Ich glaube, das löst sich jetzt relativ zügig. Auch unser Wettbewerb wird nun weitere Elektrofahrzeuge bringen, was wir sehr begrüßen, weil es die Möglichkeiten erhöht, die Infrastruktur aufzubauen und zu erweitern. Wir glauben daher, dass das, was heute vielleicht noch unbefriedigend ist, nämlich die Infrastruktur für das Schnellladen, in relativ kurzer Zeit optimiert sein wird.

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Es geht aber auch um die Infrastruktur zuhause, wo 95 Prozent aller Ladevorgänge stattfinden.

Ich fahre den Wagen jetzt ja schon einige Zeit. Das Thema "Laden" ist in der theoretischen Überlegung viel schwieriger als in der Realität. Sie gewöhnen sich daran, dass Sie den Wagen etwa jeden zweiten oder dritten Tag an die Steckdose anschließen und da reichen zehn, zwölf Stunden über Nacht eigentlich immer, um die Batterie wieder aufzuladen.

Was ist in puncto Batterietechnik noch drin?

In der Batterietechnik wird es nicht zu dem kommen, was in den Medien sehr häufig kolportiert wird, eine Durchbruchs-Technologie also, die alle Probleme löst. Es wird aber eine kontinuierliche Weiterentwicklung geben. Schon in den letzten fünfzehn Jahren hat sich die Kapazität pro Batteriegewicht oder -volumen jährlich um ungefähr fünf Prozent verbessert. So wie wir die nächste Zukunft einschätzen, wird das auch in den nächsten fünf bis zehn Jahren so weitergehen. Die Batterien werden kleiner werden und auch günstiger. Ich glaube aber auch, dass mit der verbesserten Infrastruktur die Reichweite der Fahrzeuge gar nicht mehr so hoch sein muss. Heute schon erreichen wir mit dem I-Pace 470 Kilometer. Wenn Sie in zehn, fünfzehn Jahren praktisch überall laden und auch schnellladen können, dann kann ich mir vorstellen, dass der Reichweiten-Druck sinkt und man infolgedessen auch kleinere Batterien verbauen wird.

Und wie sieht es mit anderen Batterietechnologien aus, Stichwort Feststoffbatterie?

Diese sehen wir kurzfristig nicht. Die Feststoffbatterie füllt zwar jeden zweiten Artikel über die Batterien. Bei nüchterner Betrachtung hat sie eine hohe Energiedichte, Sie können also viel Energie speichern. Andererseits aber ist die Leistungsdichte sehr gering, das Laden dauert sehr lange und auch beim Entladen ist die verfügbare Leistung gering. Damit eignet sich die Feststoffbatterie ideal für Anwendungen, bei denen über lange Zeit eine geringe Leistung benötigt wird. Das ist beim Auto definitiv nicht der Fall, es entlädt sich ja schnell, gerade wenn Sie mit höherem Tempo fahren und viel Leistung entnehmen.

Wie stehen Sie zum Thema Brennstoffzelle?

Ich glaube, dass im Bereich der Pkw die Wasserstofftechnologie keine Zukunft hat. Das liegt im Wesentlichen daran, dass die Wirkungsgradkette von der Energieerzeugung - Solar beispielsweise oder Wind - bis hin zum Rad ungefähr nur halb so gut wie ist wie bei der Batteriespeicherung. Deshalb glaube ich, dass die Brennstoffzelle in der Anwendung des Autos keinen Sinn macht. Es gibt aber andere Anwendungen für Wasserstoffantrieb, von denen ich glaube, dass sie eine gute Zukunft haben könnten. In einem Lastwagen beispielsweise, der über weite Strecken fahren muss, könnte die Brennstoffzelle eine bessere Speichermöglichkeit für die elektrische Energie sein als eine riesenhafte Batterie. Und um auch dieses Thema noch mitzunehmen: Die synthetischen Kraftstoffe, die ja auch sehr häufig ins Gespräch gebracht werden, sind noch einmal schlechter im Wirkungsgrad. Ich glaube, für die Anwendungen in einem normalen Fahrzeug wird die Speicherung der elektrischen Energie in der Batterie die Zukunft sein. Dies wird unterstützt werden durch eine Preissenkung bei den Batterien, eine verbesserte Technologie und letztlich durch die verbesserte Infrastruktur, so dass wir zu einer grundsätzlich reduzierten Batteriegröße kommen.

Sollte der I-Pace also nicht Ihr letztes Projekt gewesen sein - ein Brennstoffzellenfahrzeug wird es definitiv nicht werden?

Nein, sicher nicht!

Das Gespräch mit Wolfgang Ziebart führte Ulla Ellmer

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